Die misslungene Erhebung der Verjährungseinrede

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Die Einrede der Verjährung soll bei verjährten Ansprüchen für jeden geltend gemachten Anspruchsgrund von der Beklagtenseite gesondert begründet werden müssen. Dieses geschieht in der Rechtspraxis überwiegend nicht.

Die Verjährung verschafft dem Schuldner ein Gegenrecht, nämlich die Befugnis, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Dieses Gegenrecht soll der Schuldner geltend machen müssen durch die Einrede der Verjährung, BGH, Urteil vom 21.04.2009 – XI ZR 148/08; OLG Frankfurt am Main (lexetius.com/2009,1333) zu den Voraussetzungen der Verjährungseinrede. Die Einrede der Verjährung wird in Zivilrechtssachen nicht von Amts wegen berücksichtigt, wohl aber die Verwirkung.

Der Schuldner soll also die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vortragen müssen. Hierzu soll der Vortrag gehören müssen, wann die Klägerseite von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangte oder diese nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangte. Die Beklagtenseite trage ferner die Darlegungs- und Beweislast für den Beginn und den Ablauf der Verjährung, BGH, Urteil vom 21.04.2009 – XI ZR 148/08; OLG Frankfurt am Main (lexetius.com/2009,1333).

Die Anforderungen an die Einrede der Verjährung sind durch das BGH-Urt. v. 19.10.2017, III ZR 565/16 erhöht worden. Danach ist eine unbegründete Einrede der Verjährung nicht zu prüfen. Überdies soll die Einrede der Verjährung für jeden gesonderten Anspruch auch gesondert begründet werden müssen.

Im BGH-Urteil vom 19.10.2017 – III ZR 565/16 – wird dazu ausgeführt:

„a) Die Verjährung mehrerer eigenständiger und hinreichend deutlich voneinander abgrenzbarer Pflichtverletzungsvorwürfe in Anlageberatungsfällen ist materiellrechtlich selbstständig zu beurteilen. Die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB berechnet sich für jeden dieser Beratungsfehler gesondert, sodass die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für jede Pflichtverletzung getrennt zu prüfen sind (Senat, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14, NJW 2015, 2407 Rn. 14 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund ist, wenn der beklagte Anlageberater die Einrede der Verjährung nur in Bezug auf von ihm einzeln aufgeführte Pflichtverletzungen erhebt, der Eintritt der Verjährung auch nur in Bezug auf diese Pflichtverletzungen zu prüfen.“ 19.10.2017 – III ZR 565/16.

Deshalb sei die Einrede der Verjährung nur in Bezug auf die einzeln aufgeführte Pflichtverletzung zu prüfen, Stackmann, Kursbuch (Rück)Abwicklung, Seite 529 (Rückabwicklung von Finanzanlagen – Aktuelle Rechtsprechung, HAV-Seminar vom19.01.2018).

Fazit: In allen derzeit laufenden Prozessen, in denen erstinstanzlich eine Klage nur deshalb abgewiesen wurde, weil die Einrede der Verjährung formelhaft erhoben wurde, dürften die Erfolgsaussichten für ein Rechtsmittel günstig sein. Es handelt sich dann um eine misslungene Einrede der Verjährung. Auch Ansprüche wegen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne, bei der die Verjährungsfrist schon vor zehn Jahren abgelaufen schien, könnten infolge der mangelhaften Verjährungseinrede wieder aufleben. Die Einrede der Verjährung kann erstmals auch noch in der Berufungsinstanz erhoben werden, wenn die insoweit relevanten Tatsachen unstreitig sind. Das hat der Große Senat für Zivilsachen des BGH am 23.6.2008 entschieden (Beschl. v. 23.6.2008 – GSZ 1/08). Folge: Die insoweit relevanten Tatsachen müssten in dem Berufungsverfahren bestritten werden.


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