Die sogenannte „Typische Tiergefahr“ – Bedeutung und Relevanz im Umgang mit Pferden

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Der Umgang mit Pferden kann eine wunderbare Erfahrung sein – ist aber auch mit Risiken verbunden.

Eine der Herausforderungen, denen Reiter und Pferdebesitzer begegnen können, ist die sogenannte "typische Tiergefahr". In meinem Artikel werde ich den Begriff der typischen Tiergefahr im Kontext von Pferden genauer definieren, dessen sowohl praktische als auch rechtliche Relevanz erläutern und einige Beispiele aufzeigen.

Der Begriff der typischen Tiergefahr erlangt rechtliche Bedeutung vor allem dann, wenn es um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen geht. In der Regel haftet der Tierhalter, also derjenige, der die Bestimmungsgewalt über das Pferd hat (meistens, aber nicht automatisch ist dies der Eigentümer des Tieres), für sämtliche Schäden, die anderen im Zusammenhang mit dem Pferd entstehen, vgl. § 833 BGB. Das können Personenschäden sein (z.B. Verletzungen durch den Tritt eines Pferdes, der Sturz einer Reitbeteiligung) oder Sachschäden an fremden Sachen oder Tieren.

Die Halterhaftung ist eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung, weshalb es gerade nicht darauf ankommt, ob den Halter ein Verschulden oder ein Fehlverhalten trifft Eine Ausnahme gilt für Nutztiere, d.h. die Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Schaden durch ein Pferd verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung dieses Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde; Beispiel: Schulpferde.

Die Haftung greift allerdings grundsätzlich nur, wenn sich die spezifische / typische Tiergefahr verwirklicht hat, der Schaden also auf ein selbstständiges und willkürliches Verhalten des Tieres zurückzuführen ist.

Die typische Tiergefahr bezieht sich auf spezifische Verhaltensweisen oder Eigenschaften eines Pferdes, die potenzielle Risiken für die Menschen und andere Rechtsgüter um sie herum darstellen können. Dies umfasst Situationen, die auf ein der tierischen Natur entsprechendes, unberechenbares und selbstständiges Verhalten des betreffenden Pferdes zurückzuführen sind, dieses Verhalten also für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden ist.  

Es ist daher wichtig, sich der natürlichen Instinkte und Verhaltensweisen von Pferden bewusst zu sein, um Verletzungen zu vermeiden und die Sicherheit von Menschen und Tieren zu gewährleisten.

Beispiele für die spezifische Tiergefahr im Umgang mit Pferden sind Scheuen, Durchgehen, Beißen, Tritte (Ausschlagen), Losreißen, Ausbrechen aus Weide oder Koppel, Hengstmanieren etc. Zusammenfassend bestehen folgende Risiken, die in der Regel der Unberechenbarkeit des Pferdes zuzuordnen sind: Trittgefahr, Beißen, Schreckreaktionen, Fluchtinstinkt.

Die Voraussetzung des unberechenbaren und selbständigen Verhaltens des Tieres ist nicht erfüllt und es verwirklicht sich somit die typische Tiergefahr nicht, wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt, also seinem „Lenker“ gehorcht (z.B. aktives Anreiten von Fußgängern, Losreißen aufgrund aktiver Einwirkung auf das Pferd) und nur daraus der Schaden resultiert, weil er letztlich durch den Menschen verursacht wird. In solchen Fällen kommt allenfalls eine deliktische Haftung desjenigen in Betracht, welcher das Pferd unter seiner Führung hatte.

Von einer typischen Tiergefahr ist dagegen auszugehen, wenn das Pferd trotz der vom Reiter ausgehenden Kontrolle willkürlich und unberechenbar, also anders als beabsichtigt reagiert, indem es beispielsweise plötzlich durchgeht oder abrupt anhält, weil es durch äußere Impulse wie akustische oder optische Reize beeinflusst wird (z.B. Flatterband, Kuhweide). Denn diese Reaktion des Pferdes und die daraus resultierende Gefährdung haben ihren Grund gerade in der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens. 

Befand sich das Pferd in einer der vorgenannten oder ähnlichen Situation und hatte jedoch keine Möglichkeit, „anders“ zu reagieren, ist eine Haftung wegen Verwirklichung der typischen Tiergefahr wiederrum ausgeschlossen. Beispiele hierfür sind etwa unvorhergesehene Hindernisse und dadurch bedingtes Stolpern.

Übrigens kann auch der Tieraufseher (z.B. Reitbeteiligung) für einen Schaden haftbar gemacht werden, wenn dieser auf die typische Tiergefahr des Pferdes zurückzuführen ist und in dessen Anwesenheit entsteht, da der Tieraufseher zum Zeitpunkt des Schadeneintritts die Aufsicht über das Tier hatte, § 834 BGB. Es gilt die sogenannte gesetzliche Vermutung, dass der Tieraufseher für den Schaden ursächlich geworden ist.

Wann und ob sich die typische Tiergefahr verwirklicht hat und ursächlich für den eingetretenen Schaden ist, lässt sich nicht immer sofort erkennen. Gerade in Haftungsfragen empfiehlt es sich daher, frühzeitig eine auf das Pferderecht spezialisierte Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen.


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