Der Beginn des Versicherungsfalls bei der Implantatbehandlung in der privaten Krankenversicherung

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Zur Frage des zeitlichen Beginns des Versicherungsfalls bei der Implantatbehandlung in der privaten Krankenversicherung und Zahnzusatzversicherung:

Bedeutung dieser Thematik: Implantatbehandlungen sind kostspielig. Gesetzliche Krankenkassen beteiligen sich daran kaum. Glücklich ist (scheinbar), wer privat versichert ist. Tückisch ist dabei, dass die Versicherer akribisch prüfen, wann die Zahnproblematik anfing. Lag dieser Zeitpunkt noch vor Vertragsbeginn, lehnen die Versicherer die Übernahme der Kosten als „vorvertraglich“ ab.

Eine Andeutung des Zahnarztes, dass „irgendwann mal“ eine Implantatbehandlung erforderlich werden könnte, mag schon das eine oder andere mal Motivation für den Abschluss einer privaten Krankenversicherung gewesen sein. Gerade auch Zahnzusatzversicherungen bieten sich dafür scheinbar an, zumal der gebotene Versicherungsschutz oft relativ preisgünstig erscheint. Bei Zahnzusatzversicherungen gibt es vielfach eine Karenzzeit von z.B. acht Monaten. Danach, so glauben die meisten Versicherten, besteht dann unproblematisch Versicherungsschutz. Gelegentlich werden Kostenübernahmeanträge für Implantatbehandlungen schon relativ kurz nach Ablauf der Karenzzeit gestellt. Die Versicherer vermuten in diesen Fällen, dass die Versicherung eigens wegen der schon „als bevorstehend erkannten“ kostenintensiven Maßnahme abgeschlossen wurde.

Der Patient (Versicherte) ist im Allgemeinen ein „gläserner Mensch“. Bei früheren Zahnarztbesuchen sind Diagnosen gestellt und Bilder gefertigt worden, und diese sind als Dateien jederzeit abrufbar. Mit anderen Worten: Die Historie einer Zahnproblematik bleibt dem Versicherer nicht verborgen.

Frage: Unter welchen Voraussetzungen schuldet der Versicherer Kostenübernahme, wenn – nach Ablauf der Karenzzeit – der Zahnarzt zu einer Implantatbehandlung rät?

Es kommt darauf an, wann erstmals festzustellen war, dass die Implantatbehandlung notwendig ist.

Der im Vertrag so genannte „Beginn der Heilbehandlung“ ist der Schlüsselbegriff. Um Versicherungsschutz zu bekommen, muss der Fall so liegen, dass – objektiv – erst nach Ablauf der Karenzzeit eine Implantatbehandlung erstmals notwendig wurde. Kein Versicherungsschutz besteht, wenn der objektive Zustand des Gebisses schon früher die Notwendigkeit einer Implantatbehandlung ergab; wenn der Zahnarzt dann zunächst eine provisorische Lösung wählte, um Zeit zu überbrücken, und zugleich die Versicherung abgeschlossen wurde, nützt das im Hinblick auf den Versicherungsschutz nichts. Der „Beginn der Heilbehandlung“ ist in diesem Fall spätestens der Tag, an dem die provisorische Lösung umgesetzt wurde. Die Implantatbehandlung wäre dann als „vorvertraglich“ nicht versichert.

Wie lassen sich „versicherte Fälle“ praktisch von „nicht versicherten Fällen“ abgrenzen?

Entscheidend dafür ist der Terminus „medizinische Notwendigkeit“. Es kommt darauf an, wann es – aus objektiver Sicht eines Zahnarztes – geboten war, zur Implantatbehandlung zu raten. Eine provisorische Zwischen-Lösung indiziert, dass dies geboten war, und dass mit dem Provisorium eben nur Zeit überbrückt werden sollte, um z.B. Versicherungsschutz einzukaufen; dieser Fall ist nicht versichert. Dann aber, wenn – vor Abschluss der Versicherung – noch mindestens zwei medizinisch vertretbare Behandlungsmöglichkeiten bestanden (von denen nur eine die Implantatbehandlung war), und der Zahnarzt zu der anderen Alternative riet, dann besteht Versicherungsschutz, wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt der Zustand so verändert, dass nur noch die Implantatbehandlung bleibt.

Beispiel: Im Fall vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe – 12 U 127/12 – bekam der Versicherte Recht; die zahnärztliche Feststellung der Indikation zur Implantatversorgung erfolgte 12 Monate nach Abschluss der Zahnzusatzversicherung. Die davor, gut zweieinhalb Jahre früher, erfolgte zahnärztliche Diagnostik und die erfolgte Maßnahme an den Wurzelstümpfen mit Herausnahme der Brücke und Wiedereinsetzens einer solchen, war – so das Gericht – kein Provisorium, sondern eine vollwertige, vertretbare Behandlung, aufgrund derer der Patient auch weiterhin auf unabsehbare Zeit beschwerdefrei blieb. Daher handelte es sich um eine abgeschlossene Behandlung; Folge: Die spätere Implantatversorgung war eine neue Behandlung, und dafür bestand dann in der Zahnzusatzversicherung Deckung.

Für die Abgrenzung (zu 2.)) ist wichtig, dass der Versicherte rechtzeitig anwaltlich gut vertreten ist, damit die Sachargumente, die für einen versicherten Fall sprechen, sorgfältig vorgetragen werden. Dazu muss man mit der Materie gut vertraut sein.

Die Unterscheidung „versicherter Fälle“ von „nicht versicherten Fällen“ ist im Grenzbereich fließend und kann von Nuancen abhängen, für die es naturgemäß auf schriftliche Äußerungen des behandelnden Zahnarztes ankommen kann. An solchen kann der Anspruch auf Versicherungsschutz scheitern, wie in folgendem

Beispiel: Im Fall vor dem Oberlandesgericht Oldenburg – 5 U 37/12 – hatte die Klage des Versicherten keinen Erfolg. Die Implantatversorgung bewertete das Gericht im Ergebnis als objektiv „letztes Mittel“, und zwar schon zum Zeitpunkt desjenigen Zahnarzttermins, der dem Versicherungsabschluss vorausgegangen war. Tatsächlich behandelte der Zahnarzt das Problem des Knochenabbaus im Kiefer mittels Gabe von Antibiotika; diese wirkte dann auch noch rund ein Jahr lang. Hierin aber sah das Gericht keine eigenständige, abgeschlossene Behandlung, sondern nur ein Hinausschieben der schon klar nötigen Implantatversorgung. Der Zahnarzt hatte erklärt, es sei zunächst noch kein Zahnersatz notwendig gewesen, doch aufgrund der Intensität des Knochenabbaus sei ihm schon damals klar gewesen, dass es unweigerlich zur Notwendigkeit eines Zahnersatzes, etwas mittels Implantaten, kommen werde.

Die beiden Beispiele zeigen, dass Nuancen – auch in der Darstellung - entscheiden. Die Regelwerke der Versicherungsbedingungen wollen unterbinden, dass Versicherungen erst abgeschlossen werden, wenn „das Haus schon brennt“. Der Patient soll daran gehindert werden, eine erkennbar teuer werdende Zahnbehandlung - wie eine Implantatversorgung – abzubrechen, sich gleichzeitig zu versichern, und die Behandlung dann ein Jahr später als „neue Behandlung“ der Versicherung zu melden. Für Versicherungsnehmer ist aber wichtig, dies zu verstehen. 

Ulrich Retzki

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Rechtsanwalt


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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