Die Diversity und der Frauenflüsterer - Besuch der Telekom Hauptversammlung in Köln am 3.5.2010

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Gemeinsam mit der Kollegin Dr. Angelika Nake aus Darmstadt vom Deutschen Juristinnenbund habe ich am 03.05.2010 die HV der Telekom in der Kölner Lanxess Arena besucht. Wir hatten abgetretene Stimmrechte und haben uns damit zu Wort gemeldet sowie an der Wahl teilgenommen.

Vor Beginn der HV haben wir bereits vor und in der Arena die Flugblättter der 3 Organisationen Deutscher Juristinnenbund, Arge Anwältinnen, Fidar mit dem Titel „Frauen in die Aufsichtsräte" verteilt und sind mit interessierten Aufsichtsratsmitgliedern und Aktionären ins Gespräch gekommen.

Am Presseeingang haben wir erfolglos versucht mit Pressevertretern ins Gespräch zu kommen, unsere Flugblätter durften wir jedoch auch dort hinterlassen sowie im Innenbereich der Arena auslegen.

Nach Betreten der Arena haben wir uns mit unserem Frageprotokoll am Wortmeldetisch angemeldet und unsere Fragen angekündigt.

Mit Spannung haben wir dann den Beginn der Hauptversammlung verfolgt.

Zunächst sprach der Aufsichtsratsvorsitzende Herr Prof. Dr. Lehner als Versammlungsleiter, dann der Vorstandsvorsitzende Rene Obermann. In diesen beiden ersten Reden klang bereits „unser" Thema an, dass sich auch im folgenden durch alle Redebeiträge zog.

Herr Prof. Dr. Lehner brachte vor dem Hintergrund 2 neuer zur Aufsichtsratswahl stehender männlicher Aufsichtsratsmitglieder zum Ausdruck, dass man auch gerne eine Frau für diese Wahl gefunden hätte. Es fiel der Satz, dass er sich freuen würde, wenn an seiner Stelle hier eine Frau sitzen würde.

Auch Rene Obermann sprach in seiner Eingangsrede davon, dass er genau wisse, dass gleich die Frage nach einer Frau im Aufsichtsrat kommen werde und dass man sich sehr bemüht habe eine geeignete Frau zu finden.

Hiernach wurde die Fragerunde eröffnet. In den einzelnen Blocks sprachen jeweils ca. 5 Redner, die Fragen wurden dann nach Schliessen der einzelnen Blocks beantwortet. Zuerst sprachen die Vertreter der Aktionärsvereinigungen. Auch diese gingen auf das Thema Frauenquote der Telekom ein. Der Vertreter der SDK bezeichnete den Personalvorstand der Telekom, Herrn Sattelberger, in diesem Kontext als den „Frauenflüsterer".

Nach der 5. Rederunde kamen wir mit unseren Fragen zu Wort. Wir haben unsere Fragen um ein Statement zum Thema Frauenquote sowie einer Vorstellung unserer Aktion Frauen in die Aufsichtsräte ergänzt.

Dies auch vor dem Hintergrund, dass in einem uns vorherigen Redebeitrag eine Rednerin der SPD Frauenorganisation einige unserer Fragen vorweg genommen hatte.

Folgende Fragen haben wir in Bezug auf den Wahlvorschlag und die Beachtung der Diversity gestellt:

  1. Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Lehner, der Aufsichtsrat schlägt vor, Dr. Bernotat und Prof. Dr. Middelmann in den Aufsichtsrat zu wählen. Mit diesem Wahlvorschlag entsprechen Sie im Ergebnis nicht der Forderung des Kodex nach Geschlechtervielfalt, obwohl Sie eine uneingeschänkte Entsprechenserklärung zu diesem Punkt abgegeben haben. Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Lehner, bitte erklären Sie uns, inwiefern der Aufsichtsrat bei diesem Wahlvorschlag auf Vielfalt geachtet hat? Was wurde konkret unternommen, um eine Frau für diese Position zu gewinnen?

  2. Was wird der Aufsichtsrat der Telekom AG konkret unternehmen, damit bei der nächsten Bestellung des Vorstandes die Vorgabe Diversity - und damit sind Frauen gemeint - endlich beachtet wird.

  3. Ist Geschlechtervielfalt für den Nominierungsausschuss, der die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite und den Personalausschuss, der den Vorstand vorschlägt, ein festes Kriterium für zukünftige Vorschläge?

