Polizisten beim Lügen erwischt

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Wenn Polizisten als Zeugen in Strafverfahren aussagen, erleben wir häufig die gleiche Situation. Strafgericht und Staatsanwalt glauben den Aussagen der Polizisten. Egal welche Zweifel wir da sehen oder wie schwach die Zeugenaussage ist. Die Aussage des Angeklagten wird als bloße Schutzbehauptung abgetan und er wird verurteilt.


Egal wie widersprüchlich die Aussagen der Polizisten sind.


Umso heftiger dann die Reaktion, wenn Polizisten dann durch Smartphone Videos beim Lügen vor Gericht erwischt werden.


Hier und in meinem Video  erfahrt ihr, weshalb Polizisten als Zeugen lügen. Warum Zeugenaussagen immer ein schlechter Beweis sind und vieles mehr.


Beim Lügen erwischt


Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Tätlichkeit, Körperverletzung. Dies hatten Polizeibeamte in Hamburg Robert B. vorgeworfen.

Drei Monate bis fünf Jahre Gefängnis ist dafür die Strafandrohung.

Im Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg-Mitte sah es für Robert B. dann ganz schlecht aus. Bis sein Anwalt am letzten Prozesstag ein Smartphone Video vorlegte, das die Polizisten als Lügner überführte.

Das Video stammt aus der Zeit der Corona-Spaziergänge.

Die Hamburger Innenbehörde hatte Ende Dezember 2021 die Protest-„Spaziergänge“ gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zu anmeldepflichtigen Demonstrationen erklärt.

Die Polizisten waren am 5. Februar 2022 am Jungfernstieg eingesetzt, um solche unangemeldeten Corona Demonstrationen zu verhindern.

Dabei trafen sie dort auf Robert B., der zusammen mit Freunden auf dem Jungfernstieg unterwegs war. Die Beamten kesselten sie ein, um ihre Personalien aufzunehmen.

Auf dem Video ist dann eine verbale Auseinandersetzung zwischen Robert B. und anderen Bürgern mit den Polizisten zu sehen. Robert B. trägt eine Pappschachtel mit asiatischem Essen in der Hand und wird am Anfang der Sequenz von einem Polizisten, der einen Tonfa, also einem T-förmigen Schlagstock, in der Hand hält, zurückgeschubst.

Robert B. sagt nur: „Beruhig dich mal.“

In der Schlüsselszene bittet Robert B. dann den Polizisten, seine Pappschachtel zum Mülleimer bringen zu dürfen. Der Polizist schickt ihn in die andere Richtung. B. zeigt mit dem Finger Richtung Mülleimer jenseits der Polizeikette.

Irgendjemand sagt dann „Durchsetzen“ und plötzlich schubst der Polizist Robert B. mit aller Macht zurück, macht zwei Schritte nach vorn und bringt ihn mit dem Tonfa zu Boden.

Eine blonde Polizistin kniet sich dann auf Roberts B's Genick.

Zwei Polizisten hatten dem Gericht den Ablauf dieser Aktion aber ganz völlig geschildert:

„Wir hatten den Auftrag, Leute anzusprechen, die sich den Spaziergängen anschließen wollten. Bei der Personengruppe rund um Robert B. habe er das Gefühl gehabt, sie könne zu den Corona-Protestlern gehören. Seiner Wahrnehmung nach sei die Grundstimmung aggressiv gewesen. Die wollten gleich eine Konfrontation aufbauen.“

Deshalb habe er zusammen mit anderen Beamtinnen und Beamten einen „Sicherungskreis“ um Robert B. gezogen, den er nicht akzeptieren wollte und widersetzt hat. Robert B. habe den Polizisten mit dem Tonfa mit einem Faustschlag angegriffen und sich auf dem Boden liegend heftig gegen die Festnahme gewehrt.

Die Beamten erstatteten Anzeige.

Infolge des Videos sprach die Richterin dann Robert B. frei.

Entsprechend hatte dann auch die Staatsanwaltschaft zähneknirschend plädiert.

Im Verlauf der Corana Proteste kam es zu zahllosen ähnlichen Situationen. Die Polizisten erstatten Anzeige, die Angeklagten wurden regelmäßig aufgrund der Zeugenaussage der Polizisten verurteilt. Videos von den Vorkommnissen gab es leider nicht.


Weshalb lügen Polizisten aber im Strafverfahren?

Dafür gibt es mehrere Gründe.

