Der Wille zählt für die Tat – Zu einzelnen Aspekten des Subventionsbetruges bei "Corona Hilfen (ÜBH)" - Teil 2

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Ein Beitrag von Rechtsanwältin | Steuerberaterin Elisa Roggendorff (roggendorff@lfr-law.de)


III. § 264 StGB im Lichte der Besonderheit des Verwaltungsverfahrens der Überbrückungshilfen


1. Überbrückungshilfen als Subventionen

Bei der Corona-Überbrückungshilfe handelt es sich um eine Beihilfe des Bundes, welche dazu diente, mittleren und kleinen Unternehmen, deren wirtschaftliche Tätigkeit im Förderzeitraum Corona-bedingt eingeschränkt war, eine Liquiditätshilfe zu gewähren. Die Überbrückungshilfe muss grundsätzlich nicht zurückgezahlt werden. Erstattet wurde ein Anteil der betrieblichen Fixkosten bezogen auf den jeweiligen Vergleichsmonat, abhängig vom Umsatzrückgang. Somit handelt es sich um Subventionen.


2. Prognosen als subventionserhebliche Tatsachen


3. Prognosen als Tatsachen

Kann eine Prognose bzw. das Ergebnis einer Prognose, ob über die Höhe der Fixkosten oder zur Höhe des Umsatzeinbruchs, Tatsache im Sinne des § 264 Abs. 9 StGB sein? Die Frage ist nicht neu, sie stellte sich bereits im Rahmen der Beantragung der Soforthilfen[1]. Auch in anderen Bereichen hat das Strafrecht Prognosen strafrechtlich zu würdigen[2].

Der Subventionsgeber hat sich bewusst dafür entschieden, nicht die tatsächliche Wirtschaftslage des Subventionsnehmenden als Voraussetzung für die Gewährung von wirtschaftlichen Hilfen aufzunehmen; es wurde lediglich die Prognose zum Zeitpunkt der Antragstellung als relevant erachtet[3]. Eine Prognose, gleichwohl sie sich nachträglich als falsch oder unzutreffend herausstellen kann, kann sich jedoch faktisch nicht geändert haben, da hier stets auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt werden muss. Damit umfasst die Subventionserheblichkeit lediglich die Prognose zum Zeitpunkt der Antragstellung und nicht die tatsächliche, wirtschaftliche Entwicklung zum Zeitpunkt der Bewertung ex post[4]. Durch die unscharfen Begrifflichkeiten wie „coronabedingt“ oder „notwendig und angemessen“, die Eingang in die Prognose finden, wird im Einzelfall die Abgrenzung zu einem Werturteil schwierig werden.


4. Subventionserheblich gemäß § 264 Abs. 9 Nr. 1 und Nr. 2 StGB

In Betracht kommt in Ermangelung einer Bezeichnung durch Gesetz nur die Bezeichnung durch den Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes (§ 2 SubvG i.V.m. den Subventionsgesetzen der Länder).

Vor diesem Hintergrund setzen die beiden Alternativen des § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB voraus, dass die Tatsache – sei es durch ein Gesetz oder durch den Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes – ausdrücklich als subventionserheblich bezeichnet wird. Zwar bedarf es hierzu nicht zwingend des Wortes ‚subventionserheblich‘, jedoch muss zumindest ein gleichbedeutender Begriff verwendet werden. Dies verlangt schon der Wortlaut der Norm (‚bezeichnet‘). Demgegenüber reichen pauschale oder formelhafte Bezeichnungen ebenso wenig aus wie eine mögliche Erkennbarkeit aus dem Zusammenhang heraus; die Subventionserheblichkeit muss vielmehr klar und unmissverständlich auf den konkreten Fall bezogen dargelegt werden.

Letztlich doppelte Absicherung – wohl nach den Erfahrungen mit den sog. April Scherzen der Soforthilfen[5] kann aber über den Aspekt nicht hinwegtäuschen, der letztlich zu klären sein wird: Sind die Grenzen insgesamt überschritten?

