DNA-Entnahme zur Verfolgung künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung (§ 81 g Abs. 1 StPO)

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Rechtmäßigkeit der DNA-Entnahme und Untersuchung zur Verfolgung künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung (§ 81 g Abs. 1 StPO): Besonders im BtM-Bereich umstritten!

Der § 81 g Abs. 1 StPO regelt: „Ist der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung […] verdächtig, dürfen ihm zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind.“ Die Entnahme und Probenuntersuchung unterliegen grundsätzlich dem Richtervorbehalt, müssen also von der StA beim zuständigen Gericht beantragt werden. Ausnahme: Der Betroffene willigt schriftlich ein, wovon grundsätzlich abzuraten ist, solange kein Strafverteidiger hinzugezogen wurde.

Die Maßnahme nach § 81 g StPO wird nicht nur gegen Beschuldigte beantragt, sondern auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung, selbst wenn keine weiteren Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen anhängig sind. Gegen einen Freigesprochenen dürfen diese Maßnahmen allerdings nicht ergriffen werden.

Neben Straftaten von erheblicher Bedeutung kommt es für die Rechtmäßigkeit der DNA-Entnahme und Untersuchung nach § 81 g StPO auf eine einzelfallbezogene Negativprognose an, dass der Betroffene wieder straffällig wird.

Was das insbesondere im Bereich der Betäubungsmitteldelikte bedeutet, erklärt Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk:

BtM-Delikte: „Straftaten von erheblicher Bedeutung“?

Was sind nun „Straftaten von erheblicher Bedeutung“? Recht unproblematisch ist dies bei Verbrechen und schwerwiegenden Vergehen, wie z.B. Sexualdelikten, einer gefährlichen Körperverletzung, aber laut Rechtsprechung überraschenderweise auch bei schwerwiegenden Steuerdelikten und sogar bei Diebstahl.

Für BtM-Delikte, selbst schwerwiegende, steht eine höchstrichterliche Klärung der Frage, ob diese an sich bereits erhebliche Straftaten im Sinne des § 81g StPO darstellen oder nicht, noch aus. Es gibt dazu also keine Entscheidungen des BGH oder BVerfG. Im Übrigen sind sich die Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland nicht einig.

Diese Ausgangslage macht die Gegenwehr des Betroffenen gegen einen von der StA beabsichtigten Eingriff einerseits juristisch hoch interessant. Andererseits eröffnet der Streitstand der Strafverteidigung einen weiten Spielraum für Argumente.

Eine Anordnung zur DNA-Entnahme und Untersuchung gemäß § 81 g StPO wäre ganz unabhängig von einer wie auch immer ausgestellten Sozialprognose bereits an sich rechtswidrig, wenn man das Gericht davon überzeugen könnte, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung nicht vorliegt.

Dass selbst schwerwiegende BtM-Delikte gerade nicht unter den erforderlichen Schweregrad fallen, meinen: LG Frankenthal (StV 2000, 303; 2000, 609) sowie LG Rostock und LG Zweibrücken (vgl. Burhoff, EV, 7. Aufl. 2015, Rn. 1342 a.E.). Auch der frühere Richter am OLG Hamm, Detlef Burhoff, verneint in seinem vorgenannten Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren den Schweregrad mit Blick auf BVerfG NJW 1984, 419. Nach diesen Fundstellen sind DNA-Entnahmen im Zusammenhang mit BtM-Delikten also stets als rechtswidrig abzulehnen.

Vom genauen Gegenteil, also einer erheblichen Straftat im Sinne des § 81 g StPO geht allerdings ausdrücklich das OLG Köln aus (Beschluss vom 16.09.2004 – 2 Ws 215/04 = NStZ-RR 2005, 56 f.).

Auch das OLG Hamm scheint nach einem seiner Beschlüsse keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer molekulargenetischen Maßnahme nach § 81 g StPO zu haben, wenn es um BtM geht (Beschluss vom 04. März 2004 – 4 Ws 722/03 –, juris). Dieser Beschluss klärt die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit jedoch meines Erachtens nicht wie das OLG Köln im obengenannten Beschluss. Im vom OLG Hamm entschiedenen Fall handelte es sich überdies um einen Bewährungsversager, der zum wiederholten Male im Zusammenhang mit BtM in Erscheinung getreten war, zudem aufgrund weiterer Begleittaten verurteilt wurde und aufgrund dessen eindeutig keine positive Sozialprognose hatte. Das mag es dem OLG Hamm abgenommen haben, sich mit der hier erörterten Frage nicht näher zu beschäftigen.

