Darmverletzung durch Blasen-Katheter: 5.000 Euro

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Mit gerichtlichem Vergleich vom 31.07.2015 hat sich ein niedergelassener Urologe verpflichtet, an die Ehefrau meines am 25.01.2013 verstorbenen Mandanten 5.000 Euro sowie die außergerichtliche anwaltlichen Gebühren zu zahlen.

Bei dem am 16.01.1957 geborenen Ehemann der Mandantin bestand ein metastasiertes Tumorleiden mit Lungen- und Leberfiliae. Nach einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im Anschluss an eine operative Entfernung einer Hirnmetastase war der Patient körperlich erheblich eingeschränkt. Die Urinableitung erfolgte über einen Dauerkatheter.

Am 18.12.2012 sollte ihm ein suprapubischer Blasenkatheter gelegt werden, um seine Pflege zu verbessern. Bei dem suprapubischen Dauerkatheter handelt es sich um einen Katheter, der durch ein kleines Punktionsloch im Unterleib durch die Bauchdecke in die Blase eingeführt und dort fixiert wird. Er ermöglicht eine dauerhafte Entleerung der Blase. Der Katheter wird im Bauch befestigt und mit einem Urinbeutel am Bein verbunden. Suprapubische Katheter haben eine geringere Infektionsrate, lassen sich besser versorgen und ermöglichen dem Patienten eine deutlich bessere Mobilisierung.

Der erste Versuch des Urologen, durch die Bauchdecke die Blase zu punktieren, schlug fehl. Er versuchte es ein zweites Mal und verletzte dabei den Dünndarm an zwei Stellen sowie die Arteria mesenterica inferior. Der Patient musste mit dem Notarzt in ein Klinikum verbracht werden. Er erreichte die chirurgische Ambulanz mit einer Schocksymptomatik und einem akuten Abdomen. Der Puls war nicht mehr tastbar. Im Ultraschall zeigte sich freie Flüssigkeit. Er wurde auf die Intensivstation übernommen, mit peripheren Zugängen versorgt und stabilisiert. Anschließend erfolgte eine sofortige operative Intervention.

Nach dem Operationsbericht zeigten sich intraoperativ ca. 2,5 l Blut, eine Verletzung der Arteria mesenterica inferior sowie zwei Verletzungen am terminalen Ilium. Es war notwendig, ein Stück des Rektosigmoids des Sigmas zu entfernen, das verbleibende Rektumstück zu verschließen und den linksseitigen Dickdarm auszuleiten. Im perioperativen Kontext wurden zwei Erythrozytenkonzentrate gegeben. Der gesamte postoperative Verlauf erfolgte auf der Intensivstation. Der Ehemann der Mandantin war nach Entlassung bettlägerig, wurde mit einer Ernährungssonde ernährt und verstarb am 24.01.2013.

Die Mandantin hatte dem Urologen vorgeworfen, behandlungsfehlerhaft den Cystofix-Katheter angelegt zu haben, sodass es zur 2-fachen Verletzung des Darms und der Arteria mesenterica inferior gekommen sei. Aufgrund der Verletzungen sei die sofortige Notoperation erforderlich geworden. Es habe ein Seitenausgang gelegt werden müssen. Die mühsam vor dem Eingriff erarbeitete Beweglichkeit an den Extremitäten sei nicht mehr vorhanden und zu aktivieren gewesen. Seit diesem Behandlungsfehler sei ihr Ehemann nur noch ans Bett gefesselt gewesen und habe mit einer Magensonde ernährt werden müssen. Vor Punktion der Blase hätte eine sonographische Kontrolle durchgeführt werden müssen. Dieses habe der Urologe fehlerhaft unterlassen.

Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Die vorherige Sonographie der Blase vor Anlage eines Cystofix-Katheters in einer ambulanten Situation entspräche dem medizinischen Standard. Die Blase müsse vor Anlage des Katheters mit 400 ml aufgefüllt werden. Ab 300 ml sei der Füllegrad der Blase so gut, dass ein Cystofix-Katheter in der Regel gelegt werden könne. Er könne sich keine Situation vorstellen, in der das Absehen von einer vorherigen Sonographie-Untersuchung als vertretbar angesehen werden könne. Die Gefahr von Gefäßverletzungen und Perforationen des Darms sinke, je mehr die Blase gefüllt sei. Für den Fall, dass die Blase nicht ausreichend gefüllt gewesen wäre, dass also beispielsweise nur ein Füllungsgrad der Blase von 80 – 100 ml vorgelegen hätte, würde das Risiko einer Verletzung des Darms und umliegender Gefäße stark ansteigen. Das Risiko läge dann sicherlich bei ca. 30 %.

Die Gefahr einer Verletzung umliegender Organe und Gefäße hänge essentiell von dem Volumen der Blase ab. Bei einem gesunden Patienten ohne medizinische Vorschäden wäre es wahrscheinlich gewesen, dass dieser bei den eingetretenen Verletzungen etwa nach 14 Tagen wieder genesen wäre. Der Ehemann der Mandantin sei allerdings sehr kompromittiert gewesen. Das bei einem derart kranken Patienten das Misslingen einer Cystofix-Anlage zu einer weiteren Verschlechterung des Zustandes geführt habe, stehe außer Zweifel. Aufgrund seines Gesundheitszustandes habe er nichts körperlich entgegensetzen können. Für ihn sei nicht ohne Zeugenvernehmung aufzuklären, ob unmittelbar vor der Punktion eine sonographische Überprüfung des ausreichenden Blasenvolumens durchgeführt worden sei. Er könne ohne Zeugenvernehmung auch nicht feststellen, ob die Blase zum Zeitpunkt der Punktion ausreichend gefüllt gewesen wäre.

Zur Vermeidung einer umfangreichen Beweisaufnahme hat die Kammer vorgeschlagen, dass der Urologe zum Ausgleich der Beerdigungskosten und des Schmerzensgeldes 5.000 Euro an die Klägerin zuzüglich Anwaltsgebühren zahlt.

(Landgericht Siegen, Vergleichsbeschluss vom 31.07.2015, AZ: 2 O 299/13)

Christian Koch

Fachanwalt für Medizinrecht



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