Erbauseinanderetzung und Pflichtteilsrecht: Der Ausgleich unter Geschwistern und sonstigen Abkömmlingen

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Geschwister erben, wenn sie gesetzliche Erben sind (wenn also kein gültiges Testament vorhanden ist), zu gleichen Anteilen. Das Erbe bezieht sich allerdings nur auf den Nachlass und der Nachlass umfasst naturgemäß nicht diejenigen Geschenke, die die Eltern den Kindern zu Lebzeiten gemacht haben. Und zu Lebzeiten können Geschwister durchaus unterschiedlich behandelt worden sein.


Die Grundsituation: Zuwendungen der Eltern an die Kinder zu Lebzeiten


Es ist durchaus nicht so, dass Eltern ihre Kinder immer gleich behandeln:

Der eine bekommt die größeren Geschenke oder die teurere Ausbildung – und der andere muss sich mit weit weniger zufrieden geben oder geht gar leer aus. Derlei Ungleichgewichte lassen sich – unter bestimmten Voraussetzungen – im Erbfall korrigieren.


Die gesetzliche Regelung


Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Eltern ihre Kinder gleich behandeln oder gleich behandeln wollen.

Aus diesem Grund gibt es im Erbrecht eine Gleichbehandlungsvorschrift, die sowohl für gesetzliche Erben als auch für gewillkürte (testamentarische) Erben gilt (vorausgesetzt, ihre Erbanteile sind gleich hoch) ebenso wie für enterbte und pflichtteilsberechtigte Geschwister. Diese Regelung besagt:


  1. Diejenigen Mittel, die ein Abkömmling vom Erblasser / von der Erblasserin als „Ausstattung“ erhalten hat, sind immer ausgleichungspflichtig.

Eine „Ausstattung“ ist weit gefasst und umfasst all diejenigen (Sach- oder Geld-) Mittel, die allgemein zur Erlangung einer Lebensstellung zugewendet wurden: Seien es Geldmittel zum Erwerb einer Büro-, Praxis- oder Geschäftsausstattung oder auch Sachmittel, zum Beispiel zum Erwerb eines Grundstücks zwecks Familiengründung.


  1. Diejenigen Mittel, die ein Abkömmling vom Erblasser / von der Erblasserin als Einkommenszuschüsse oder auch zur Berufsausbildung erhalten hat, sind nur insoweit ausgleichungspflichtig, als sie im Übermaß gewährt wurden, das heißt insoweit, als sie die Vermögensverhältnisse des Erblassers / der Erblasserin überstiegen haben (Übermaßzuwendungen).


  1. Alle anderen Zuwendungen sind nur ausgleichungspflichtig, wenn der Erblasser/ die Erblasserin die Ausgleichung vor oder bei der Zuwendung angeordnet haben („Das musst du dir aber auf deinen Erbteil anrechnen lassen“).


Bei der Regelung handelt es sich allerdings nur um eine gesetzliche Vermutung dahingehend, dass Eltern Ihre Kinder gleichbehandelt wissen wollen. Wenn das nicht der Fall ist, können die Zuwendenden – vor oder bei der Zuwendung! - abweichende Anordnungen treffen, z.B. die Ausgleichungspflicht ganz oder teilweise und bedingt oder unbedingt ausschließen.


Die Durchführung der Ausgleichung


Die Durchführung der Ausgleichung erfolgt, wenn sie denn von dem einen oder anderen Geschwister verlangt wird, nach einem gesetzlich vorgegebenen Berechnungsschema. Die ausgleichungspflichtigen Zuwendungen sind auch bei der Berechnung des Pflichtteils(-ausgleichs) zu berücksichtigen.


Der Hauptstreitpunkt: Ausstattung oder sonstige Zuwendung?


Streitanfällig ist die Abgrenzung zwischen – immer ausgleichungspflichtigen – Zuwendungen als Ausstattung und – nur bei einer Anordnung ausgleichungspflichtigen – sonstigen Zuwendungen.


 In diesem Zusammenhang sind häufig Grundstücksübereignungen des Erblassers an einen Abkömmling zu Lebzeiten Grund für eine spätere Auseinandersetzung über eine Ausgleichung. Streitig ist dann regelmäßig, ob die Zuwendung zur Begründung einer Lebensstellung erfolgte.


Maßgeblich sind die Lebensumstände des Zuwendungsempfängers im Zeitpunkt der Zuwendung


Dies entscheid kürzlich das OLG Koblenz:


Die Erblasserin hatte ihrem Sohn vor vielen Jahren ein Mietshaus übertragen und ihn sodann testamentarisch zum Alleinerben bestimmt. Die Enkelkinder (Kinder ihrer vorverstorbenen Tochter) machten nun Pflichtteilsansprüche gegen den Sohn geltend und Pflichtteilsausgleichsansprüche wegen der Übertragung des Mietshauses. Vergeblich:


Der Sohn konnte belegen, dass er ebenso wie seine Frau sich schon vor der Übertragung in gesicherten Lebensstellungen befunden hatten. Durch eigene Verdienste waren beide, Sohn und Ehefrau, finanziell bestens abgesichert. Der vom Gesetz als „Ausstattung“ vorausgesetzte „Start ins Leben“ oder die „Sicherung einer Lebensstellung“ seien nicht gegeben gewesen. Die bloße Verbesserung der bereits vorhandenen, gut situierten Lebensstellung des Zuwendungsempfängers reiche nicht aus, um die Zuwendung als „Ausstattung“ und damit als ausgleichungspflichtig einzuordnen.

(OLG Koblenz, Urteil vom 24.04.2023, Az. 12 U 60/22, BeckRS 2023, 10968, NJW-Spezial 2023, 392).


Tipp:


Sind mehrere Abkömmlinge vorhanden, wird aber nur ein Abkömmling mit einer Zuwendung bedacht, sollte in einem Schenkungsvertrag genau festgelegt werden, wie die Zuwendung dereinst erbrechtlich zu behandeln sein wird. Eine Formulierung wie „die Zuwendung erfolgt zwecks vorweggenommener Erbfolge“ ist zu ungenau.

Festgelegt werden sollte, ob die Zuwendung unter Anrechnung auf den Erb- und/oder Pflichtteil erfolgt und ob unter den Abkömmlingen eine Ausgleichung erfolgen soll.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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