Unerlässlich: die Negativprognose

Hält das zuständige Gericht eine Maßnahme nach § 81 g StPO grundsätzlich im BtM-Bereich für zulässig, kommt es darauf an, ob die erforderliche Negativprognose der Begehung künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung in der Person des Beschuldigten bzw. bereits Verurteilten gegeben ist.

Das OLG Hamm hatte im zuvor genannten Beschluss aus dem Jahre 2004 in der Persönlichkeit des Beschuldigten liegende Umstände, die eine Negativprognose iSd § 81g StPO begründen sollen, darin erblickt, dass

  • beträchtliche, insbesondere einschlägige Vorstrafen aus dem BtM-Bereich vorliegen,
  • der Verurteilte Bewährungsversager ist,
  • bereits Freiheitsstrafen ohne Bewährung verbüßt wurden,
  • es um mehrere Kilogramm BtM ging (Gewerbsmäßigkeit!)
  • sowie schließlich der von der Maßnahme Betroffene noch drogenabhängig ist, dem Milieu also nach wie vor angehört.

An diesem einzelfallbestimmten Katalog kann sich ein Strafverteidiger abarbeiten und je nach den Umständen des Einzelfalles zum Beispiel vortragen, dass sein Mandant erstmalig wegen eines BtM-Deliktes verurteilt wurde (oder beschuldigt ist), es zuvor keinerlei strafrechtliche Auffälligkeiten gab, eine Drogentherapie mit nachhaltigem Erfolg bereits abgeschlossen ist usw.

Sofern z.B. eine erstmalige Verurteilung zu einer Freiheitstrafe, ausgesetzt zur Bewährung vorliegt, wird sich eine von der StA behauptete Negativprognose für eine angebliche zukünftige Begehung von Straftaten die positive Sozialprognose des Tatrichters entgegen halten lassen müssen, der ja gerade vom Gegenteil ausgeht (also keine künftige Straffälligkeit).

Allgemeinplätze, mutmaßlich aus Statistiken entnommen, wie eine nicht näher belegte „hohe Rückfallgefahr“ eines früheren Drogenkonsumernten können meines Erachtens keine einzelfallabhängige Negativprognose für die Annahme der Wiederholunggefahr begründen, die der Tatrichter gerade nicht in der Persönlichkeit des Betroffenen gegeben sah. Allein diese positive Sozialprognose des Tatrichters kann hier meines Erachtens maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. Unzulässigkeit der beantragten DNA-Untersuchung sein. Dies ergibt sich meines Erachtens auch aus OLG Köln, Beschluss vom 16.09.2004 – 2 Ws 215/04 -, juris (dort Rn. 6) ergibt. Das LG Frankenthal (s.o.) sieht eine negative Sozialprognose nicht einmal gegeben, wenn der Täter eines BtM-Deliktes aus Gewinnstreben handelte. Letztlich gilt: Der Einzelfall ist konkret zu beurteilen.

Zusammenfassung

Mörder und Vergewaltiger, so hieß es einst sinngemäß aus der Politik, wolle man durch DNA-Proben fangen und für die Zukunft in Schach halten. Darüber hinaus habe kein Bürger derartige Eingriffe zu befürchten. Pustekuchen! Die DNA-Sammelwut des Gesetzgebers wird seit Jahren ausgeweitet. Die Staatsanwaltschaften machen ausgiebig von dieser Möglichkeit Gebrauch und finden bei den Gerichten häufig Verständnis. Tiefer und endgültiger kann der Eingriff einer Behörde in die Rechte des Einzelnen jedoch kaum sein. Sich als Betroffener gegen derartige Maßnahmen wehren zu wollen, ist menschlich nachvollziehbar – und im Bereich des § 81 g StPO im Zusammenhang mit BtM-Delikten aus Strafverteidigersicht jeden Versuch wert.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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