Einstweiliger Rechtsschutz in der privaten Krankenversicherung

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Wichtigster Bestandteil Ihrer privaten Krankenversicherung ist die Krankheitskostenversicherung. Dadurch haben Sie nach Ihrem jeweiligen Tarif Anspruch auf Ersatz der Kosten für eine privatärztliche Behandlung oder einen Krankenhausaufenthalt. Allerdings: Die Versicherung muss zahlen, wenn die Heilbehandlung beim Arzt oder im Krankenhaus medizinisch notwendig war.

Heilbehandlung ist jede ärztliche Tätigkeit, die durch Krankheit verursacht worden ist und auf Heilung, Besserung oder Linderung einer Krankheit abzielt oder eine Verschlimmerung einer Krankheit verhindern soll (BGH VersR 1996, 1224; VersR 1987, 278; VersR 1978, 271, (272)). Auch ärztliche Untersuchungen sind Heilbehandlung, selbst wenn die Therapie noch einen Aufschub duldet oder die Untersuchung zu einer falschen, unvollständigen oder gar negativen Diagnose führt (BGH VersR 1978, 362, (364); OLG Hamm r + s 1990, 370; LG Aachen r + s 1998, 76).

Die medizinische Notwendigkeit der Behandlung bestimmt sich nach objektiven Kriterien (BGH NJW 1996, 3074). Medizinisch notwendige Heilbehandlung liegt vor, wenn es nach objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, die Behandlung als notwendig anzusehen (BGH VersR 1996, 1224; Egger, r + s 2006, 309; Prölss/Martin , VVG, 28. Aufl., § 192, Rdn. 61).

Zur Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit sind nur solche Kriterien heranzuziehen, die für die Eignung der Behandlung maßgeblich sind (LG Dortmund VersR 2007, 1401). Die Eignung der Heilbehandlung ist nach medizinischen – und nicht etwa nur nach wissenschaftlich allgemein anerkannten, also schulmedizinischen – Erkenntnissen, zu beurteilen (BGH VersR 1993, 957; Penteridis, Versicherung und Recht kompakt, S. 173, (175)).

Eine bestimmte Behandlungsmethode ist geeignet und vom Versicherer zu übernehmen, wenn ihr Erfolg vorhersehbar ist (BGH VersR 2005, 1673). Ob tatsächlich ein Heilerfolg eintritt, ist für die Prognose unerheblich.

Was aber ist, wenn der Erfolg der Behandlung nicht sicher vorhersehbar ist?

Bei schweren, lebensbedrohlichen oder unheilbaren Krankheiten reicht für die medizinische Notwendigkeit eine nicht nur ganz geringe Erfolgswahrscheinlichkeit, sofern sie auf einem medizinisch nachvollziehbaren Ansatz beruht, welche die prognostizierte Wirkweise der Behandlung auf das angestrebte Behandlungsziel erklären kann, diese Wirkweise also zumindest wahrscheinlich macht (BGH VersR 1996, 1224; Penteridis, a.a.O.).

Bei einer nicht lebensbedrohlichen Erkrankung reicht es, dass es sich um eine generell medizinisch anerkannte Behandlungsmethode handelt und eine Erfolgswahrscheinlichkeit von mehr als 15 % besteht. Dann ist vertretbar, diese Maßnahme als medizinisch notwendig anzusehen (BGH VersR 2005, 1673). Der Grad der ausreichenden Erfolgsprognose muss danach regelmäßig zwischen nicht ganz unwahrscheinlich und 15 % liegen (Penteridis, a.a.O.).

Steht also die Eignung der Behandlung, Ihre Krankheit zu heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest, ist der Versicherer (VR) grundsätzlich zur Kostenübernahme verpflichtet (BGH VersR 2006, 535).

Da es für die medizinische Notwendigkeit allein auf objektive Kriterien und nicht auf die Meinung des verordnenden Arztes ankommt, ist im Zivil-Prozess immer ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Immer wieder kommt es zum Streit, weil der VR die Leistungen für einen Krankenhausaufenthalt mit der Begründung ablehnt, die stationäre Behandlung sei in einer sogenannten gemischten Anstalt durchgeführt worden. Bei einer medizinisch notwendigen stationären Heilbehandlung in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen, werden Leistungen nach den Versicherungsbedingungen nur bezahlt, wenn der VR Ihnen dies auf Ihren Antrag hin vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat.

