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Diebstahl aus der Mülltonne: Ist „Containern“ strafbar?

  • 3 Minuten Lesezeit
Maj Pascale Weber anwalt.de-Redaktion

Verurteilung wegen Diebstahls – Skizzen von Gerhard Richter aus der Mülltonne

Im Juli 2016 hatte ein 49-jähriger Mann vier Skizzen des berühmten Künstlers Gerhard Richter aus dessen Altpapiertonne entwendet, die Richter für misslungen hielt und deshalb entsorgt hatte. Nachdem er die Skizzen aus der Tonne genommen hatte, versuchte er, die Skizzen an ein Auktionshaus zu verkaufen. 

Am 24.04.2019 hat das Amtsgericht Köln den Mann wegen Diebstahls (§ 242 StGB) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35 Euro verurteilt.

Für eine Strafbarkeit wegen Diebstahls ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache erforderlich. Die Wegnahme einer beweglichen Sache war in diesem Fall unproblematisch. Umstritten ist im Hinblick auf weggeworfene Gegenstände jedoch, ob diese noch fremd im Sinne des § 242 StGB sind. Sie könnten durch das Wegwerfen nämlich auch herrenlos (d. h. in niemandes Eigentum) und somit nicht mehr fremd geworden sein. 

Das Amtsgericht hat die Herrenlosigkeit der Skizzen jedoch mit der Begründung verneint, dass Richter das Eigentum an den Skizzen an das Entsorgungsunternehmen übertragen wollte und sie deshalb in den Müll geworfen hatte. Somit sei er bis zur Abholung durch die Müllabfuhr auch noch Eigentümer der Skizzen gewesen. 

Außerdem habe der Künstler durch die Entsorgung nicht den Gewahrsam an den Skizzen abgeben wollen, sondern vielmehr ihre Entsorgung durch die Müllabfuhr beabsichtigt. Auch die wirtschaftliche Verwertung seiner Kunst durch einen anderen habe Richter nicht gewollt.

„Containern“ und die Wegnahme von Sperrmüll: Diebstahl oder nicht?

Dieser Fall hat gewisse Ähnlichkeit mit den sog. „Container-Fällen“, bei denen weggeworfene Lebensmittel aus Müllcontainern von Supermärkten genommen werden. Zwei Aktivistinnen, die durch das Containern auf den Missstand der Lebensmittelverschwendung hinweisen wollten, wurden vor Kurzem von einem Gericht wegen Diebstahls verwarnt. Sehr häufig werden diese Verfahren von der Staatsanwaltschaft aber auch nach § 153 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt. 

Die herrschende Meinung geht davon aus, dass § 242 StGB das Eigentum schützt. Danach käme es für eine Eigentumsverletzung nicht auf den wirtschaftlichen Wert einer Sache, sondern vielmehr auf die Gebrauchs- und Verwendungsmöglichkeit des Eigentümers an. Abweichend davon wird die Meinung vertreten, dass für eine Strafbarkeit wegen Diebstahls die wirtschaftlichen Eigentümerinteressen beeinträchtigt werden müssen. Danach ist die Frage, ob es sich um eine fremde Sache handelt, wirtschaftlich zu bestimmen. Somit wäre die Strafbarkeit der Wegnahme weggeworfener Lebensmittel nach dieser Auffassung schon zu verneinen, weil der Supermarkt offensichtlich kein wirtschaftliches Interesse mehr an ihnen hat.

Insofern weicht das obige Urteil davon ab und folgt der herrschenden Meinung. 

Auch in Container-Fällen ist umstritten, ob es sich bei den weggeworfenen Lebensmitteln um herrenlose Sachen handelt. Ob die Lebensmittel diebstahlsfähig sind, hängt davon ab, ob der Supermarkt das Eigentum an ihnen aufgegeben hat. 

Die Eigentumsaufgabe setzt voraus, dass der Supermarkt den Besitz aufgegeben hat und seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, dass er auf sein Eigentum verzichtet (sog. Entschlagungswille). Der Wille zum Verzicht auf das Eigentum muss jedoch nicht explizit erklärt werden. Es ist ausreichend, wenn sich der Verzichtswille aus der Besitzaufgabe ableiten lässt. Im Hinblick auf das Bereitstellen von Müll werden unterschiedliche Ansichten zum Entschlagungswillen vertreten. 

Nach einer Ansicht ist in der Bereitstellung von Müll ein Übereignungsangebot an den Müllentsorger zu sehen. Diese Annahme liegt auch der Entscheidung des Amtsgerichts Köln im Richter-Fall zugrunde. Eine andere Ansicht sieht darin hingegen schon den Ausdruck des Entschlagungswillens. Letztlich ist diese Frage abschließend wohl nur im konkreten Einzelfall zu beantworten. Denn aus dem Wegwerfen der Lebensmittel kann nicht ohne Weiteres der Verzichtswille geschlussfolgert werden. Ein Supermarktinhaber könnte das z. B. nicht wollen, weil ihm dadurch potenzielle Kunden verloren gehen, die andernfalls Geld für ihre Lebensmittel im Supermarkt ausgeben würden.

Jedenfalls liegt aber kein Wille zur Eigentumsaufgabe vor, wenn der Container z. B. mit einem Vorhängeschloss besonders gegen Wegnahme gesichert ist. Einigkeit besteht weiterhin z. B. auch darüber, dass eine EC-Karte, die zum Zwecke der Vernichtung in den Müll geworfen wurde, nicht herrenlos ist.

Des Weiteren liegt keine Eigentumsaufgabe vor, wenn anlässlich einer Ankündigung der Sperrmüllabfuhr Sammelgut auf dem Gehweg zur Abholung hingestellt wird, wenn die Bereitstellung erkennbar im Zusammenhang mit dem Sammelaufruf steht.

(MAW)

Foto(s): ©Shutterstock.com

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