Ein Strafbefehl flattert ins Haus – Was ist das und was tue ich dagegen? Bedenken und Vorteile.

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1. Prozedere der Gerichte und anwaltliche Bedenken

Anstelle einer bei Gericht zugelassenen Anklageschrift kann dem einer (oder mehrerer) Straftat Beschuldigten postalisch ein Strafbefehl durch das Amtsgericht zugestellt werden. Was genau den Staatsanwalt oder Amtsanwalt dazu veranlasste, im Strafbefehlswege zu verfahren, verbleibt dem Empfänger desselben unerklärlich.

Nur den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren lässt sich Näheres entnehmen, wozu im Späteren kurz eingegangen werden soll. Dieser kurze Aufsatz aber soll sich mit den m. E. n. vielen Problemen und wenigen Vorzügen des Strafbefehlsverfahrens befassen.

Das Strafbefehlsverfahren hat der Gesetzgeber in den §§ 407 ff. StPO geregelt, um den Amtsgerichten es verfahrensökonomisch zu ermöglichen, leichte Kriminalität aus den Gerichtsstuben zu verdrängen, weil mit „Akzeptanz“ des Strafbefehls durch einen Beschuldigten auf eine Hauptverhandlung künstlich verzichtet wird.

Künstlich deshalb, weil ein Beschuldigter nicht ohne Aktenkenntnis seines Falles nachvollziehen kann, ob der Strafbefehl gegen ihn zu Recht ergangen ist und wenn, ob die gegen ihn gerichtete staatliche Reaktion angemessen erscheint oder nicht.

Künstlich ist das Prozedere mit dem Strafbefehl auch angesichts der einem jeden Strafgericht auferlegten Aufklärungspflicht von Taten und der Vorgabe, keinen „kurzen Prozess“ zu machen. Dies mutet befremdlich an und ist mit tragenden Verfahrensprinzipien des deutschen Strafprozesses nur schwer zu vereinen.

Künstlich auch daher, weil der Strafbefehl technisch den Eröffnungsbeschluss ersetzen soll, der nach dem Willen der StPO-Gesetzväter nach § 203 StPO geschaffen wurde, um zu beschließen, ob eine Gerichtsverhandlung stattfinden wird oder eben nicht (§ 205 StPO).

Der Strafbefehl aber stützt sich auf den hinreichenden Verdacht einer Straftat, lässt aber, sofern kein rechtzeitiger Einspruch gegen ihn eingelegt ist, eine Hauptverhandlung entfallen. Zudem ist wegen der hohen Fallzahlen von Strafbefehlen (hier ermittelt durch die entsprechenden Cs-Aktenzeichen) davon auszugehen, dass die Verfahrensweise in großen Massen angewendet wird.

Das Beweisantragsrecht in der Hauptverhandlung kann von Gerichten leichter eingeschränkt werden denn gegenüber dem normalen Verfahren: Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft und Zulassung durch ein Gericht.

Weiter stößt auf häufige Ablehnung, dass die Rechtsfolge des Strafbefehls von einer sogenannten Geständnisfiktion dominiert wird:

Um Strafzuschläge, also z. B. Verschlechterung in der Höhe der Geldstrafe, nach oben annehmen zu können, unterstellt der Verfasser – ungeachtet der Aktenlage –, der Beschuldigte würde die Tat(en) gestehen und nähert er sich so an die Höhe der Rechtsfolge im Strafbefehl an.

Bereits aus diesen Gründen dürften Strafverteidiger dem Strafbefehlsverfahren eher kritisch gegenüberstehen und würde dagegen grundsätzlich Einspruch einzulegen sein.

2. Reaktion eines Adressaten vom Strafbefehl in Kenntnis seiner Akte

Sorgfalt ist geboten, wenn zu entscheiden ist, wie man nun mit dem Strafbefehl umgeht.

Als Ausdruck eines beschleunigten Verfahrens können die Folgen für den Empfänger desselben nämlich sehr weit reichen:

Dabei gilt es zu beachten, dass ohne (anwaltliche) Reaktion des Beschuldigten der Strafbefehl in Rechtskraft erwächst. Mit anderen Worten: Wenn man auf den Strafbefehl nicht rechtzeitig, also nicht binnen gesetzlicher Frist von 14 Tagen, reagiert, gilt die Folge des Tatvorwurfs aus dem Strafbefehl (§ 410 StPO):

Denn danach hat man den Schuldspruch des vorgeworfenen Strafgesetzes verwirklicht und muss die Rechtsfolge als strafende Konsequenz zum Gesetzesverstoß tragen.

Der Schuldspruch kann theoretisch aus jedem Strafgesetz folgen, dessen Verhandlung nicht durch Gesetzeszuweisung zum Landgericht oder dem OLG bzw. Kammergericht gehört (vgl. § 74 II GVG) und damit genauso wie das Jugendstrafrecht für das Strafbefehlsverfahren gesperrt ist.

