Die Corona-Pandemie: Das Problem der ärztlichen Pflichtenkollisionen - ein kleiner Einblick

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Bisweilen meist nur ein theoretisches Rechtsproblem für Jurastudenten und für Ärzte nur rechtliches Beiwerk im Medizinstudium bzw. ihrer praktischen ärztlichen Ausbildung, so wird es doch in Zeiten einer Pandemie und aktuell sehr hohen Corona-Infektionszahlen und dadurch bedingte ebenfalls sehr hohen Sterberate, aktuell relevant. 

Bisher sind wir in Deutschland noch nicht dort angekommen, aber steht es uns doch bevor. Die Intensivstationen sind voll, Beatmungsgeräte Mangelware, die Patienten, welche ein solches benötigen werden aber immer mehr. 

Wie soll man sich als Mediziner verhalten, soweit zwei Patienten beatmet werden müssen, aber nur noch lediglich ein Beatmungsgerät zur Verfügung steht

Kümmert man sich um den einen Patienten und erfüllt damit seine ärztliche Handlungspflicht und unterlässt die Behandlung bei dem anderen (weil man die Notwendigkeit der Behandlung nicht erkannt hat) und macht sich strafbar wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen? Oder sogar wegen Totschlag durch Unterlassen, weil man sich bewusst gegen den anderen Patienten entschieden hat? 

Als Arzt unterliegt man einer gewissen Handlungspflicht. Diese Pflicht beinhaltet dafür einzustehen, dass ein bestimmter tatbestandlicher Erfolg nicht eintritt (§13 StGB). Damit ist man Inhaber einer sog. Garantenstellung.  Diese dafür verantwortlich ist, dass aus einem Untätigbleiben, ein strafbares Unterlassen wird, was einem strafbaren aktiven Tun gleichsteht. Solche Delikte nennt man unechte Unterlassensdelikte (im Gegenteil zu echten Unterlassensdelikten wie z.B. Unterlassene Hilfeleistung § 323c StGB).

Problematisch ist in diesen Fällen, dass dem Arzt zweimal das gleichwertige Rechtsgut, das Leben, gegenübersteht. Dieses darf und kann auch nicht gegeneinander abgewägt werden. Scheint der Tatbestand also in dem o.g. Beispiel erfüllt, so wird dieses Problem auf der Rechtfertigungsebene durch die gesetzlich nicht normierte, rechtfertigende Pflichtenkollision als besonderer Rechtfertigungsgrund in Betracht. Die rechtfertigende Pflichtenkollision ist ein gewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtfertigungsgrund, welcher in diesen Fällen zum Tragen kommt und die Strafbarkeit der Ärzte in einen solchen Fall ausschließt. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass Ärzte aus Angst vor Strafverfolgung, Abwägungsentscheidungen zu treffen haben und sich somit voll und ganz Ihrem Beruf widmen können. 

Das bedeutet das grundsätzliche eine Strabarkeit ausscheidet. Dennoch stellt die Corona-Pandemie die Ärzte vor die Herausforderung zu entscheiden, bei welchem Patienten eine Behandlung notwendig bzw. notwendiger ist. Denn im o.g. Beispiel geht man von einem gleichwertigen Rechtsgut und somit auch von einer Kollision gleichwertiger Handlungspflichten aus.

Problematischer wird es zunehmend dann, wenn gleichwertige Handlungspflichten mit aber unterschiedlichen Erfolgsaussichten aufeinandertreffen. Speziell dann, wenn ungleichwertige Handlungspflichten aufeiandertreffen, die ebenfalls verschiedene Erfolgsaussichten verzeichnen. 

Allerdings ist fraglich, ob diese Kriterien für ein eventuell strafbares Verhalten releevant sein dürfen und nicht eher dem Zweck der rechtfertigenden Pflichtenkollision zu wider laufen. 

Im Ergebnis muss daher viel mehr gelten, dass wegen der Unabwägbarkeit menschlichen Lebens (es kommt also vielmehr nur auf das Rechtsgut selbst an),  dem Arzt bei der Lösung der Pflichtenkollision, rechtlich weitgehende Entscheidungsfreiheit und ein eigener Beurteilungsspielraum einzuräumen sein wird.



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