Entscheidungen aus dem Wohnungseigentumsrecht

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Auslegung von Gemeinschaftsordnung geht Anpassung vor

Der BGH beschäftigte sich mit der Frage, wie eine in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Kostenbefreiung der Eigentümerin einer Teileigentumseinheit, die als Raum für Sauna/Solarium/Fitness zur Verfügung gestellt wird, mit späterem Nutzungsentzug für die Gemeinschaft auszulegen ist.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war eine Teilungserklärung, wonach die Teileigentumseinheit Nr. 13 den weiteren Miteigentümern zur Nutzung von Sauna/Solarium/Fitness zur Verfügung gestellt wurde. Gleichzeitig war die Eigentümerin der Teileigentumseinheit von den Kosten, wie Straßenreinigung, Schornsteinfeger, Versicherung, Hausmeister etc., befreit. Im Jahr 2009 wurde von den Eigentümern ein Beschluss gefasst, wonach die Teileigentumseinheit Nr. 13 ab dem Jahr 2010 entsprechend ihrer Fläche an den anfallenden Kosten zu beteiligen ist, nachdem eine Nutzung aufgrund der Kündigung des Nutzungsvertrags durch die weiteren Miteigentümer nicht mehr gestattet war. Die Wohnungseigentümer verlangten von der beklagten Eigentümerin der Teileigentumseinheit Nr. 13 die Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung, nach der sie künftig an den Kosten zu beteiligen ist.

Der BGH beschäftigte sich unter anderem mit einem Anspruch aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer abweichende Vereinbarungen oder Anpassungen einer Vereinbarung verlangen kann, soweit das Festhalten eine unbillige Härte darstellt.

Weiterhin ging der BGH auf die Regelung des § 16 Abs. 3 WEG ein. Im Ergebnis lehnte er eine Auferlegung der Kosten über § 16 Abs. 3 WEG ab, wenn ein Eigentümer erstmalig mit bisher befreiten Kosten belastet werde. Diese Regelung beziehe sich nach Ansicht des BGH nur auf eine Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels, nicht hingegen auf eine erstmalige Leistungsverpflichtung.

Ein Anspruch aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG sei ebenfalls nicht gegeben, da eine solche verlangte Anpassung gegenüber einer Auslegung zurücktreten müsse. Nach einer Auslegung der Teilungserklärung der Wohnungseigentümer stehe fest, dass eine Befreiung der Kostentragung nur für den Fall vorgesehen sei, dass die Teileigentumseinheit Nr. 13 mit der Sauna/Solarium/Fitness-Möglichkeit allen Eigentümern zu deren Nutzung zur Verfügung stehe. Eine generelle Freistellung von den Kosten unabhängig von der Nutzbarkeit des Teileigentums ginge aus der Teilungserklärung nicht hervor, sodass es im vorliegenden Fall aufgrund der Auslegung keiner Anpassung der Teilungserklärung bedurfte.

BGH, Versäumnisurteil vom 13.05.2015, V ZR 152/15

Sondereigentumsfähigkeit eines offenen Innenhofs

In seiner Entscheidung vom 05.01.2016 hatte sich das OLG Hamm mit der Frage zu beschäftigen, wann ein nicht überdachter, offener Innenhof sondereigentumsfähig ist.

Dabei war die Frage der Abgeschlossenheit und der Raumeigenschaft zu klären. Dem zugrunde lag ein Rechtsstreit des Beteiligten zu 1 als Eigentümer eines Grundbesitzes. Dies wurde durch Teilungserklärung in Miteigentumsanteile gemäß § 8 WEG aufgeteilt.

Der Eigentümer wollte zwei Wohnungs- und Teileigentumsanteile bilden. Der Teilungsplan sah den im Erdgeschoss gelegenen offenen Innenhof als zum Sondereigentum Nr. 1 gehörig. In einer Zwischenverfügung hatte das Grundbuchamt die fehlende Abgeschlossenheit des Innenhofs beanstandet.

Das OLG entschied im Beschwerdeverfahren, das das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis der fehlenden Sondereigentumsfähigkeit nicht bestehe.

Nach § 3 Abs. 1 WEG kann Sondereigentum an Wohnungen oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem Gebäude, nicht dagegen an Grundstücksflächen begründet werden. Das Gericht stellte heraus, dass die Frage der Abgeschlossenheit und der Räumlichkeit zwei sich nicht deckende Begrifflichkeiten seien. Die Abgeschlossenheit ergebe sich dadurch, dass der Innenhof nicht von außen hin begehbar, sondern nur über das Sondereigentum zu erreichen ist.

Die Frage, ob hier ein Raum im Sinne der Definition gegeben sei, verneinte das OLG zwar, es stellte jedoch heraus, dass dies nichts an der Sondereigentumsfähigkeit ändere. Nach Ansicht des Gerichts erscheine es erforderlich und angemessen, in dem Fall, in dem ein Innenhof nur durch ein Sondereigentum erreichbar sei, diesen ebenfalls als sondereigentumsfähig einzustufen.

Die dem Sondereigentum innewohnende Eigenschaft, den Schutz der Privatsphäre und einem dem Alleineigentum ähnelnden Zustand zu gewähren, sei in diesem Fall bei dem zwar nach oben hin offenen, aber dennoch abgeschlossenen Innenhof zu bejahen.