Maßgeblich für diesen Ausschluss der Leistungspflicht ist die tatsächliche Ausgestaltung der Klinik, so wie es sich aus deren Leistungsangebot ergibt (OLG Koblenz VersR 2008, 108; Prölss/Martin, VVG, § 4 MB/KK, Rdn. 53). Die Erteilung der vorherigen Zustimmung des Versicherers zu einer Behandlung in einer gemischten Anstalt ist eine Ausnahme, die allein im Ermessen des Versicherers liegt (BGH VersR 2003, 360).

Wichtig ist: Eine eventuelle Zusage ist nur dann wirksam, wenn sie Ihnen vor Beginn des stationären Aufenthaltes schriftlich erteilt worden ist. Sie haben keinen Anspruch auf eine solche Zustimmung (OLG Koblenz MedR 2005, 351).

Hat der VR seine Zustimmung verweigert, aber zugesagt, auf der Grundlage eines Entlassungsberichtes die Kostenübernahme noch einmal zu prüfen, liegt hierin keine Zusage für den Fall, dass der Entlassungsbericht eine medizinisch notwendige Heilbehandlung belegt (OLG Frankfurt VersR 2001, 972).

Lassen Sie sich in einer gemischten Anstalt ohne Zustimmung Ihres Versicherers behandeln, besteht auch dann kein Versicherungsschutz, wenn Sie anschließend nachweisen, überhaupt gar keine Kurleistungen in Anspruch genommen zu haben (OLG Frankfurt VersR 2002, 601; OLG Frankfurt r + s 2007, 68). Eine Ausnahme besteht dann, wenn sich der Patient aufgrund einer bestimmten Erkrankung nur in dieser konkreten Klinik behandeln lassen konnte (KG Berlin r + s 2004, 244). Der Behandlungszweck muss sich also ausnahmsweise nur in dieser betreffenden Anstalt erreichen lassen (BGH VersR 1982, 285; LG Paderborn VersR 1998, 446).

Da es sich um einen Risikoausschluss zu Lasten des Patienten handelt, trägt der Versicherer die Beweislast für die Frage, ob tatsächlich eine gemischte Anstalt vorliegt (OLG Karlsruhe VersR 2006, 1203; OLG Hamm r + s 1994, 229; Prölss/Martin, VVG, § 4 MB/KK, Rdn. 78). Beruft sich der Patient auf eine vorherige Zusage, muss er dies vor Gericht beweisen.

Zahlreiche Probleme bereitet auch die Krankentagegeldversicherung, die Sie bei einer langwierigen Krankheit als Lohnersatz vor dem finanziellen Ruin retten soll. Bei der Krankentagegeldversicherung kann der VR bei Eintritt von Berufsunfähigkeit nach § 15 b) MB/KT seine Leistungen einstellen. Sie müssen den Eintritt und die Fortdauer Ihrer Arbeitsunfähigkeit i.S.v. § 1 Abs. 3 MB/KT nachweisen. Ihre Arbeitsfähigkeit muss vollständig entfallen sein, Sie müssen also zu 100 % arbeitsunfähig sein. Es reicht somit nicht aus, wenn Ihre Arbeitsfähigkeit bloß eingeschränkt ist. Die Zahlung von Krankentagegeld setzt weiter voraus, dass Sie weder Ihren Beruf noch einer anderen Erwerbstätigkeit nachgehen. Wenn der Versicherte (VN) beweist, dass er vollständig arbeitsunfähig ist, kann der VR behaupten, der Kranke sei nicht nur arbeitsunfähig, sondern sogar berufsunfähig. Er stellt dann die Zahlungen des Krankentagegeldes ein.

Berufsunfähigkeit liegt nach § 15 b) Satz 2 MB/KT vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. 50%ige Erwerbsunfähigkeit bedeutet, dass die berufliche Belastbarkeit auf höchstens 50% gesunken sein muss. Maßgebend ist, ob der übliche Arbeitsanfall zumindest zu 50% bewältigt werden kann (OLG Düsseldorf r + S 1997, 299). Die Berufsunfähigkeit setzt die Prognose voraus, dass der arbeitsunfähige VN auf nicht absehbare Zeit (zumindest 50%) in dem ausgeübten Beruf erwerbsunfähig bleiben wird. Diese Berufsunfähigkeit ist vom Versicherer zu beweisen (OLG Hamm VersR 1997, 1007).

