Der leidensgerechte Arbeitsplatz: Eine Handlungsanleitung
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Wussten Sie, dass Arbeitnehmer Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz haben? Wenn Sie aufgrund einer Behinderung oder chronischen Erkrankung Ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr oder nur noch teilweise ausführen können, muss Ihr Arbeitgeber prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen, für Sie geeigneten Arbeitsplatz möglich ist. Das klingt erstmal einfach, doch welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten hierbei?
Die rechtlichen Grundlagen
Nach § 81 IV SGB IX (in Verbindung mit § 68 I, III SGB IX) haben schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer Anspruch auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung gegenüber ihren Arbeitgebern. Dies umfasst die behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätte, die Gestaltung der Arbeitsplätze und des Arbeitsumfelds. Zudem besteht nach § 81 IV 1 Nr. 5 SGB IX ein Anspruch auf die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen. Werden diese Ansprüche schuldhaft nicht erfüllt, drohen dem Arbeitgeber Schadensersatzansprüche nach § 280 BGB und § 823 II BGB i. V. mit § 81 IV 1 SGB IX. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 13.08.2009 entschieden, dass diese Pflicht zur Vertragsanpassung nicht nur für schwerbehinderte, sondern auch für leistungsgeminderte Arbeitnehmer gilt.
Beachtet ein Arbeitgeber diese Grundsätze nicht, können nicht nur Schadenersatzansprüche entstehen, sondern eine eventuell ausgesprochene krankheitsbedingte Kündigung deswegen scheitern. Das Instrumentarium des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) kann ebenso wie das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) weitere Handlungsmöglichkeiten für Betroffene eröffnen.
Praktische Umsetzung
In der Praxis kommt in der Regel eine Versetzung auf einen freien, vergleichbaren Arbeitsplatz in Betracht. Auch eine Versetzung auf einen Arbeitsplatz mit veränderten, ggf. schlechteren Bedingungen ist möglich, wenn Sie dazu bereit sind. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung auf einem höherwertigen Arbeitsplatz besteht jedoch normalerweise nicht. Dies kann jedoch anders sein, wenn eine Förderpflicht im Rahmen von §§ 164, 165 SGB IX besteht, d.h., wenn ihr Arbeitgeber ein öffentlicher Arbeitgeber ist.
Ihre Pflichten und Rechte
Der Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz besteht nur für bereits vorhandene Arbeitsplätze. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, neue Arbeitsplätze zu schaffen oder bestehende zu kündigen.
Zunächst ist es sehr wichtig, dass Sie von Ihrem Arbeitgeber einen leidensgerechten Arbeitsplatz verlangen. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, von sich aus ohne Initiative des Arbeitnehmers freie geeignete Arbeitsplätze mit vertragsfremder Tätigkeit anzubieten, besteht ebenso wenig wie die Verpflichtung, einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen, um den leistungsgeminderten, schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer beschäftigen zu können. An den Versuchen des Arbeitgebers, eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit zu finden, sollten Sie unbedingt kooperativ mitwirken.
Eine Weiterbeschäftigung muss für beide Seiten zumutbar sein. Das bedeutet, Sie müssen die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für den neuen Arbeitsplatz mitbringen. Eine zu lange Einarbeitungszeit kann eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung für Ihren Arbeitgeber darstellen. Welche Maßnahmen zumutbar sind, wird im Rahmen einer Interessenabwägung festgestellt, wobei die für das Unternehmen entstehenden Kosten zu berücksichtigen sind.
Keine Wunsch-Arbeitsplätze
Nach einem Urteil des BAG aus dem Jahre 1964 steht Ihnen kein Wahlrecht im Sinne der Schaffung eines „Wunscharbeitsplatzes“ zu, d.h. Ihre Neigungen und Wünsche müssen nicht unbedingt berücksichtigt werden. Der Arbeitgeber kann im Rahmen seines Direktionsrechts die leidensgerechte Beschäftigung zuweisen und sich für die wirtschaftlichste Lösung entscheiden. Ob eine solche Vorgehensweise ohne Verständigung mit dem betroffenen Mitarbeiter sinnvoll wäre, sei einmal dahingestellt, drohen dem Arbeitgeber doch ggf. Schadenersatzansprüche und andere Risiken.
Vorbereitung ist das A und O
Für Sie als Arbeitnehmer ist es wichtig, dass Sie Ihren Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber gut vorbereitet vorbringen. Sie müssen benennen können, auf welchen Arbeitsplatzwechsel Sie wechseln möchten oder wie gegebenenfalls Ihr Arbeitsplatz umgestaltet werden soll, und dies auch durch entsprechende ärztliche Atteste hinterlegen. Arbeitgeber sollten vorsichtig handeln, wenn der Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz an sie herangetragen wird, da im Versagensfall Schadensersatzansprüche und andere Nachteile drohen.
Stand 10.07.2024
K.-H. Sommer, Fachanwalt f. Arbeitsrecht
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