Der wichtigste Grund ist, Zeugen sind meist ganz schlechte Beweismittel. Die menschliche Erinnerung vermengt oft tatsächlich Erlebtes mit der eigenen Erwartungshaltung. Heraus kommt eine falsche Zeugenaussage.

Der ADAC hat dazu vor Jahren ein interessantes Experiment gemacht und einen simplen Auffahrunfall mit langsamer Geschwindigkeit in der Münchner Innenstadt fingiert. Ein Auto fuhr mit 10 km/h dem Vordermann auf. Anschließend wurden die zufällig anwesenden Passanten dazu befragt.

19 von 20 Zeugen machten falsche Angaben zu der Farbe der beiden Fahrzeuge. Teilweise machten Zeugen gleichzeitig falsche Angaben zu der Farbe beider Fahrzeuge.

Auch wer wem auffuhr und damit an dem Unfall schuld war, wurde von vielen Zeugen falsch wiedergegeben. Einige gaben sogar fälschlicherweise an, der Vordermann sei rückwärts gefahren.

Keiner dieser Zeugen hatte persönliche Interessen falsch auszusagen. Dennoch waren die Aussagen falsch.

Zweiter Grund für die Falschaussage von Polizisten ist, sie müssen nachträglich begründen, weshalb sie jemanden festgenommen und/oder dabei körperliche Gewalt angewendet haben.

Der Umstand, dass sie eine polizeiliche Maßnahme durchgeführt haben, impliziert dann später bei ihrer Zeugenaussage, dass diese rechtmäßig war und kann zu einer Falschaussage führen. Im Ergebnis begehen sie einen Zirkelschluss. Weil sie diese Maßnahme durchgeführt haben, glauben sie später, diese sei rechtmäßig gewesen und machen eine entsprechende Zeugenaussage.

Ein dritter Grund ist, dass Festnahmesituationen oftmals völlig unübersichtlich sind und aus dem Ruder laufen können. Auch Polizisten sind nur Menschen und keine Maschinen, die fehlerlos arbeiten.

Polizisten stellen sich deshalb darauf präventiv oder mit Gegenanzeigen auf Strafverfahren gegen sie selbst ein. Eine Art von Selbstschutz. Letztlich ist dies ein menschlich verständlicher Reflex, um mögliche Vorwürfe gegen einen selbst zu delegitimieren.

Der vierte Grund ist, wurden Polizisten bei der Festnahme verletzt, meist sind das Prellungen oder Abschürfungen, steht Ihnen Schmerzensgeld zu, falls ihre Maßnahme berechtigt war. Meist gibt es zwischen 2.000,00 und 3.000,00 Euro. Wird also der Angeklagte verurteilt, winkt meistens ein nettes Schmerzensgeld für den Polizisten. Wird er freigesprochen, winkt kein Schmerzensgeld. Ein Schelm der Böses dabei denkt.

Der fünfte Grund ist, bei Aussage gegen Aussage, also die Zeugenaussage des Polizisten steht im Widerspruch zur Aussage des Angeklagten, gibt es kein Patt und damit auch keinen Freispruch.

Der Strafrichter entscheidet danach, wessen Aussage er glaubt. Für Glauben gibt es aber keine festgelegten Regeln.

Tendenziell sieht es in Strafverfahren so aus:

Aussagepsychologisch tritt dann regelmäßig die Situation auf, dass „Opfern“ (= Anzeigenerstattern) oder polizeilichen Zeugen, ihre Zeugenaussage regelmäßig geglaubt wird, auch wenn ihre Aussagen noch so widersprüchlich, inkonsistent oder offensichtlich falsch sind.

(Scheinbaren) Opfern glaubt man einfach. „Niemand zeigt andere ohne Grund oder zu Unrecht an.“

Dem Angeklagten glaubt man im Regelfall nicht.

Dieser Grundgedanke hat vor einem Strafgericht ein nur mit sehr viel Verteidigerarbeit zu erschütterndes Gewicht.

Aufgrund ihrer Erfahrung wissen dies natürlich polizeiliche Zeugen. Zeugen glaubt man, Angeklagten glaubt der Strafrichter häufig nicht.


All das kann man natürlich mit Videoaufnahmen meist verhindern. Weshalb dies aber von der Polizei und der Justiz verhindert werden will.

Wann man Polizisten filmen darf und wann nicht, erfahrt ihr in meinen nächsten Videos.

Weitere Infos findet ihr in meinem Video oder unter:

GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht



Foto(s): GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht


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