Wann eine Erwerbsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit besteht, erfordert somit eine Prognose. Ist der Zustand nicht mehr zu verändern (also irreversibel), besteht er also ein Leben lang, bereitet das Merkmal keine Probleme. Andererseits fragt sich, ab wann bei einem nur vorübergehenden Zustand ein Ende der Erwerbsunfähigkeit nicht mehr absehbar ist. Teilweise wird auf einen Zeitraum von drei Jahren abgestellt. Dem ist der BGH in einer neueren Entscheidung entgegen getreten. Ein bestimmter Zeitraum, für den die Prognose zu stellen ist, im Sinne einer festen zeitlichen Grenze – etwa von drei Jahren –, lasse sich dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Versicherungsbedingungen nicht entnehmen (BGH, Urteil vom 30.06.2010, IV ZR 163/09; Marlow, Versicherung und Recht kompakt 2011, 96, (98)).

Nach dem BGH-Urteil ist die erforderliche Prognose im Einzelfall zu stellen. Sie ist abhängig von individuellen Umständen, wie dem Alter des Versicherten, der Art und Schwere seiner Erkrankung sowie den Anforderungen der von ihm zuletzt ausgeübten Tätigkeit (BGH, a.a.O., Marlow, a.a.O.). Der bisher zuletzt ausgeübte Beruf ist die zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit.

Weigert sich Ihr Versicherer, entweder Kosten für eine medizinische Behandlung zu übernehmen oder aber Ihnen Krankentagegeld zu zahlen, müssen Sie in beiden Fällen Klage beim zuständigen Gericht einreichen. Da die Prozesse regelmäßig durch ein Sachverständigengutachten entschieden werden, was mit einer Verfahrensdauer von mindestens einem Jahr verbunden ist, kommen Sie häufig in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten: Einerseits sind Sie nicht in der Lage, die Krankenhausaufenthalte oder ärztlichen Behandlungen zu bezahlen. Andererseits fehlt Ihnen das Krankentagegeld, mit dem Sie Einkommensverluste wegen Ihrer Arbeitsunfähigkeit ausgleichen müssen. Sie haben deshalb die Möglichkeit, im Rahmen einer einstweiligen Verfügung kurzfristig Klarheit und Geld zu erhalten, um eine medizinische Maßnahme zu finanzieren.

Dieses Eilverfahren ist aber nur unter ganz speziellen Voraussetzungen möglich: Der VN muss auf die sofortige Erfüllung angewiesen sein. Die medizinische Behandlung muss so kurzfristig durchgeführt werden, dass dem VN das Abwarten im Hauptsacheverfahren nicht mehr möglich erscheint. Darüber hinaus müssen dem VN irreparable Schäden drohen. Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass dem VN ohne die einstweilige Verfügung eine existenzielle Notlage drohen muss (OLG Köln r + s 2007, 463). Weiterhin wird gefordert, dass der VN mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit rechnen kann, im Hauptsacheverfahren zu gewinnen (OLG Koblenz VersR 2008, 1638).

Um erfolgreich zu sein, müssen Sie Folgendes beachten: Sie müssen mit ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten die medizinische Notwendigkeit Ihrer beabsichtigten Heilbehandlung glaubhaft machen. Darüber hinaus muss die Heilbehandlung unaufschiebbar, also eilbedürftig sein. Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass Sie in der Hauptsache gewinnen werden. Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen darf zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nicht gefordert werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sieht die Rechtsprechung nach Treu und Glauben auch darüber hinweg (§ 242 BGB), dass in der Krankheitskostenversicherung ein Anspruch nach § 1 Abs. 2 MB/KK nicht vor Bezahlung von Ärzten, Apotheken und Krankenhäusern entsteht und erst nach Prüfung durch den Versicherer fällig wird (OLG Hamm VersR 2006, 826 (Spuhl, Versicherung und Recht kompakt, 2009, 166)).


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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