Die Insolvenzantragspflicht wird ab dem 1. September 2023 verschärft. Was muss ich als Geschäftsführer beachten?

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Pflicht zur Insolvenzanmeldung bei Überschuldung des Unternehmens


Für Unternehmen, die gegenüber ihren Geschäftspartnern beschränkt haften (wie z. B. GmbH, AG UG, GmbH & Co KG), hat der Gesetzgeber zum Schutz der Vertragspartner eine sogenannte Insolvenzantragspflicht vorgesehen. Diese Pflicht, die von der Geschäftsleitung zu beachten ist, tritt ein, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist.

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn zehn Prozent oder mehr der aktuell fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr beglichen werden können.   

Die Überschuldung ist komplizierter. Der Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung liegt grundsätzlich vor, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nach Auflösung stiller Reserven nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO), es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (positive Fortbestehensprognose). Insofern schließt das Vorliegen einer positiven Fortbestehensprognose die Überschuldung aus. Liegt keine positive Fortbestehensprognose vor, sind die Vermögenswerte des Unternehmens den Verbindlichkeiten zu Zerschlagungswerten gegenüberzustellen, was in den allermeisten Fällen zu einer Überschuldung führt.


Wann liegt eine positive Fortbestehensprognose vor, die die Überschuldung ausschließt?


Neben der tatsächlich bestehenden Fortführungsfähigkeit (Unternehmenskonzept mit integrierter Finanzplanung) und dem Fortführungswillen setzt die positive Fortbestehensprognose eine Durchfinanzierung für einen bestimmten Prognosezeitraum voraus.
Vor diesem Hintergrund ist die Geschäftsleitung verpflichtet, im Rahmen eines Krisenfrüherkennungssystems eine regelmäßig aktualisierte Liquiditätsplanung zu erstellen. Ergibt die Planung nun eine Liquiditätslücke innerhalb des Prognosezeitraums, die nicht mehr geschlossen werden kann, ist die Geschäftsführung bereits zum Betrachtungsstichtag verpflichtet, bei einer dann in der Regel eintretenden Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Hierfür hat sie dann 8 Wochen Zeit (ab dem 31.12.2023: nur noch 6 Wochen). Diese Frist ist allerdings als Höchstfrist zu verstehen und darf nur dann ausgenutzt werden, wenn im Rahmen eines Sanierungsplans ein Zuwarten mit der Antragstellung im Interesse aller Gläubiger liegt, um den Sanierungsplan umzusetzen. Sind die Sanierungsbemühungen von vornherein aussichtslos, muss der Insolvenzantrag sofort gestellt werden.


Änderungen im Hinblick auf den Zeitraum der Fortbestehensprognose


Bei der Überschuldungsprüfung spielt die Länge des Prognosezeitraums, innerhalb dessen das Unternehmen durchfinanziert sein muss, eine wichtige Rolle. Ursprünglich war ein Prognosezeitraum von 12 Monaten vorgesehen. Angesichts der damaligen Unsicherheiten und Erschwernisse bei der Prognose und Planung infolge der Energiekrise hat der Gesetzgeber den Prognosezeitraum gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 SanInsKG für den Zeitraum vom 9. November 2022 bis zum 31. Dezember 2023 von 12 auf 4 Monate verkürzt, um den Unternehmen hier Erleichterungen zu verschaffen.

Diese Privilegierung gilt jedoch nicht für solche Unternehmen, die bereits bis zum 27. September 2022 überschuldet waren und bei denen die damals geltende 6-wöchige-Antragsfrist abgelaufen ist.


Achtung! Bereits ab 1. September 2023 ist der längere Prognosezeitraum von 12 Monaten maßgeblich


Eigentlich wäre davon auszugehen, dass nunmehr bis zum 31.12.2023 eine Prognose und Planung von 4 Monaten für die Überschuldungsprüfung ausreicht, bei der eine Durchfinanzierung und damit das Vorhandensein einer positiven Fortführungsprognose gegeben ist.  Allerdings hat der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung davon gesprochen, dass für Unternehmen, bei denen weniger als vier Monate vor dem 31. Dezember 2023 feststeht, dass sie unmittelbar nach Ablauf des 31. Dezember 2023 überschuldet sind, der ursprüngliche Prognosezeitraum von 12 Monaten relevant ist. Dies bedeutet, dass ein Geschäftsführer bereits ab dem 1. September 2023 verpflichtet sein kann, einen Insolvenzantrag auf Basis einer 12-Monats-Prognose zu stellen.

Die Geschäftsleitung sollte daher ab dem 1. September 2023 bei der Prüfung der positiven Fortbestehensprognose unbedingt wieder eine 12-monatige Liquiditätsplanung erstellen, in der das Unternehmen keine Liquiditätslücke aufweisen darf. Solange es hierzu keine klare anderslautende Initiative des Gesetzgebers gibt, kann nur so ein Haftungsrisiko minimiert bzw. ausgeschlossen werden.


Die Gefahren und Haftungsrisiken bei verspäteter Insolvenzantragsstellung


Wenn das Unternehmen weiter am Markt tätig ist und Verbindlichkeiten auflaufen, obwohl das Unternehmen schon seit Längerem insolvent ist, besteht für die Geschäftsleiter ein ganz erhebliches Haftungsrisiko. So muss der Geschäftsleiter im Falle einer späteren Insolvenz jede Zahlung, die das Unternehmen nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet hat, aus seinem Privatvermögen erstatten. Hinzu kommt das strafrechtliche Risiko der Insolvenzverschleppung.

Konkret bedeutet dies:

Der Geschäftsführer erstellt im September 2023 eine 12-Monats-Planung, die innerhalb der 12 Monate, beispielsweise im Januar 2024, eine nicht zu behebende Liquiditätslücke aufweist. Damit hat das Unternehmen keine positive Fortführungsprognose. Eine Gegenüberstellung der Vermögenswerte zu Zerschlagungswerten und der Verbindlichkeiten ergibt eine Überschuldung. Der Geschäftsleiter ist daher verpflichtet, bereits im September 2023, also im Betrachtungszeitraum, einen Insolvenzantrag einzureichen. Hierfür hat er nach der im September 2023 geltenden Rechtslage maximal 8 Wochen Zeit. Dieser Zeitraum darf aber nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn der Geschäftsleiter im Rahmen eines Sanierungsplans zu dem objektiv nachprüfbaren Ergebnis kommt, dass ein Zuwarten im Interesse der Gläubigergesamtheit liegt. Sind Sanierungsbemühungen von vornerein aussichtslos, muss er sofort einen Insolvenzantrag stellen. Lässt der Geschäftsführer die Frist verstreichen und ist das Unternehmen weiter am Markt tätig, kann er für alle seit Ablauf der Insolvenzantragsfrist getätigten Zahlungen des Unternehmens persönlich haftbar gemacht werden und muss diese Verbindlichkeiten aus seinem Privatvermögen zurückzahlen.


Was ist zu tun?


Sie sehen, die Prüfung der Insolvenzantragspflicht ist mehr als kompliziert und mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden. Ist ein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, sollten sich Geschäftsleiter frühzeitig von Sanierungs- und Insolvenzexperten beraten lassen.

Gerne unterstützen und beraten wir Sie und zeigen Ihnen auf, welche Möglichkeiten Ihr Unternehmen in der Krise hat, und wie Sie als Geschäftsleiter Haftungsrisiken vermeiden können.



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