Elektronisches Fußhebersystem (L300 go, Ness L300 Plus, WalkAide) ist Kassenleistung - Hilfsmittel

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Gesetzlich Krankenversicherte, die unter einer Gehstörung leiden, haben einen Anspruch auf Kostenübernahme eines elektronischen Fußhebersystems gegenüber ihrer Krankenkasse.

  • LSG Baden-Württemberg Urteil vom 15.06.2018, L 4 KR 531/17 sowie Urteil vom 19.6.2018, L 11 KR 1996/17
  • LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.06.2018, L 5 KR 183/17
  • LSG München, Urteil vom 23.10.2017, L 4 KR 349/17
  • Hessisches LSG, Beschluss vom 13.05.19, L 1 KR 262/18

Die Landessozialgerichte haben unlängst entschieden, dass ein Versicherter, der unter den Folgen der Multiplen Sklerose leidet und dadurch in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt ist, einen Anspruch auf Kostenübernahme eines elektronischen Fußhebersystems (Myoorthese) gegenüber seiner Krankenkasse hat.

Hilfsmittelversorgung

Patientinnen und Patienten in den gesetzlichen Krankenkassen benötigen oftmals sogenannte Hilfsmittel, die den Alltag erleichtern oder die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft überhaupt erst ermöglichen, wie z. B. Rollstühle, Hörgeräte, Prothesen oder Orthesen.

Nach § 33 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.

Elektronisches Fußhebersystem

Ein elektronisches Fußhebersystem wird mit einer Manschette oben an der Wade angebracht. Eine Software analysiert die Bewegungsabläufe und auch die Beschaffenheit des Bodens. Daraus berechnet es elektrische Impulse, die drahtlos an den Fußheber-Muskel im vorderen Schienbein gesendet werden. Mittels funktionaler Elektrostimulation (FES) können elektronisch gesteuerte Fußhebersysteme eine verloren gegangene Funktion ersetzen und das Anheben des Fußes wieder ermöglichen und so dem Anwender so zu einem natürlichen Gehen verhelfen unter Verringerung der Stolper- und Sturzgefahr. Nach Herstellerangaben eignet sich das Gerät auch bei anderen Nervenstörungen, etwa nach einem Schlaganfall oder bei Verletzungen des Rückenmarks.

Positive Entscheidungen zum Ness L300 Fußhebersystem

  • LSG Baden-Württemberg Urteil vom 15.06.2018, L 4 KR 531/17 und Urteil vom 19.06.2018, L 11 KR 1996/17
  • LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.06.2018, L 5 KR 183/17

Positive Entscheidung zum WalkAide Fußhebersystem

  • LSG München, Urteil vom 23.10.2017, L 4 KR 349/17
  • Hessisches LSG, Beschluss vom 13.05.19, L 1 KR 262/18

Die Landessozialgerichte haben nun klargestellt, dass solche Geräte nicht der eigentlichen Krankenbehandlung dienen, sondern als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich eingesetzt werden, mit dem Ziel, die verloren gegangene Gehfunktion wiederherzustellen und damit die Gehfähigkeit und Mobilität insgesamt zu verbessern. Hierfür sei eine positive Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nicht erforderlich. Auch müssten sich hier Versicherte nicht auf kostengünstigere aber weniger wirksame Hilfsmittel verweisen lassen. Vielmehr bestehe ein Anspruch auf einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts.

Fazit

Die Entscheidungen der Landessozialgerichte sind zu begrüßen. Die Krankenkassen müssen somit ihren Versicherten, die unter einer Gehbehinderung bzw. Fußheberschwäche leiden, im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zum unmittelbaren Behinderungsausgleich ein elektronisches Fußhebersystem gewähren. Leider kommt es immer wieder vor, dass die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen wollen. Versicherte haben jedoch einen Anspruch auf eine Versorgung mit einem Hilfsmittel, um die vorhandene Behinderung auszugleichen. Dieser Anspruch kann gegen die Krankenkassen auch rechtlich durchgesetzt werden.

Ergänzung - Wie ging es weiter? - Bundessozialgericht

Im weiteren Verlauf hatte das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 20.12.2018 (B 3 KR 51/18 B) die Beschwerde der Krankenkasse gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg als unzulässig verworfen. Das LSG hatte – für das BSG bindend – festgestellt, dass primäre Zielsetzung des Hilfsmittels die Wiederherstellung der Mobilität zum Behinderungsausgleich ist. Einer Zulassung der Hilfsmittelversorgung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss der Krankenkassen bedarf es mithin nicht, wenn das Fußhebersystem primär zum Ausgleich der Behinderung eingesetzt wird. Auch hat das BSG mit Beschluss vom 16.01.19 (B 3 59/18 B) mit derselben Begründung eine zweite Beschwerde einer Krankenkasse als unzulässig verworfen.

Die Autorin ist in den medizinrechtlichen Bereichen der Hilfsmittelversorgungen bundesweit tätig.



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