  4. Was werden Sie in den nächsten 5 Jahren konkret unternehmen, um mehr Frauen für den Aufsichtsrat zu gewinnen, damit Sie dieses Kriterium erfüllen und damit tatsächlich auch den Empfehlungen des Kodex entsprechen können?

  5. Versuchen Sie bei der Neubesetzung des Vorstandes dieses Mitglied zunächst aus den eigenen Reihen zu rekrutieren? Oder werden vorwiegend Personen aus anderen Unternehmen für die Vorstandspositionen gesucht? Wie viele Vorstandsmitglieder wurden in den letzten 10 Jahren neu bestellt und wie viele davon kamen aus dem eigenen Unternehmen?

  6. Herr Sattelberger, sie sagten vor kurzem, dass eine Quote in Aufsichtsräten und die Quote in Führungskreisen Hand in Hand gehen müssen. Wir haben erfahren, dass der Kodex im Mai erneut geändert werden soll. Den Unternehmen wird dann empfohlen, sich eine Selbstverpflichtung bezüglich dem Anteil von Frauen in Aufsichtsrat und Vorstand aufzuerlegen. Wie werden Sie diese neue Empfehlung umsetzen?

Die Fragen wurden wie folgt beantwortet:

Herr Prof. Dr. Lehner erklärte, dass man aus Gründen der Interessenkollision keine Frau für die Position gefunden hätte. Trotz intensiver Suche habe keine Frau zur Verfügung gestanden. Frauen mit der geforderten Qualifikation und technischen Ausrichtung wären höchstens beim Mitwettbewerb vertreten. Einige Frauen wurden für die Position angesprochen, hätten jedoch kein Interesse an dem Angebot gehabt. Es gäbe gerade in der Branche einen Interessenkonflikt verbunden mit der Problematik des Wettbewerbs in der Branche.

Die Auswahl erfolge grundsätzlich nach dem Prinzip der Bestenauswahl. Die Frauenquote solle Besetzungschancen erhöhen und alte Traditionen durchbrechen, so Rene Obermann.

Prof. Dr. Lehner erklärte zur Diversity, dass Genderdiversity ein Part der Diversity sei. Diversity beschränke sich nicht auf „Frau" und „Mann", der Begriff gehe weiter. Konkrete Unternehmungen seien auf Förderprogramme für Frauen gerichtet. Die Telekom unterhält beispielsweise eine Stiftung an der Uni und fördert Frauen, die Mathematik und Ingenieurwissenschaften studieren.

Frauen werden im Unternehmen besser gefördert und qualifiziert, die Suchfähigkeit nach Frauen wird verbessert, so wurden die Personalagenturen angewiesen vermehrt nach Frauen für die zu besetzenden Positionen zu schauen. Ziel sei es, bis zum Jahre 2015 jede 3. Managementposition mit einer Frau zu besetzen und die mittlere Führungsebene soll mehr Frauen fördern. Hierzu werde in sog Nachwuchstools und die einzelnen Mitarbeiter investiert.

Das Management soll insgesamt auf die Kundensituation angepasst werden, da die Kundschaft auch zu 50 % aus Frauen besteht. Bejaht wurde die Frage nach der Besetzung des Vorstandes aus den eigenen Reihen, da man gerne auf eigene Erfahrungen und Ausbildungen zurückgreife.

Folgende Fragen haben wir zum Thema Frauenanteil der Beschäftigten und Führungspersonal gestellt:

  1. Wie hoch ist der Frauenanteil bei den Beschäftigten in Ihrem Unternehmen in Deutschland 2009?

  2. Wie hoch genau ist der Frauenanteil auf jeweils der vierten, dritten, zweiten und auf der ersten Führungsebene unter dem Vorstand in Deutschland? Warum sind diese Zahlen nicht im Lagebericht veröffentlicht?

  3. Sie planen den Frauenanteil in den Führungsebenen auf 30 % bis 2015 zu erhöhen. Was verstehen Sie unter Führungsebenen? Ist darunter nur die Ebene unter dem Vorstand gemeint? Welche Massnahmen werden genau ergriffen? Werden Sie die Frauenquote in die Zielvereinbarung für die Vorstandsvergütung nehmen?

  4. Was passiert, wenn dieser Anteil nicht erreicht wird? Wie hoch ist der Frauenanteil bei den Qualifizierungsmassnahmen auf den verschiedenen Ebenen? Weshalb ist der Frauenanteil nicht im Lagebericht veröffentlicht? Gibt es spezielle Programme zur Entwicklung des weiblichen Führungsnachwuchses? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, werden diese Programme evaluiert?

