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Die rechtlich wesentliche Ursache eines Dienstunfalls bei Verschlimmerung von Vorschäden

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Zu den umstrittensten Problemen der Unfallfürsorge (nicht nur im Beamtenrecht, sondern auch in der gesetzlichen Unfallversicherung) zählt die Frage, ob der Dienstunfall die wesentliche Ursache für den eingetretenen Körperschaden war. Ein Dienstunfall ist definiert als ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist und einen Körperschaden verursacht hat.

Rechtlich wesentliche Ursache

Dafür reicht es allerdings nicht aus, dass sich ein Unfall im Dienst ereignet hat. In der Praxis wird die Anerkennung von Dienstunfällen oft mit der Begründung abgelehnt, dass der Unfall nicht die rechtlich wesentliche Ursache des Körperschadens sein kann, weil bereits eine Krankheit im Körper angelegt war(Vorschädigung), die nur noch nicht zum Ausbruch gekommen ist. In solchen Fällen ist der Dienstunfall immer dann nicht mehr die wesentliche Bedingung, wenn jedes ähnlich gelagerte Alltagsereignis zu derselben Zeit dieselben Folgen ausgelöst hätte. Die Klärung ist in der Regel nur nach intensiver medizinischer Begutachtung möglich.

Gelegenheitsursache

Besonders häufig finden sich solche Entscheidungen bei Verletzungen im orthopädischen Bereich: Wird beispielsweise bei einem Treppensturz ein Meniskus geschädigt, der bereits zuvor erhebliche Verschleißerscheinungen hatte, war der Dienstunfall nicht die rechtlich wesentliche Bedingung, denn dieselbe Verletzung hätte auch bei einem gleichen Ereignis im häuslichen Umfeld oder in der Freizeit auftreten können. Man spricht in solchen Fällen von einer sogenannten Gelegenheitsursache.

Haftungsbegrenzung auf die Risiken der Dienstausübung

Die Abgrenzung ist im Einzelfall oft schwierig. Für die Betroffenen sind ablehnende Entscheidungen nur selten überzeugend und oft auch nur schwer nachvollziehbar. Die Unterscheidung ist aber wichtig. Denn der Dienstherr soll nur für die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit haften und mit den Ursachen belastet werden, die auf die besonderen Risiken der dienstlichen Tätigkeit zurückzuführen sind. Der Beamte dagegen trägt diejenigen Risiken selbst, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben.

vgl. dazu: OVG Lüneburg - Beschluss vom 20.02.2009 - 5 LA 155/07

Verschlimmerung eines Vorschadens

Der Dienstunfall kann jedoch auch einen bereits bestehenden Körperschaden verschlimmern. In einem solchen Fall ist nicht der Körperschaden selbst die Folge des Dienstunfalles, sondern der Verschlimmerungsanteil. So hat z.B. das Verwaltungsgericht Stuttgart entschieden, dass ein Sturz von einer Treppe mit hoher Beschleunigungsgeschwindigkeit, bei der die Halswirbelsäule verletzt wird, ein Ereignis ist, das aus den alltäglichen Bewegungsabläufen herausragt und damit auch für eine an der Halswirbelsäule vorgeschädigte Beamtin keine Gelegenheitsursache darstellt und deshalb auch einen Dienstunfall nicht ausschließt. Der Gutachter hatte in diesem Fall von einer „richtungsweisende Verschlimmerung“ gesprochen.

VG Stuttgart – 22.10.2004 – 18 K 5411/03

Richtungsweisende oder richtunggebende Verschlimmerung

Der Begriff der richtungsweisenden oder richtunggebenden Verschlimmerung ist kein Rechtsbegriff, wird aber von medizinischen Gutachtern verwendet, um die sog. Gelegenheitsursache auszuschließen und darzustellen, dass die auf einen Vorschaden treffende zweite Ursache (das Unfallereignis) eine nicht nur untergeordnete, sondern im Verhältnis zu den anderen ursächlichen Bedingungen zumindest gleichgewichtige Bedeutung hat.

Vgl. OVG NRW – 23.05.2014 – 1 A 1988/11, Rdnr. 64

Man sollte sich daher nicht sofort mit der Feststellung einer Gelegenheitsursache zufrieden geben, sondern grundsätzlich die medizinische Klärung einfordern, ob die zweite Ursache nicht zumindest einen gleichgewichtigen Anteil an den Unfallfolgen hat, wie die bereits bestehende Vorschädigung. Für die Praxis bedeutet dies, die vorliegenden Gutachten sorgfältig auszuwerten und ggf. Beweisanträge zu stellen, um die Frage einer überzeugenden und nachvollziehbaren Klärung zuzuführen.

Zu den allgemeinen Fragen im Zusammenhang mit der Anerkennung eines Dienstunfalls siehe auch: Beamtenrecht – Dienstunfall - Worauf ist zu achten? 

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.


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