Einspruch gegen Vollstreckungsbescheid: Überblick und Tipps

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Das gerichtliche Mahnverfahren mit Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid ist aus der Sicht der Gläubigerpartei einfach, kostengünstig und schnell – jedenfalls, solange die Schuldnerpartei nicht rechtzeitig reagiert. Hat das Mahngericht den Vollstreckungsbescheid erlassen und ist dieser der Schuldnerpartei zugestellt worden, kann die Gläubigerpartei hieraus die Zwangsvollstreckung betreiben. Die nachfolgenden FAQ geben einen ersten Überblick mit Tipps für die Praxis, wie Sie sich als Schuldnerpartei doch noch gegen unberechtigte Zahlungsansprüche verteidigen können.

Zweistufiges Mahnverfahren: Mahnbescheid – Vollstreckungsbescheid

Erlässt das Mahngericht gegen Sie auf Antrag Ihrer Gegnerpartei einen Mahnbescheid, können Sie hiergegen innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung Widerspruch einlegen. Legen Sie keinen Widerspruch ein, erlässt das Mahngericht auf weiteren Antrag Ihrer Gegnerpartei den Vollstreckungsbescheid.

Was ist ein Vollstreckungsbescheid?

Ein Vollstreckungsbescheid ist ein eigenständiger Vollstreckungstitel. Er ist gemäß § 700 Abs. 1 ZPO vorläufig vollstreckbar. Die Gläubigerpartei kann aus dem Vollstreckungsbescheid unmittelbar die Zwangsvollstreckung betreiben, also beispielsweise den Gerichtsvollzieher beauftragen oder Ihr Bankkonto pfänden.

Wann erlässt das Mahngericht den Vollstreckungsbescheid?

Vor dem Vollstreckungsbescheid erlässt das Mahngericht immer zuerst einen Mahnbescheid.

Der Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheides kann nicht vor Ablauf der Widerspruchsfrist gestellt werden. Im Antrag muss die Gläubigerpartei außerdem angeben, ob und welche Zahlungen auf den Mahnbescheid geleistet worden sind; vgl. § 699 Abs. 1 S. 1, S. 2 ZPO).

Wie wird der Vollstreckungsbescheid zugestellt?

Der Vollstreckungsbescheid wird der Schuldnerpartei regelmäßig von Amts wegen zugestellt. Der Antragsteller kann aber auch die Übermittlung an sich selbst beantragen, um die Zustellung im Parteibetrieb zu veranlassen.

Achtung: "Zustellung von Amts wegen" bedeutet nicht "Einschreiben" und auch nicht "persönliche Übergabe". Stattdessen erfolgt die Zustellung mittels "Postzustellungsurkunde" in einem charakteristischen gelben Briefumschlag. Der Briefträger notiert auf dem gelben Briefumschlag das Datum der Zustellung und wirft die Sendung in Ihren Briefkasten – fertig.

Was kann ich gegen den Vollstreckungsbescheid tun?

Gegen einen Vollstreckungsbescheid ist noch der Einspruch möglich.

Der Einspruch ist Ihre letzte Möglichkeit, gegen die mittels Vollstreckungsbescheid gegen Sie titulierte Forderung vorzugehen!

Legen Sie keinen Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein, so wird dieser rechtskräftig. Er kann dann – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht mehr angefochten werden. Ihre Gegnerpartei kann hieraus mindestens 30 Jahre lang die Zwangsvollstreckung gegen Sie betreiben, wenn es Ihnen nicht gelingt, den Vollstreckungsbescheid durch den Einspruch und das nachfolgende streitige Verfahren wieder aufheben zu lassen.

Wie lange läuft die Einspruchsfrist gegen den Vollstreckungsbescheid?

Der Einspruch muss innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Vollstreckungsbescheids eingelegt werden; § 700 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit §§ 338, 339 ZPO. Es handelt sich um eine sogenannte gesetzliche "Notfrist": Eine Fristverlängerung ist nicht möglich.

Achtung auch hier: Maßgeblich für den Fristbeginn ist das Zustellungsdatum auf dem Briefumschlag, wenn Ihnen der Vollstreckungsbescheid mittels Postzustellungsurkunde durch die Post zugestellt worden ist. Es kommt also nicht darauf an, wann Sie Ihren Briefkasten geleert haben.

Hat Ihnen stattdessen der Gerichtsvollzieher den Vollstreckungsbescheid zugestellt, enthalten dessen Zustellungsunterlagen das entscheidende Datum.

Kann ich den Einspruch auch noch nach Ablauf der Frist einlegen?

Grundsätzlich nein. 

Nur in wenigen Ausnahmefällen ist ein Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid auch nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist möglich. Dazu müssen Sie bei Gericht einen "Antrag auf Wiedereinsetzung" stellen. Dabei müssen Sie begründen, warum Sie schuldlos daran gehindert waren, gegen den Vollstreckungsbescheid rechtzeitig Einspruch einzulegen.

Warum muss ich mich um all diesen Papierkram kümmern?

Das Mahngericht prüft vor Erlass des Mahnbescheides nicht, ob der von Ihrer Gegnerpartei geltend gemachte Anspruch tatsächlich besteht: Es prüft nicht, ob Ihrer Gegnerpartei mit Ihnen überhaupt einen Vertrag geschlossen hat, ob dieser Vertrag vielleicht sittenwidrig ist oder ob Sie Ihre Zahlungsverpflichtungen möglicherweise bereits erfüllt haben. Vor dem Erlass des Vollstreckungsbescheides überprüft das Mahngericht nur, ob und ggf. welche Angaben Ihre Gegnerpartei im Antrag zu Zahlungen auf den Mahnbescheid gemacht hat.

