Gefährliche Touchscreens im Auto – Nutzung von Multimedia wie bei Handys und Smartphones verboten.

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Das Bedienen des Touchscreens im Auto kann gefährlicher sein als Drogen oder Alkohol am Steuer. Die Zeitung AUTOBILD verweist auf eine Studie des britischen Forschungsinstitutes TRL , wonach sich die Reaktionszeit unter Cannabiseinfluss um 21 %, beim Telefonieren am Steuer um 46% und beim Bedienen des Touchscreens um 57% verlängere.



OLG Karlsruhe richtungsentscheidend zu einem Fall mit Tesla.


Das OLG Karlsruhe stellte bereits 2020 die Benutzung von Touchscreens mit einem Handy gleich.


Der Leitsatz der Entscheidung (Beschluss v. 27.03.2020, AZ: 1 Rb 36 Ss 832/19) lautet:


1. Der fest im Fahrzeug der Marke Tesla eingebaute Berührungsbildschirm (Touchscreen) sei ein elektronisches Gerät i.S.d. § 23 Abs. 1a S. 1 u. 2 StVO, dessen Bedienung dem Kraftfahrzeugführer nur unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift gestattet sei, ohne daß es darauf ankommt, welchen Zweck der Fahrzeugführer mit der Bedienung verfolgte.


2. Auch die Einstellung der zum Betrieb des Kraftfahrzeugs notwendiger Funktionen über Touchscreen (hier: Einstellung des Wischintervalls des Scheibenwischers) sei daher nur gestattet, wenn diese mit einer nur kurzen, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepassten Blickzuwendung zum Bildschirm bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen verbunden sei.


Der Betroffene kam bei starkem Regen von der Fahrbahn ab, als er den Scheibenwischerintervall via Touchscreen erhöhen wollte. Das Gericht verneinte ein sicherheitstechnisches Bedienteil.


§ 23 Abs.1a) StVO, sonstige Pflichten von Fahrzeugführern.


Der Gesetzgeber hinkt hinter der technischen Entwicklung regelmäßig hinterher. Aber: Neben des Verbotes der Handynutzung am Steuer verbietet § 23 StVO die Nutzung elektronischer Geräte wie Laptops, Tablets, MP3-Player nur dann nicht, wenn diese dazu „weder aufgenommen, noch gehalten“ werden und „entweder nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.“


Der Gesetzestext lautet:


„(1a) 1Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn


1. hierfür das Gerät weder aufgenommen, noch gehalten wird und 

2. entweder


a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder


b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.





2Geräte im Sinne des Satzes 1 sind auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder. 3Handelt es sich bei dem Gerät im Sinne des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, um ein auf dem Kopf getragenes visuelles Ausgabegerät, insbesondere eine Videobrille, darf dieses nicht benutzt werden. 4Verfügt das Gerät im Sinne des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, über eine Sichtfeldprojektion, darf diese für fahrzeugbezogene, verkehrszeichenbezogene, fahrtbezogene oder fahrtbegleitende Informationen benutzt werden. 5Absatz 1c und § 1b des Straßenverkehrsgesetzes bleiben unberührt.


(1b) 1Absatz 1a Satz 1 bis 3 gilt nicht für


1. ein stehendes Fahrzeug, im Falle eines Kraftfahrzeugs vorbehaltlich der Nummer 3 nur, wenn der Motor vollständig ausgeschaltet ist,


2. den bestimmungsgemäßen Betrieb einer atemalkoholgesteuerten Wegfahrsperre, soweit ein für den Betrieb bestimmtes Handteil aufgenommen und gehalten werden muss


3. stehende Straßenbahnen oder Linienbusse an Haltestellen (Zeichen 224).




2Das fahrzeugseitige automatische Abschalten des Motors im Verbrennungsbetrieb oder das Ruhen des elektrischen Antriebes ist kein Ausschalten des Motors in diesem Sinne.


3Absatz 1a Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b gilt nicht für


1. die Benutzung eines Bildschirms oder einerr Sichtfeldprojektion zur Bewältigung der Fahraufgabe des Rückwärtsfahrens oder Einparkens, soweit das Fahrzeug nur mit Schrittgeschwindigkeit bewegt wird, oder


2. die Benutzung elektronischer Geräte, die vorgeschriebene Spiegel ergänzen oder ersetzen."




Auch Geräte in fester oder eingebauter Halterung betroffen.


Handys oder Navigationssysteme in einer festen Halterung sind ebenfalls betroffen. Das Ablesen einer Urzeit reicht dazu bereits aus. § 23 StVO erfasst sämtliche elektronische Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt sind. Dies sind nicht nur „Mobiltelefone oder Autotelefone“, sondern auch Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder.



Ein Touchscreen fällt also ebenfalls unter  § 23 Abs.1a) StVO.


Dem ist das OLG Karlsruhe gefolgt und verwarf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unbegründet. Damit weitet das OLG Karlsruhe § 23 StVO nun sogar auf festeingebaute Touchscreens aus, mit denen in Untermenüs Scheibenwischergeschwindigkeit oder Klimatisierung geregelt werden müssen, da mechanische Bedienelemente fehlen.



Erlaubt ist nur eine angepasste Blickzuwendung zum Gerät, maximal 2 Sekunden.


Eine „kurze Blickzuwendung“ beträgt nach Richterrecht maximal 2 Sekunden. Laut der genannten Studie dauerte die Ablenkung laut AUTOBILD bei Apple Car Play und Google Android Auto bis zu 20 Sekunden, die Reaktionsgeschwindigkeit ging um 50% zurück.



Auch ein Fahrzeug-Diagnosegerät darf während der Fahrt nicht benutzt werden.


Wer während der Fahrt ein Fahrzeug-Diagnosegerät in der Hans hält, riskiert ebenso wie beim Halten eines Handys ein Bußgeld. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein (AZ.: II Orbs 15/23) wertete die Nutzung dieses Gerätes als elektronisches Gerät, welches der Kommunikation, Information oder Organisation gem. § 23 StVO dient. Ein Kfz-Mechatroniker war mit einem Kundenauto unterwegs und hatte zur Fehlerspeicherauslesung ein Diagnosegerät angeschlossen. Dieses einem Smartphone ähnelnde Gerät habe der Mann während der Fahrt in der Hand gehalten. Wie bei einem Handy lenke ein solches Gerät während der Fahrt vom Verkehrsgeschehen ab. Um die Informationen zu erfassen ist mehr als nur ein kurzer Blick auf das Gerät erforderlich. Alternativ könnte man zu zweit fahren, um den Fehler im Fahrzeug zu finden.



Multimedia im Auto kann gefährlich sein.


Da die Ablenkungsgefahr durch zunehmend aufkommende Multimediasysteme während der Fahrt enorm ist, ist den Autoherstellern nahe zu legen, sicherheitsrelevante Bedieneinrichtungen wieder grundsätzlich so zu verbauen, daß sie „blind“ in Funktion gesetzt werden können. Dies bestätigte auch die genannte Studie.



Beweisverfahren mit Polizisten als Zeugen. 


Sie sollten jedenfalls fahrzeugrelevante Einstellungen vor der Fahr vornehmen und sich dann auf das Fahren konzentrieren.


Bedenken Sie, daß die Tatbestandsfeststellung durch Polizeibeamte vor Gericht regelmäßig im Beweisverfahren als gegeben erachtet wird.



Rechtsanwalt Holger Hesterberg, Wolfratshausen.


Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.






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