Das OLG Kahrlsruhe stellt die Benutzung von Touchscreens mit Handys gleich.

  • 4 Minuten Lesezeit

Der Leitsatz der Entscheidung (Beschluss v. 27.03.2020, AZ: 1 Rb 36 Ss 832/19) lautet: 1. Der fest im Fahrzeug der Marke Tesla eingebaute Berührungsbildschirm (Touchscreen) sei ein elektronisches Gerät i.S.d. § 23 Abs. 1a S. 1 u. 2 StVO, dessen Bedienung dem Kraftfahrzeugführer nur unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift gestattet sei, ohne daß es darauf ankommt, welchen Zweck der Fahrzeugführer mit der Bedienung verfolgte.
 2. Auch die Einstellung der zum Betrieb des Kraftfahrzeugs notwendiger Funktionen über Touchscreen (hier: Einstellung des Wischintervalls des Scheibenwischers) sei daher nur gestattet, wenn diese mit einer nur kurzen, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepassten Blickzuwendung zum Bildschirm bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen verbunden sei.

Entscheidend ist § 23 Abs.1a) StVO, sonstige Pflichten von Fahrzeugführern.

Neben des Verbotes der Handynutzung am Steuer verbietet § 23 StVO die Nutzung elektronischer Geräte wie Laptops, Tablets, MP3-Player nur dann nicht, wenn diese dazu „weder aufgenommen, noch gehalten“ werden und „entweder nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.“ So sind nun auch Handys oder Navigationssysteme in einer festen Halterung betroffen. Das Ablesen einer Urzeit reicht dazu bereits aus. Was eine „kurze Blickzuwendung“ sein wird, muß sich mittels Richterrecht situationsbedingt noch herausstellen, dies dürften 1 bis 2 Sekunden sein.

§ 23 StVO wurde mit Wirkung zum 19.10.2017 grundlegend geändert. Erfasst werden danach nunmehr sämtliche elektronische Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt sind. Dies sind nicht nur „Mobiltelefone oder Autotelefone“, sondern auch Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder. Unerheblich ist hierbei auch, ob das Navigationsgerät fest im Fahrzeug verbaut ist. Die Vorschrift unterscheidet nicht zwischen mobilen und immobilen elektronischen Geräten, so daß auch ein fest im Fahrzeug eingebautes Gerät vom Anwendungsbereich erfasst ist.

Es droht z.Z. ein Bußgeld von 100,00 EUR sowie ein Punkt in Flensburg, bei Fremdgefährdung 150,00 EUR, nebst 2 Punkten und einem Monat Fahrverbot, bei Sachschäden steigt das Bußgeld auf 200,00 EUR.

Ein Touchscreen fällt nun ebenfalls unter  § 23 Abs.1a StVO.

Der Betroffene kam bei starkem Regen von der Fahrbahn ab, als er den Scheibenwischerintervall via Touchscreen erhöhen wollte. Die Geldbuße betrug 200,00 EUR, es wurde 1 Monat Fahrverbot vom Amtsgericht Karlsruhe verhängt. Das Gericht stellte infolge der Auswertung der Bedienungsanleitung fest, daß sich der Scheibenwischer des „Tesla“ zwar am Lenkrad ein- und ausschalten lasse, die Einstellung der Intervalle aber auf dem „Touchscreen“ zu erfolgen habe, wobei zunächst ein Scheibenwischersymbol berührt werden müsse, dann in einem Untermenü zwischen fünf Einstellungen gewählt werden könne und dieser Vorgang deutlich mehr Aufmerksamkeit des Fahrers als bei Bedienung des Scheibenwischer mit den herkömmlichen Armaturen erfordere. Das Gericht sah in dieser Funktion entgegen der Verteidigung kein „sicherheitstechnisches Bedienteil“.

Dem ist das OLG Karlsruhe gefolgt und verwarf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unbegründet. Damit weitet das OLG Karlsruhe § 23 StVO nun sogar auf festeingebaute Touchscreens aus, mit denen in Untermenüs Scheibenwischergeschwindigkeit oder Klimatisierung geregelt werden müssen, da mechanische Bedienelemente fehlen.

Das OLG führt aus: Die Scheibenwischerfunktion „ist jedoch in den „Touchscreen“ des „Tesla“ fest eingebaut, welcher auch andere Funktionen beinhaltet, wie etwa ein der Information dienendes Navigationsgerät, so dass der Berührungsbildschirm auch aus verkehrstechnischen Sicherheitsgründen insoweit nur einheitlich betrachtet werden kann und von der Verbotsnorm nicht einzelne Anwendungen herausgenommen werden können. Diese Auslegung wird auch vom Wortlaut der Norm gedeckt, denn das in § 23 Abs.1a Satz 2 StVO verwendete Adverb „auch“ stellt klar, dass die in § 23 Abs.1a Satz 1 StVO verwendeten Merkmale der der „Kommunikation, Information oder Organisation“ dienenden Geräte nicht abschließend ist, zumal dann die in § 23 Abs.1a Satz 2 StVO erfolgte Aufzählung auch überflüssig wäre. Hinzu kommt, dass auch der weitere Inhalt der Vorschrift für eine solche weite Auslegung spricht, denn auch bei der in § 23a Abs. 1b Satz 3 StVO aufgeführten Rückwärtsfahrkamera handelt es sich um ein technisches Bedienteil, so dass die dort aufgeführte Sonderregelung nicht veranlasst gewesen wäre, wenn solche Bedienteile nicht unter den Anwendungsbereich der Norm fallen würden.“

Da die Ablenkungsgefahr durch zunehmend aufkommende Multimediasysteme während der Fahrt enorm ist, ist den Autoherstellern nahe zu legen, sicherheitsrelevante Bedieneinrichtungen wieder grundsätzlich so zu verbauen, daß sie „blind“ in Funktion gesetzt werden können. Die Fachmagazine/Autozeitungen sollten die Fehlentwicklung, daß immer mehr Funktionen per Touchscreen bedient werden müssen, kritisch hinterfragen.


Rechtsanwalt Holger Hesterberg, Wolfratshausen, München

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.





Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Beiträge zum Thema