Kann ich den Einspruch auf bestimmte Teile beschränken?

Der Einspruch muss nicht den gesamten Vollstreckungsbescheid erfassen. Er kann auch auf einen Teil der Forderung beschränkt werden. Wollen Sie den Vollstreckungsbescheid nur zum Teil anfechten, so müssen Sie so genau wie möglich angeben, gegen welche Teile der Forderung sich Ihr Einspruch richtet.

Wo muss der Einspruch eingelegt werden?

Der Einspruch muss bei dem Mahngericht eingelegt werden, das den Vollstreckungsbescheid erlassen hat.

In welcher Form muss der Einspruch eingelegt werden?

Der Einspruch muss schriftlich eingelegt werden.

Derzeit ist für den Einspruch kein bestimmtes Formular vorgeschrieben. Damit das Mahngericht erkennt, dass es sich um einen Einspruch handelt und gegen welchen Vollstreckungsbescheid sich dieser richtet, muss das Schreiben präzise Angaben enthalten: Unerlässlich ist es, die Geschäftsnummer (das Aktenzeichen) des Mahngerichts anzugeben, die sich auch auf dem Vollstreckungsbescheid befindet. Außerdem muss die Erklärung enthalten sein, dass gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch eingelegt wird.

Kann Ich den Einspruch auch mittels einfacher E-Mail einlegen?

Nein!

Muss der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid begründet werden?

Der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid muss nicht begründet werden; vgl. §§ 340 Abs. 3, 700 Abs. 3 ZPO.

Was passiert nach dem Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid?

Wird Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt, gibt das Mahngericht das Verfahren an das im Mahnbescheid angegebene Prozessgericht ab. Die Angelegenheit geht in das streitige Gerichtsverfahren über.

Die Gläubigerpartei muss dem Prozessgericht dann eine schriftliche Anspruchsbegründung vorlegen. Diese Anspruchsbegründung entspricht der Klageschrift: Die Gläubigerpartei muss darstellen, warum sie von Ihnen welchen Geldbetrag fordert, und sie muss die erforderlichen Beweise anbieten.

Muss der Einspruch durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden?

Er muss nicht, aber er kann: Für den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid besteht noch kein Anwaltszwang; vgl. §§ 78 Abs. 3 Satz 2, 702 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Das gilt unabhängig von der Höhe der geltend gemachten Geldforderung. Sie können den Einspruch also auch ohne Rechtsanwalt einlegen – oder Sie beauftragen einen Rechtsanwalt damit, weil Sie sich die Arbeit ersparen möchten oder weil Sie sich bei den Fristen und Formalien unsicher sind, die einzuhalten sind.

Anwaltszwang besteht aber vor dem Landgericht: Gibt also das Mahngericht den Rechtsstreit nach dem Einspruch an ein Landgericht ab, müssen Sie sich dort anwaltlich vertreten lassen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, so früh wie möglich einen Anwalt einzuschalten, damit dieser möglichst viel Zeit hat, sich mit der gegen Sie geltend gemachten Forderung zu befassen und sich in Ihren Fall einzuarbeiten.

Kann ich mit dem Einspruch die Zwangsvollstreckung abwenden?

Ein Vollstreckungsbescheid ist zumindest vorläufig vollstreckbar. Der Einspruch alleine verhindert die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid noch nicht. Sofern die Gläubigerpartei bereits Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in die Wege geleitet hat, also z.B. einen Gerichtsvollzieher mit einer Pfändung beauftragt oder Ihr Girokonto mit einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gesperrt hat, oder solche Vollstreckungsmaßnahmen drohen, können Sie beim Prozessgericht einen gesonderten Antrag auf Vollstreckungsschutz stellen. Das Gericht entscheidet üblicherweise innerhalb weniger Tage über Ihren Vollstreckungsschutzantrag.

Was passiert, wenn ich keinen Vollstreckungsschutz beantrage?

Wenn Sie keinen Vollstreckungsschutz beantragen und nur Ihren Sieg im streitigen Verfahren abwarten, tragen Sie das finanzielle Risiko, dass Ihre Gegnerpartei in der Zwischenzeit in die Pleite rutscht: Sie stehen nach Ihrem Prozesserfolg mit einem Urteil in der Hand da, das den Zahlungsanspruch der Gegnerpartei zurückweist. Das Geld aber ist der Gegnerpartei durch die bis dorthin durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen längst zugeflossen. 

Nun hätten Sie von Rechts wegen einen Erstattungsanspruch – aber den können Sie möglicherweise nicht mehr durchsetzen, weil die Gegnerpartei das Geld längst ausgegeben hat (oder zwischenzeitlich Dritte gegen Ihre Gegnerpartei im Wege der Zwangsvollstreckung vorgegangen sind und sich das Geld geholt haben…) und die Gegnerpartei mittlerweile insolvent ist.

Kann ich den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zurücknehmen?

Der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid können Sie auch noch nach der Abgabe an das Prozessgericht und bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung im streitigen Verfahren zurücknehmen; §§ 346, 700 Abs. 3 Satz 2, 697 Abs. 4 ZPO.



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