In dem Zusammenhang stellte das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 10.09.2921 bezogen auf die sog. Sofort-Hilfen Folgendes fest: Sinn und Zweck des Merkmals der Subventionserheblichkeit ist es, angesichts der zahlreichen Normativbegriffe des Subventionsrechts sicherzustellen, dass sowohl die Vergabevoraussetzungen für den Subventionsempfänger als auch etwaige Täuschungshandlungen für den Subventionsgeber und die Strafverfolgungsorgane möglichst klar erkennbar sind. Um dies zu erreichen, hat der Gesetzgeber den Begriff der Subventionserheblichkeit bewusst restriktiv gefasst. Entscheidend soll danach allein die (unmittelbare oder zumindest mittelbare) Anbindung der betroffenen Tatsache an eine gesetzliche Bestimmung sein und gerade nicht die – im Einzelfall mitunter nicht eindeutig zu beantwortende – Frage, ob die Tatsache als solche eine materielle Voraussetzung für das Gewähren der Subvention war.

Fraglich wird im Einzelfall werden, ob die Vergabevoraussetzungen in Anbetracht der unklaren Begrifflichkeiten für den Subventionsempfänger erkennbar sind.

           

5. Machen von unrichtigen oder unvollständigen Angaben als Tathandlung

Eine im Ergebnis „falsche“ Liquiditätsprognose reicht als solche aber nicht um als falsche Angabe angesehen werden, sondern die Prognose muss ihrerseits auf Umständen beruhen, die unvollständig erhoben oder unrichtig bewertet worden sind[6].

Auch eine gerichtliche Überprüfung der Frage, ob die Gewährung einer vollzugsöffnenden Maßnahme sorgfaltswidrig war, hat den der Vollzugsbehörde zustehenden Beurteilungsspielraum und das ihr eingeräumte Ermessen zu berücksichtigen und die getroffene Entscheidung bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2003 – 5 StR 327/03, BGHSt 49, 1, 6; Schöch in Festschrift für Ventzlaff, 2006, S. 317, 319). Bei der Beurteilung der Sorgfaltswidrigkeit darf sich das Gericht weder von einer aus dem späteren Kenntnisstand rückschauenden Wertung (ex post) leiten lassen, dass sich eine Prognoseentscheidung im Ergebnis als „falsch“ erwiesen hat, noch seine eigene, abweichende Prognoseentscheidung als Maßstab anlegen. Maßgebend ist vielmehr die fachliche und rechtliche Vertretbarkeit der Entscheidung aus der Perspektive der Lockerungsentscheidung (ex ante). Eine im Ergebnis falsche Prognose erweist sich als pflichtwidrig, wenn die Missbrauchsgefahr aufgrund relevant unvollständiger oder unzutreffender Tatsachengrundlage oder unter nicht vertretbarer Bewertung der festgestellten Tatsachen verneint worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2003 – 5 StR 327/03, aaO, BGHSt 49, 1, 6; Schöch, aaO, S. 319; Pollähne NStZ 1999, 53, 54[7].

In den Tatbestand wird des Weiteren das ungeschriebene Merkmal hineingelesen, dass der Täter die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben vorspiegeln müsse . Angaben, die erkennbar unvollständig sind, fallen demnach nicht unter den Tatbestand. Gleiches gilt für Angaben, die vorbehaltlich einer Überprüfung der Richtigkeit erfolgen, wenn der Überprüfungsvorbehalt deutlich erklärt wird.

Die Bescheide stehen allesamt unter dem Vorbehalt einer Überprüfung. Das gesamte Verwaltungsverfahren war im Rahmen der Erstbeantragung auf Prognosen gestützt. Daher ist der Überprüfungsvorbehalt jedenfalls für diese Angaben (Umsatzrückgang und Fixkostenhöhe) deutlich.


6. Innere Tatseite Unrichtige Angaben zu subventionserheblichen Tatsachen 

Im subjektiven Tatbestand ist für die Bestrafung nach Abs. 1 vorsätzliches Handeln erforderlich, wobei bedingter Vorsatz genügt[8]. Vorsätzliches Handeln ist nur dann gegeben, wenn der Täter zum einen die Umstände kennt, aus denen sich die einzelnen Tatbestandsmerkmale ergeben, und er zum anderen auch den sozialen Bedeutungsgehalt korrekt erfasst hat. Problematisch sind hier insbesondere die normativen Tatbestandsmerkmale der Subvention, der subventionserheblichen Tatsache (vor allem wenn sich diese infolge einer unwirksamen Bezeichnung nach Abs. 9 Nr. 1 erst aus Abs. 9 Nr. 2 ergibt).