  5. Gibt es eine Vorgabe zur besonderen Beachtung von hochqualifizierten Frauen bei Besetzungsentscheidungen für die Ebene unter dem Vorstand? Wie wird die Besetzungsentscheidung transparent gemacht? Wird die Entscheidung unter Einbeziehung Diversity fundierter Gremien getroffen?

  6. Gibt es flankierende Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie/Privatleben und Beruf? Gibt es z. B. Teilzeitangebote für Führungskräfte, flexible Arbeitszeiten, Kinderbetreuungsangebote? Wie viele Frauen in Führungspositionen haben Elternzeit genommen in den letzten fünf Monaten? Wenn ja, wie viele Monate durchschnittlich? Ist es üblich,dass auch Väter in Führungspositionen Elternzeit nehmen? Wie viele männliche Führungskräfte haben davon Gebrauch gemacht in den letzten fünf Jahren? Wie viele Elternzeitmonate haben die Männer durchschnittlich genommen?

Diese Fragen wurden wie folgt beantwortet:

Der Frauenanteil der Beschäftigten liegt bei 20-30 %. Die Leitungen der Telekomshops sind beispielsweise in hohem Maße weiblich, es handelt sich hier jedoch nicht um oberes Management.

20 % beträgt der Frauenanteil auf der Führungsebene in Deutschland. Dieser Werte ist im Personalbericht veröffentlicht, eine Veröffentlichung im Lagebericht ist bei DAX Unternehmen nicht üblich.

Die Positionen der Führungsebenen umfassen keine Aufsichtsratspositionen, dem entsprechend ist die angestrebte Frauenquote nicht auf die Aufsichtsratspositionen zu beziehen. Führungsebenen meint vielmehr alle leitenden Angestellten bzw. mittleres Management, in Deutschland sind davon ca. 3000 Mitarbeiter umfasst, europaweit ca. 7000 Mitarbeiter.

Von Seiten der Telekom gibt es spezielle Führungsprogramme und Förderprogramme und Nachwuchsprogramme für die Mitarbeiter, diese Programme sind jedoch nicht nach Geschlecht unterteilt.

Die Telekom hat im Rahmen ihres großen Ausbildungsprogrammes viele weibliche Auszubildende. Im Jahr 2009 betrug der Zahl der Auszubildenden 11.000, davon waren 33 % der Auszubildenden weiblich.

12.000 Frauen arbeiten bei der Telekom in Teilzeit. Es liegen jedoch keine differenzierten Zahlen dazu vor, bei wie vielen der Frauen es sich um Führungskräfte handelt.

Die Telekom unterhält weiter spezielle Kinderbetreuungsangebote. Der Vorstand Obermann hat hier ein eigenes Projekt in Form eines Väternetzwerkes namens „Heimspiel" ins Leben gerufen.

Elternzeit wird im Unternehmen durchschnittlich bei Männern und Frauen 2-3 Monate genommen. Bei Frauen wird durchschnittlich eine Elternzeit von 12 Monaten genommen.

In 2009 haben insgesamt 600 Männer Elternzeit genommen und 570 Frauen, die als Führungskräfte tätig sind.

Alles in allem gab es Bemühungen alle unsere Fragen wiederholt und vollständig zu beantworten, insbesondere durch den Personalvorstand Sattelberger.

Wir haben ein sehr proaktives Vorgehen des Unternehmens wahrgenommen, da unser sog. Frauenthema sich wie ein roter Faden durch die HV zog und von Sattelberger, Prof. Dr. Lehner und Obermann immer wieder thematisiert und auch gegen kritische Stimmen zur Quote verteidigt wurde.

Besonders in Erinnerung geblieben sind uns hierbei die Titulierung von Sattelberger als „Frauenflüsterer" sowie der anfängliche Ausspruch von Prof. Dr. Lehner „Ich würde mich freuen, wenn anstatt mir heute eine Frau hier sitzen würde.

Wir haben eine interessante HV erlebt und durchweg positive Resonanz und Zuspruch erhalten, was wir als Erfolg unserer Aktion „Frauen in die Aufsichtsräte" werten!

Rain Eva Kuhn

Rechtsanwältin Köln

Mitglied GfA Arge Anwältinnen


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