Einer lügt; die Frage ist wer - Die Verteidigung bei Aussage gegen Aussage
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Die Konstellation Aussage gegen Aussage ist bei bestimmten Delikten/Straftaten eher der Normalfall als die Ausnahme. Im Kern bedeutet dies, dass es keine anderen Beweismittel als die Aussage eines Zeugen - meistens das vermeintliche oder tatsächliche Opfer – gibt.
Bei Sexualdelikten aller Art kommt dies sehr häufig vor. Ob in dieser Situation der Beschuldigte/Angeklagte schweigen sollte oder nicht, muss
mit einem erfahrenen Verteidiger besprochen werden. Es gibt u.a. die Möglichkeit einer schriftlichen Einlassung oder einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung; an einer Vernehmung sollte dann aber der Verteidiger unbedingt teilnehmen.
Aussage gegen Aussage heißt dann aber nicht automatisch, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wird oder ein Freispruch erfolgt. Die Staatsanwaltschaft wie auch das spätere Gericht müssen dann die Aussagen bewerten und gewichten. Nach der Rechtsprechung des BGH gehört hierzu u.a. eine Inhaltsanalyse der Angaben, die Prüfung der Entstehung der Aussage, die Bewertung einer Aussagemotivation und die Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben.
Nach dem Gesetz ist das Gericht hierbei in der Bewertung frei. Das Gericht muss aber entsprechend der BGH-Rechtsprechung seine Bewertung sehr genau darstellen und begründen.
Der Verteidiger wird im Vorfeld und im Prozess insbesondere auf die Schwachstellen der einen belastenden Zeugenaussage (u.a. Widersprüche, Belastungseifer, fehlende Konstanz) hinweisen. Im Prozess wird der Verteidiger dann durch eine harte, konfrontative Befragung des Zeugen versuchen, diesen in Widersprüche zu verwickeln.
Da die Folgen solcher Verfahren und Urteile häufig sehr erheblich sind, muss eine möglichst umfangreiche Vorbereitung in allen Verfahrensabschnitten erfolgen.
Ulli H. Boldt
Fachanwalt für Strafrecht
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