Auch wird im Einzelfall zu klären sein, ob die Umstände, aus denen sich einzelne Tatbestandsmerkmale ergeben können, für den Subventionsempfänger im Moment der Beantragung erkennbar sind. Hier tritt eine weitere Unschärfe hinzu, die die Abgrenzung erschwert. Jedenfalls entsteht hier eine große Rechtsunsicherheit, im Hinblick darauf, dass das Delikt „leichtfertig“ verwirklicht werden kann. Kann eine Prognose bzw. eine Glaubhaftmachen bereits besonders gleichgültig und grob unachtsam erfolgen – insbesondere im Hinblick auf die unklaren Rechtsbegriffe wie „coronabedingt“ „notwendig“ oder „dem Subventionszwecke dienend“ und der Täter erkennen, dass bereits die Prognose bereits subventionserheblich sein kann und die ihm gebotene Handlungsweise ohne weiteres leicht erkennen?


7. Vollendung im Hinblick auf den Verwaltungsverfahren

Fraglich ist im Hinblick auf die Teilakte, in welche das Antragsverfahren der Überbrückungshilfen zerfällt, wann Vollendung eintreten kann. Die Angaben – und darin enthalten die prognostizierten Umsätze und Fixkosten- wurden per elektronischem Antrag übermittelt. Über das Online Portal des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie des Bundesministerium der Finanzen wurden Rückfragen der zuständigen Behörde an den Antragsteller formuliert, welche beantwortet wurden. In der Folge kam es zu (Teil-)Auszahlungen. Die endgültigen Anträge werden erst bis Juni 2023 eingereicht werden. Vermutlich wird es auch in diesem Rahmen nochmals zu Rückfragen kommen. Im letzten Teilakt werden die endgültigen Bewilligungsbescheide ergehen. Derzeit scheinen jedenfalls die Staatsanwaltschaften die erstmalige Antragstellung als Vollendung anzusehen. Im Hinblick auf die strukturelle Besonderheiten der Überbrückungshilfen lassen sich aus Sicht der Verfasserin die stärkeren Argumente dafür finden, dass die erst die Anträge im Rahmen der Schlussabrechnung den Tatbestand vollenden.


8. Gewähren im Sinne des § 264 Abs. 6 StGB

Grundsätzlich gilt als Gewähren im Sinne des § 264 Abs. 6 StGB das tatsächliche Zurverfügungstellen der Subvention. So gilt das Darlehen mit Auszahlung als gewährt, die Bürgschaft mit Vertragsschluss. Im Zusammenhang mit den Überbrückungshilfen wird die Frage zu entscheiden sein, ob die Zahlung, die letztlich als Abschlagszahlung auf die prognostizierten Umsatzeinbrüche im Verhältnis zu den prognostizierten, erstattungsfähigen Umsatzeinbrüchen, erfolgten, bereits ein „Gewähren“ im Sinne des Absatz 6 sein können oder ob letztlich das Belassen eines Betrages aufgrund der eingereichten Schussabrechnung als Gewähren anzusehen ist[9]. Diese Frage wird auch im Lichte des der Rechtsentwicklung sowie der Rechtsnähe zur Steuerhinterziehung zu beantworten sein. Der ursprüngliche Entwurf des Gesetztes sah einen anderen Wortlaut vor. Ursprünglich sollte dem Entwurf auch auf das Belassen abgestellt werden. Gerechtfertigt wird das Abstellen auf ein „Gewähren“ letztlich mit der eingetretenen Gefährdung des staatlichen Vermögens durch die Auszahlung. Das Argument überzeugt letztlich auch durch die dogmatische Nähe zu § 370 AO ff nicht.

