Der Pflichtteilsanspruch, die Auskunft und der Beleg

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Personen, die enterbt wurden und pflichtteilsberechtigt sind, tun sich oft schwer damit, ihr Pflichtteilsrecht gegen die Erben geltend zu machen. Der Grund:

Pflichtteilsberechtigte hatten meist schon lange keinen Kontakt mehr zum Erblasser oder zur Erblasserin – weshalb sie ja in aller Regel auch enterbt wurden. Und wegen des mangelnden Kontakts haben Pflichtteilsberechtigte meist auch keine oder kaum eine konkrete Vorstellung davon, in welchen Vermögensverhältnissen der Erblasser gelebt hat und ob ein Tätigwerden sich für sie überhaupt finanziell lohnt.

Der Anspruch auf Auskunft und Wertermittlung

Eben diese Situation hatten die Schöpfer des Bürgerlichen Gesetzbuches schon Ende des neunzehnten Jahrhunderts im Blick, weshalb sie dem Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch auf Auskunft und auf Wertermittlung gegen die Erben zur Seite stellten:

Dieser Auskunftsanspruch ist umfassend und bezieht sich auf jeden Gegenstand, der Erblasser hinterlassen hat, also auch auf seine Schulden, sowie auf Schenkungen, die der Erblasser vorgenommen hatte.

Der Erbe ist verpflichtet, dem Pflichtteilsberechtigten auf dessen Verlangen ein umfassendes und wahrheitsgemäßes Nachlassverzeichnis zu erstellen, sei es privatschriftlich oder durch ein notariell beurkundetes Verzeichnis, und zwar auf Kosten des Nachlasses. In bestimmten Fällen kann der Pflichtteilsberechtigte sogar verlangen, dass der Erbe eine eidesstattliche Versicherung abgibt über die Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses.

So weit, so gut. Aber …..

Grundsätzlich kein Anspruch auf Vorlage von Belegen

Auf die Vorlage von Belegen (z.B. Kontoauszüge, Rechnungen, Quittungen) hat der Pflichtteilsberechtigte allerdings grundsätzlich keinen Anspruch, weil der Auskunftsanspruch eben keine Pflicht zur Rechenschaftslegung beinhaltet. Das hat das OLG München erst kürzlich wieder bestätigt (OLG München, Urt. v. 23.08.2021, Az. 33 U 325/21, ZErb 2021, 437 ff):

Es gebe im Rahmen des Auskunftsanspruches keinen allgemeinen Anspruch auf Belegvorlage. Etwas anderes gelte ausnahmsweise nur,

  • wenn zum Nachlass ein Unternehmen gehört und die Beurteilung seines Wertes ohne Kenntnis insbesondere der Bilanzen und ähnlicher Unterlagen dem Pflichtteilsberechtigten nicht möglich wäre
  • oder wenn der Wert einzelner Nachlassgegenstände ungewiss und die Vorlage einzelner Unterlagen nötig sei, damit der Pflichtteilsberechtigte den Wert der Gegenstände selbst einschätzen könne.

Das Auskunftsrecht greift damit in vielen Fällen zu kurz, was unter Erbrechtlern vielfach kritisiert wird.

Tipp: Machen Sie das beste aus Ihrem Anspruch auf Wertermittlung

Oft hilft der Anspruch auf Wertermittlung weiter:

Der Pflichtteilsberechtigte kann vom Erben verlangen, dass dieser den Verkehrswert einzelner Nachlassgegenstände im Zeitpunkt des Erbfalls durch eine sachkundige Person ermitteln lässt. Die Kosten der Wertermittlung gehen zu Lasten des Nachlasses, was den Pflichtteilsanspruch allerdings mittelbar schmälert.

Die kostengünstigere Variante ist die folgende:

Sind augenscheinlich werthaltige Gegenstände im Nachlass vorhanden, dann bestehen Sie darauf, dass der Erbe Ihnen alle wertbildenden Faktoren mitteilt, damit Sie sich selbst ein Bild von dem Verkehrswert der Sache machen können. Bei einem Fahrzeug wären das z.B. Marke und Typ, Baujahr, Kilometerstand, Erhaltungszustand und Wartung. Suchen Sie dann an geeigneter Stelle, z.B. in einschlägigen Internetportalen, nach vergleichbaren Gegenständen und untermauern Sie Ihren Anspruch mit diesen Werten.

Erst wenn Ihnen eine Wertermittlung nicht möglich ist, z.B. weil es um ein Grundstück geht, sollten Sie auf der Einholung eines Sachverständigengutachtens bestehen.

Wenn ein Nachlassgegenstand von den Erben veräußert worden war

Wenn Nachlassgegenstände alsbald nach dem Erbfall veräußert wurden, können die Veräußerungserlöse Hinweise auf deren Verkehrswerte im Zeitpunkt des Erbfalles geben. Nicht immer allerdings wird ein angemessen erscheinender Veräußerungserlös erzielt. Hier stellt sich die Frage, ob der Gegenstand unter Wert veräußert wurde und welche Handhabe der Pflichtteilsberechtigte nun hat.

Im Fall der Veräußerung eines Nachlassgegenstandes besteht der Anspruch auf Wertermittlung, also auf Ermittlung des Verkehrswertes im Zeitpunkt des Erbfalles, fort. Dies hat der Bundesgerichtshof kürzlich entschieden (BGH, Urt. v. 29.09.2021, Az. IV ZR 328/20, BeckRS 2021, 30852), denn anderenfalls, so der BGH, würde dem Pflichtteilsberechtigten der Nachweis, dass der Veräußerungserlös nicht dem Verkehrswert entspreche, verwehrt oder zumindest erschwert.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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