Häufig wird in Berlin im Wege des Strafbefehls behandelt:

Körperverletzung §§ 223, 224 StGB, Diebstahl §§ 242, 243 StGB, Beleidigung §§ 185, 194 StGB, Nötigung § 240 StGB, Unterschlagung § 246 StGB, Fahren ohne Fahrerlaubnis § 21 StVG, Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz § 6 PflVG, (Sozial-, d. h. ALG II- oder BAföG-)Betrug § 263 StGB, Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort § 142 StGB.

Angesichts der Natur des Strafbefehls als beschleunigtes Verfahren ist es erstaunlich (und wird durch die Anwaltschaft regelmäßig kritisiert), dass die Rechtfolge vom Gesetzgeber sehr weit gefasst wurde:

Denn seine Rechtsfolgen können sein (§ 407 Abs. 2 StPO):

Geldstrafe, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Bekanntgabe der Verurteilung und Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung,

Entziehung der Fahrerlaubnis mit Sperre zur Neuerteilung einer Fahrerlaubnis bis zu zwei Jahren, Verbot des Haltens oder Betreuens von sowie des Handels oder des sonstigen berufsmäßigen Umgangs mit Tieren jeder oder einer bestimmten Art für die Dauer von einem Jahr bis zu drei Jahre

sowie sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr (auf Bewährung, wenn der Beschuldigte verteidigt ist).

Zusätzliche drastische, wenn auch mittelbare Folge einer aus Strafbefehl ausgeurteilten Geldstrafe kann sogar sein: Gefängnis!

Vor allem wegen der leichten Verwechselungsgefahr eines Strafbefehls mit einem privatrechtlichen Titel (…zahlen Sie bis zum…) wird m. E. n. häufig verkannt, dass die nicht gezahlte Geldstrafe zu einer Ersatzfreiheitsstrafe führt:

Wird man etwa zu 90 Tagessätzen á 15,00 EUR vom Gericht verdonnert und zahlt man diese nicht fristgerecht, etwa weil man die Folgen nicht ahnte, so geht man eben nach dem Tagessatzsystem (§ 40 StGB) für 90 Tage in die Justizvollzugsanstalt wegen der Anordnung der sogenannten Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB).

Dies kann bedeuten, dass bei einer allgemeinen Personenkontrolle durch die Polizei ein offener Haftbefehl wegen nicht gezahlter Geldstrafe bemerkt wird und man sofort in die Haftanstalt verbracht wird (dies übrigens ohne vorherige richterliche Anhörung).

3. Handlungsmaxime und ausnahmsweise Vorteil beim Strafbefehl

Wegen dieser Uferlosigkeit der bürokratisch zugestellten Strafe bietet sich an, nach § 410 StPO selbst oder durch einen dazu bevollmächtigen Rechtsanwalt Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen und damit eine Hauptverhandlung vor Gericht über den/die erhobenen Vorwürfe bei Gericht zu erzwingen.

Vorher müssen innerhalb des Anwaltsgesprächs der Akteninhalt und die Erfolgsaussichten des Einspruches überprüft werden (Freispruch, Einstellung oder Verbesserung des Verfahrens).

Dies ist von Belang, weil das grundsätzlich im deutschen Strafprozess herrschende Prinzip vom Verbot der Verschlechterung (reformatio in peius) dann nicht mehr gilt, alsbald man Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hat (§ 411 IV). Schuldspruch und Rechtsfolge können sich bei Hauptverhandlung also verschlimmern.

Einer solchen Prozesssituation wird man anwaltlich begegnen, indem man beim Verschlimmerungsszenario den Einspruch gegen den Strafbefehl zurücknimmt und der ursprüngliche Strafbefehl dann automatisch wieder auflebt.

Die Rücknahme des Einspruchs steht zwar unter der Zustimmung der Staatsanwaltschaft bzw. Amtsanwaltschaft, welche sich dem aber in aller Regel nicht sperren dürfte.

Ausnahmsweise vorteilhaft kann ein Strafbefehl sein, wenn Personen von öffentlichem Interesse oder Geschäftsleute oder sonstige Prominente aus Politik und Wirtschaft von einer Anwaltskanzlei im Strafrecht vertreten werden.

Denn solchen Mandaten könnten in regulärer, öffentlicher Hauptverhandlung nach Anklage medial gecovert werden und in aller Regel durch negative Berichterstattung einen Reputationsschaden in der Öffentlichkeit erleiden.

Dies kann und wird durch den Rechtsanwalt durch Anregung zur Umstellung ins Strafbefehlsverfahren vermieden werden, vorausgesetzt, die in etwa vorher ausgeloteten Rechtsfolgen sind im Rahmen des Vertretbaren.

Dann nämlich ließe man den Strafbefehl in Rechtskraft ergehen, hätte zwar eine Verurteilung erlitten, nicht aber eine öffentliche Hauptverhandlung mit Journalisten und Pressevertretern erdulden müssen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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