Das Gericht stellte jedoch heraus, dass eine generelle Sondereigentumsfähigkeit von Innenhöfen nicht ausgesprochen werden könne. Eine rechtliche und tatsächliche Notwendigkeit gebe es hierfür nicht.

OLG Hamm, Beschluss vom 05.01.2016, 15 W 398/15

Zustellung „demnächst“ zur Einhaltung der Anfechtungsfrist nach § 46 I 2 WEG

Der Entscheidung des BGH vom 25.09.2015 liegt die bereits bekannte prozessuale Frage der Voraussetzungen des § 167 ZPO, einer Zustellung „demnächst“, zugrunde. Gegenstand des Verfahrens war eine eingereichte Anfechtungsklage gegen einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft, bei der lediglich der Mehrheitswohnungseigentümer anwesend war, der gleichzeitig Verwalter ist.

Die gegen die gefassten Beschlüsse am 14.09.2011 eingereichte Anfechtungsklage wurde am 15.11.2011 an die Beklagte zugestellt. Nachdem die Kläger bis zum 10.10.2011 keinen Gerichtskostenvorschuss vorliegen hatten, erkundigten Sie sich selbst beim Gericht. Am 25.10.2011 wurde eine neue Vorschussrechnung erstellt und direkt an die Kläger versandt.

Diese Gerichtskosten wurden am 04.11.2011 eingezahlt, sodass die Klage am 15.11.2011 an die Beklagte zugestellt wurde. Das Gericht erachtete die Anfechtungsklage als rechtzeitig eingereicht. Dabei war zunächst die Frage zu klären, wann eine Untätigkeit nach Einreichung der Klage dazu führe, dass eine eingehaltene Klagefrist als Verstrichen anzusehen ist. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, dass ein Zeitraum von drei Wochen seit Einreichung der Klage noch als angemessen erscheine. Ein Zuwarten in Rahmen einer solchen Frist sei deshalb für die Zustellungsverzögerung unerheblich.

Das auf den am 25.10.2011 erstellten Kostenvorschuss erst am 04.11.2011 gezahlt wurde, führt ebenfalls nicht dazu, dass nicht mehr von einer Zustellung „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO ausgegangen werden kann. In diesem Zusammenhang wird vertreten, dass bei einer Zustellungsverzögerung von 14 Tagen noch von einer Zustellung „demnächst“ ausgegangen werden kann.

Im Ergebnis war die erhobene Anfechtungsklage noch im Rahmen der Klagefrist nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG erhoben worden.

BGH, Versäumnisurteil vom 25.09.2015, V ZR 203/14

Qualifizierte Protokollierung eines Wohnungseigentümerbeschlusses

In derselben Entscheidung vom 25.09.2015 musste sich der BGH mit der Frage einer qualifizierten Protokollierung zu einem Eigentümerbeschluss in der Teilungserklärung auseinandersetzen. Diese sah vor, dass für die Gültigkeit von Beschlüssen neben der Unterschrift des Verwalters zwei weitere von der Eigentümerversammlung bestimmt Wohnungseigentümer diese zu unterzeichnen haben. In der zugrunde liegenden Versammlung war nur der Mehrheitseigentümer und gleichzeitiger Verwalter anwesend. Die gefassten Beschlüsse unterzeichnete er selbst.

Mit der dagegen gerichteten Anfechtungsklage wandten die Wohnungseigentümer ein, die Beschlüsse seien deshalb ungültig, da es bereits an der Beschlussfähigkeit fehle. Weiterhin seien die Beschlüsse deshalb unwirksam, da neben dem Verwalter keine weiteren zwei Wohnungseigentümer die Beschlüsse unterzeichnet hätten. In der zugrunde liegenden Teilungserklärung ist neben der qualifizierten Protokollierung geregelt, dass für die Beschlussfähigkeit mindestens die Hälfte aller Wohnungseigentümer anwesend sein muss.

Der BGH erachtete die ergangenen Beschlüsse für wirksam. Dies begründete er damit, dass die Teilungserklärung eine Regelungslücke für den Fall aufweise, dass nur ein Wohnungseigentümer anwesend sei. Indem man die qualifizierte Protokollierung aufgenommen habe und deshalb neben dem Verwalter zwei weitere Eigentümer unterzeichnen müssten, habe man nicht bedacht, dass auch lediglich ein Mehrheitseigentümer zur Beschlussfähigkeit ausreiche. Würde man in dem Fall, in dem der Mehrheitseigentümer und gleichzeitiger Verwalter anwesend ist, zwei weitere Wohnungseigentümer fordern, würde dies der abschließenden Regelung zur Beschlussfähigkeit aus der Teilungserklärung entgegenstehen. Außerdem sei in § 24 Abs. 6 S. 2 WEG geregelt, dass eine alleinige Teilnahme des Verwalters an der Eigentümerversammlung möglich und damit auch die alleinige Unterschrift ausreichend sei.

Auch in diesem Fall nahm der BGH eine Auslegung der Teilungserklärung vor, um die bestehende Regelungslücke zu schließen.

BGH, Versäumnisurteil vom 25.09.2015, V ZR 203/14


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