Elterliche Sorge & Verfahrenskosten – Wahl des Kindergartens (Waldorf, Montessori, Wohnortnähe)

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Wer wählt den Kindergarten und ab wann ist ein Wechsel des Kindergartens regelmäßig unzumutbar? Wer trägt die Kosten eines solchen Verfahrens?

Das Oberlandesgericht Hamm hat eine wichtige Entscheidung zu der Frage getroffen, wem der beiden Eltern die Befugnis zur Bestimmung des Kindergartens zu übertragen ist und wann ein Wechsel des Kindergartens regelmäßig unzumutbar ist.

I. Sachverhalt

Das Kind N wurde 2014 geboren. Die Eltern waren bis Ende 2016 verheiratet und behielten die gemeinsame elterliche Sorge für N nach der Trennung bei, wobei N überwiegend bei der Mutter lebt und der Vater mit N aufgrund einer Umgangsregelung am Wochenende Umgang hat. 

Die Mutter möchte N in einem Waldorfkindergarten anmelden, welcher in der Nähe ihrer Arbeitsstelle liegt. Die Waldorfpädagogik entspräche der zurückhaltenden Persönlichkeit von N und die biologisch-dynamische Nahrung käme der empfindlichen Haut von N zugute. Die Öffnungszeiten der Waldorf-Kita von 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr lassen sich mit ihrer Arbeitsstelle gut vereinbaren. Außerdem könne sie die Kita jederzeit schnell erreichen, wenn es nötig sein sollte.

Der Vater lehnt die Waldorfpädagogik mit umfassender Begründung ab. N würde in der Kita Freundschaften schließen, weshalb sich später der Besuch einer Waldofschule anschließen würde. Er befürwortet eine wohnortnahe Kita. Bei dieser handelt es sich um eine Kita mit Montessori-Ausrichtung. Dort habe er bereits einen Platz reserviert.

Das Jugendamt konnte zwischen den Eltern nicht vermitteln, sodass die Mutter einen gerichtlichen Antrag stellte, ihr die Befugnis zur Bestimmung des Kindergartens für N allein zu übertragen.

Das Amtsgericht hat der Mutter die alleinige Entscheidungsbefugnis über den Kindergarten übertragen und dem Vater die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Gericht meinte, da N bei der Mutter lebt, müsse diese ihren Alltag mit dem Kindergartenbesuch in Einklang bringen. Der Vater hätte gleich zustimmen können, was er nicht getan hat. Er hat deshalb die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Hiergegen wendet sich der Vater mit seiner Beschwerde. N besucht seit Sommer 2017 den Waldorf-Kindergarten. Es hat sich im weiteren Verlauf herausgestellt, dass die Kita nur bis 14.00 Uhr geöffnet ist, weshalb eine Abänderung der Umgangsregelung nötig ist. Die Mutter hatte die Öffnungszeiten unrichtig angegeben.

II. Wie hat das Gericht entschieden?

In der zweiten Instanz kam das Oberlandesgericht Hamm zu dem Ergebnis, dass die Entscheidungsbefugnis für die Wahl des Kindergartens bei der Mutter zu belassen ist. 

„Der Mutter ist die Entscheidungsbefugnis über die Kindergartenauswahl aufgrund der inzwischen eingetretenen tatsächlichen Gegebenheiten zu übertragen. N besucht den Waldorf-Kindergarten seit dem Sommer 2017 und hat sich dort eingelebt. Dass ein Wechsel des Kindergartens (und der zugrunde liegenden Pädagogik) sinnvoll ist, erschließt sich nicht ohne Weiteres und wird auch vom Vater nicht thematisiert. Nach den Schilderungen der Beteiligten reagiert N zunehmend empfindlich auf den Streit der Eltern. Damit sollte ihm vermehrt Stabilität vermittelt werden und ihm gerade kein Wechsel des Kindergartens zugemutet werden.“

Dem Senat ist dabei bewusst gewesen, dass ein Kindergarten in Wohnortnähe zur Mutter grundsätzlich zu bevorzugen ist. Insgesamt, so betont der Senat, sei der Vater hier zwar grundsätzlich besser geeignet, eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu treffen, da der Kindergarten, den er vorschlägt, die Fahrwege für das Kind kurz hält und auch die schon bestehende Umgangsregelung ohne Weiteres hätte beibehalten werden können, was weitere Konflikte für die Eltern vermeidet. Trotzdem hat der Senat die Entscheidungsbefugnis auf die Mutter übertragen, weil das Kind den Kindergarten bereits seit Monaten besucht. Dass die Mutter unwahr oder zumindest unvollständige Behauptungen hinsichtlich der Öffnungszeiten der Kita aufgestellt hat, um das von ihr gewünschte Ergebnis zu erreichen, ändert daran nichts. Alleiniger Maßstab ist das Kindeswohl, weshalb hier eine Bestrafung der Mutter nicht möglich ist.

Allerdings sei die Kostenentscheidung der ersten Instanz zu korrigieren und der Streitwert ist herabzusetzen. 

„Die hälftige Kostentragung durch die Eltern ist in Sorgerechtsangelegenheiten der Regelfall; Gründe, um vom Regelfall abzuweichen, sind weder dargetan, noch erkennbar.“

Fazit

In einer solchen Situation ist Eile geboten. Wenn sich die Situation verfestigt hat, dann wird diese grundsätzlich beibehalten, wenn dies mit dem Kindeswohl vereinbar ist. Außerdem ist eine durchgehende kindeszentrierte Argumentation unerlässlich. Auch das taktische Vorgehen muss dem Ergebnis angepasst werden, welches von Ihnen favorisiert wird.

OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.2018, II-4 UF 154/17

Vorinstanz:

Amtsgericht Siegen, Beschluss 03.08.2017, 15 F 692/17

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RA'in Sterrer


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