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Eigendiagnose mindert keine Arztpflichten

  • 2 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]Ärzte dürfen nicht auf das eigene Urteil ihrer Patienten vertrauen. Selbst bei sachkundigem Auftreten muss eine umfassende ärztliche Untersuchung erfolgen, um Fehler auszuschließen. Wie umfassend Ärzte vor ihrer Diagnose zu untersuchen haben, zeigt folgender Fall. Der Patient, ein Rettungssanitäter, wurde mit Blaulicht und Martinshorn eingeliefert. Gegenüber dem gerade zuständigen Arzt, einem Orthopäden, klagte er über starke Schmerzen in der linken Körperseite. Seiner selbstbewusst geäußerten Meinung nach stammten diese von einem eingeklemmten Halswirbelnerv. Eine allerdings befundlose internistische Untersuchung sei schon erfolgt. Dabei verschwieg er aber, dass diese schon Monate her war. Der Arzt hingegen dachte diese sei erst am selben Tag erfolgt.

Irrtum mit tragischen Folgen

Genauere Nachfragen unterließ der Arzt daraufhin und beschränkte seine Untersuchungen auf den entsprechenden Körperbereich. Tatsächlich stellte er eine Querwirbelblockade und eine Muskelverspannung fest und entließ den Patienten. Weniger als drei Stunden später war der 37-jährige Vater einer vierköpfigen Familie tot - verstorben an einem unentdeckten Herzinfarkt. Seine Ehefrau und die Kinder verklagten den Mediziner. Wegen eines groben Behandlungsfehlers verlangten sie Schadensersatz und Schmerzensgeld. Strafrechtlich wurde er wegen fahrlässiger Tötung rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt.

Gericht sieht Fehler bei der Befunderhebung

Anlässlich der im Fall eingelegten Berufung hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz nun folgendes entschieden: Kein Mediziner darf maßgeblich auf die Aussagen eines Laien vertrauen, gleich wie dieser auch auftrete. Darüber hinaus ist jeder Arzt verpflichtet auch Ursachen außerhalb seines Fachbereichs in Betracht zu ziehen - wenn nötig mit der Hilfe von Fachkollegen. Der beklagte Orthopäde hätte insbesondere nach dem Zeitpunkt der internistischen Untersuchung fragen müssen. Dann wäre ihm aufgefallen, dass deren Ergebnisse nicht verwertbar waren. Eine Neuuntersuchung hätte angesichts der im Krankenhaus vorhandenen Möglichkeiten in wenigen Minuten stattfinden können. Der Tod wäre so wahrscheinlich verhindert worden. Der Arzt muss sich deshalb einen Befunderhebungsfehler zurechnen lassen, der zur Beweislastumkehr wie bei einem groben Behandlungsfehler führt. Das heißt, nachdem ein Kläger schlüssig Fehler bejahende Anzeichen darlegt, muss der Arzt dies widerlegen. Er hat dabei zu beweisen, dass sein Tun nicht ursächlich für die eingetretenen Folgen war. Das gelang dem beklagten Arzt nicht. Die Revision gegen das ihn belastende Urteil wurde nicht zugelassen. Wegen der deshalb vom Beklagten eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde ist es jedoch noch nicht rechtskräftig.

(OLG Koblenz, Urteil v. 30.01.2012, Az.: 5 U 857/11, nicht rechtskräftig)

(GUE)
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