Fehlerhafte Blasen-OP: 60.000 Euro

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Mit Vergleich vom 31.03.2021 hat sich ein Krankenhaus verpflichtet, an meine Mandantin 60.000 Euro und meine außergerichtlichen Anwaltsgebühren zu zahlen.

Die 1941 geborene Rentnerin litt unter einer Blasenentleerungsstörung, weil ihre Blase teilweise in den Vaginalkanal abgesunken war. Die Mandantin litt deshalb unter wiederkehrenden Harnwegsinfekten. Um diese Blasenentleerungsstörung zu beseitigen, hätte die Blase angehoben werden müssen. Tatsächlich führten die Ärzte der urologischen Klinik eine Kolposuspension nach MMK Burch durch. Diese Operation wird jedoch angewandt, um eine Belastungsinkontinenz zu beseitigen. Richtigerweise hätte eine Scheidenvorderwandplastik durchgeführt werden müssen, um die Zystozele zu beheben. Durch die absolut kontraindizierte Operation wurde die Auslassfunktion der Blase weiter verschlimmert. Es kam zum kompletten Harnstopp.

Die Mandantin war nicht mehr in der Lage, überhaupt spontan Urin abzulassen. Durch die Operation wurde durch das beiderseitige Anheben des Blasenhalses und beider Harnleiter die Unmöglichkeit, Urin zu lassen, verstärkt. Auch die Revisionsoperation wurde in der urologischen Klinik grob fehlerhaft durchgeführt. Trotz der Revisionsoperation in einem anderen Krankenhaus ist die Mandantin nicht mehr in der Lage, spontan Urin zu lassen. Sie muss dauerhaft einen künstlichen Urinausgang in der Bauchdecke tragen (Zystostoma).

Tagsüber miktioniert sie sich über ein Ventil am Zystostoma alle 1,5 bis 2 Stunden. Sie trägt nachts einen Urinbeutel. Das Zystostoma muss alle 5 Wochen unter großen Schmerzen ohne Betäubung gewechselt werden. Die Mandantin kann keinen Sport mehr treiben, nicht mehr schwimmen und leidet unter wiederkehrenden Infektionen der Blase. Ihre Lebensqualität ist erheblichst eingeschränkt.

Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Beide Operationen an der Blase seien absolut kontraindiziert und grob fehlerhaft gewesen. Anstatt die Blasensenkung zu beheben, habe man eine Operation zur Behandlung einer Belastungsinkontinenz durchgeführt. Wenn die Patientin sogar bereits am Vorabend der ersten Operation einen Harnverhalt gehabt habe, dann sei es umso unverständlicher, dass man diese Operation durchgeführt habe. Hätte man die Mandantin richtig operiert, hätte man ihre Miktionsprobleme nach Anhebung der Blase mit größter Wahrscheinlichkeit lösen können.

Das Landgericht hat folgenden Hinweis erteilt: Der Gutachter habe einen groben Behandlungsfehler eindeutig bejaht. Es sei nicht nachvollziehbar, eine Harninkontinenzoperation durch Anheben des retrovesikalen Winkels nach Burch vorzunehmen. Es handele sich um einen schweren Fehler. Die Ärzte hätten eine völlig falsche Operationsmethode gewählt, die dem Krankheitsbild der Klägerin in keiner Weise entsprochen hätte. Dieses Vorgehen sei nicht mehr verständlich. In Anlehnung an die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Brandenburg (OLG Brandenburg, Urteil vom 01.09.1999, AZ: 1 U 3/99 = VersR 2000, 1283) halte die Kammer aufgrund des Alters der Entscheidung ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro für angemessen.

Da die Mandantin aufgrund ihres Alters den Prozess beenden wollte, habe ich abschließend mit dem Bevollmächtigten des Krankenhauses zur endgültigen Abfindung einen Betrag von

60.000 Euro ausgehandelt. Das Krankenhaus hat sich ebenfalls verpflichtet, meine außergerichtlichen Gebühren mit einer 2,0-Geschäftsgebühr aus dem Erledigungswert zu übernehmen.

(Landgericht Hagen, Vergleich vom 31.03.2021, AZ: 2 O 254/18)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht

Foto(s): adobe stock Fotos


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