D&O umfasst Schadensersatzanspruch gegen Geschäftsführer nach § 64 Satz 1 GmbHG

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§ 64 S. 1 GmbHG betrifft die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Erstattung von Zahlungen, die nach Insolvenzreife geleistet werden und daher zur Masseschmälerungen führen. Streitig war bislang, ob es sich hierbei um einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz im Sinne von Ziffer 1.1 ULLA handelt.

Mit seiner Entscheidung vom 18.11.2020 zum Aktenzeichen IV ZR 217/19 hat der Bundesgerichtshof eine weitreichende Entscheidung getroffen und festgestellt, dass der in § 64 S. 1 GmbHG geregelte Anspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer auf Ersatz von Zahlungen, die diese nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung veranlasst haben, von dem gesetzlichen Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz umfassen, vorausgesetzt es liegt keine wissentliche Pflichtverletzung vor. 

 

Worum ging es in der Entscheidung?

In der dem Urteil zugrunde liegenden Angelegenheit war im August 2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter nahm den Geschäftsführer der Schuldnerin im Dezember 2015 auf Ersatz von Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch. Der Versicherer erklärte im August 2016 die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung. Ende 2016 trat der Geschäftsführer der Schuldnerin seine Deckungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag an den Insolvenzverwalter ab, welcher dessen Rechte aus abgetretenen Recht gegen den D&O-Versicherer geltend machte.

Der Insolvenzverwalter machte in dem Verfahren geltend, dass die GmbH spätestens seit September 2011 zahlungsunfähig gewesen sei und der Geschäftsführer demnach aus § 64 S. 1 GmbHG wegen in den Versicherungsjahren 2011/2012 und 2012/2013 vorgenommene Überzahlung in Höhe von jeweils mindestens 1.500.000 € hafte. Der Versicherer hingegen vertrat die Rechtsauffassung, dass die Vertragserklärung wirksam angefochten sei, jedenfalls aber die Ansprüche aus § 64 S. 1 GmbHG nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein und zudem eine wissentliche Pflichtverletzung des Geschäftsführers vorgelegen habe.

 

Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG von Ziffer 1.1 ULLA erfasst

Anders als die Vorinstanzen hat der IV Zivilsenat festgestellt, dass es sich bei dem in §§ 64 S. 1 GmbHG geregelten Anspruch um einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz im Sinne der dem Vertrag zugrunde liegende Klausel (Ziffer 1.1 ULLA) handelt.

 

Kriterien für die Auslegung von Versicherungsbedingungen

Der Senat stellt seiner Entscheidung voran, dass Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemüht der Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Hier sei zu berücksichtigen, dass typische Adressaten- und Versichertenkreis in der D&O Versicherung geschäftserfahrene und mit allgemeinen Geschäftsbedingungen vertraute Personen sind.

 

Der Senat führt im Folgenden detailliert aus, was der sog. durchschnittliche Versicherungsnehmer der Klausel entnehmen wird und gelangt dabei zu dem Ergebnis, dass dieser nach seinem Verständnis jedenfalls davon wird ausgehen können, dass Versicherungsschutz nach der Klausel besteht, wenn sich der geltend gemachte Anspruch auf Ausgleich eines eingetretenen Schadens beziehe.

 

VN muss keine hochkomplexe rechtsdogmatische Einordnung vornehmen

Entscheidend sei, dass der Versicherte den Zustand wiederherzustellen habe, den vor der Vornahme der pflichtwidrigen Zahlungen bestanden habe. Der Versicherungsnehmer würde die Klausel weiterhin dahingehend verstehen (dürfen), dass in der Außenhaftung Versicherungsschutz gegenüber Dritten bestünde und hierunter auch die Insolvenzgläubiger fallen würden. Weitere Differenzierung könne dieser der Klausel nicht entnehmen, insbesondere könne nicht erwartet werden, dass dieser eine komplexe rechtsdogmatische Einordnung des Anspruchs vornehme.

 

Der Bundesgerichtshof hebt auch hervor, dass der Versicherungsnehmer bei Auslegung der Klausel erwarte, dass diese Versicherung sei Interesse daran schütze, keine Vermögenseinbußen infolge von gegen ihn gerichteten Schadensersatzforderungen zu erleiden. Es könne für ihn daher keinen Unterschied machen, ob der Schaden bei der Versicherungsnehmerin oder bei Gläubigern eingetreten sei.

 

Das Urteil ist zu begrüßen und folgerichtig. Es belegt, dass dem Versicherungsnehmer Einschränkungen, die sich aus dem Vertrag ergeben sollen, deutlich vor Augen geführt werden müssen. Anderenfalls läuft der Versicherer Gefahr, dass die Unklarheiten zu seinen Lasten gehen.

Aufgrund meiner Erfahrung und langjährigen Tätigkeit als Fachanwältin für Versicherungsrecht auf Seiten der Versicherungsnehmer stehe ich Ihnen bundesweit für eine fachkundige Überprüfung und Durchsetzung Ihrer Leistungsansprüche gern zur Seite.

 

 



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