§ 371 AO räumt den Steuerpflichtigen auch nach Vollendung und selbst nach Beendigung die Möglichkeit Straffreiheit zu erlangen[10]. Der Zweck des § 371 AO besteht in der steuerpolitischen Konzeption dem Staats auch diejenigen Steuerquellen zu erschließen, die ihm infolge der Hinterziehung bisher verborgen blieben[11]. Straffreiheit erlangt über die Selbstanzeige wer freiwillig und vollständig die Besteuerungsgrundlagen offenlegt und die fälligen Steuern entrichtet. Der Rechtsgedanke bietet sich auch bei den Corona Überbrückungshilfen an: Wer freiwillig unrichtige oder unvollständige Angaben im Rahmen der Schlussabrechnung korrigiert, sollte im Rahmen der tätigen Reue Straffreiheit erlangen können[12].


9. Schlussbetrachtung

Abweichend zu anderen Subventionen wurden die Überbrückungshilfen durch die Besonderheiten des Antragsverfahrens zunächst nach einer kursorischen Prüfung ausgezahlt, jedoch immer vorbehaltlich der Schlussabrechnung. Im Rahmen der Schlussabrechnung ist in vielen Fällen (erstmalig) eine vollständige Angabe zu den Fördervoraussetzungen und Förderbedingungen ( Umsatzeinbrüche und Fixkosten) möglich, da die Angaben nun nicht mehr geschätzt werden. In vielen Fällen wird es im Rahmen dieser Schlussabrechnungen zu erheblichen Korrekturen kommen. Im Rahmen der strafrechtlichen Aufarbeitung der sogenannten Sofort Hilfen entstand der Eindruck, dass eher mit hohem Verfolgungseifer vorgegangen wurde. Auch bei fehlerhaften Erklärungen zu unbestimmten Rechtsbegriffen wie „Liquiditätsengpass“ oder „Sicherung des Lebensunterhaltes“ wurde von vorsätzlichen Falschangaben ausgegangen, häufig wurde dabei auch die Prognose anhand der Kontoauszüge ex post geprüft. Im Rahmen der Schlussabrechnungen werden diese Rechtsfragen nun auch aufgrund der viel höheren Fördervolumen viel stärker in den Fokus geraten.

Daher ist bereits fraglich, ob Prognosen „subventionserhebliche Tatsachen“  sein können oder Werturteile darstellen. Daran schließt sich die Frage an, wann Angaben, die unrichtig oder unvollständig sind, im Rahmen der Überbrückungshilfen gemacht wurden. Schließlich wirbt die Verfasserin dem Tatbestandsmerkmal „Gewähren“ im Hinblick auf den Ablauf des Veraltungsverfahren der Überbrückungshilfen eine andere Beurteilung zu ermöglichen.

Die Pandemie mag vorbei sein, die Justiz bleibt hier gefordert.

[1] NZWiSt 2022, 446 i.E. auch COVuR 2020, 401 zur Tathandlung

[2] Beispielsweise Fortführungsprognose im Sinne einer Überschuldungsprüfung bei Insolvenzverschleppung

[3] NZWiSt 2022, 446

[4] Zur Abgrenzung zum § 264 Abs. 1 Nr. 3 NZWiSt 2022, 446, bei den Überbrückungshilfen wird dies nochmals mehr unter dem Licht der Regelungen zu Änderungsvorschriften zu betrachten sein

[5] NZWiSt 2020, 373

[6] COVuR 2020, 401

[7] COVuR 2020, 401

[8] MüKoStGB/Ceffinato StGB § 264 Rn. 116

[9] Lackner Kühl Rz 28 „Unterlässt der Täter pflichtwidrig eine Mitteilung, die zur Rückforderung einer bereits gewährten Subvention oder Subventionsvorteilen iSd § 5 SubVG führen würde, so ist tätige Reue ausgeschlossen

[10] Quedenfeld/Füllsack Rz. 424.

[11] Quedenfeld/Füllsack Rz. 426.

[12] Geht man davon aus, dass Vollendung nicht mit Einreichen des ersten Antrags eingetreten ist, sondern erst mit dem Antrag im Rahmen der Schlussabrechnung kommt die Verhinderung dadurch in Betracht, dass der Täter freiwillig und endgültig von der Vornahme noch erforderlichen eigenen Handlungen Abstand nimmt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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