Erfolgreiches Vertragsmanagement im Unternehmen III – Legal English

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Again what learned – Die sprachlichen Stolpersteine der Vertragsgestaltung und wie man sie vermeidet

Rechtsfragen spielen in der täglichen Praxis vieler Unternehmensbereiche eine große Rolle. Sei es im Einkauf, Vertrieb oder auch in der Geschäftsführung, überall werden Verträge verhandelt und geschlossen. Infolge der hohen Verrechtlichung der Geschäftswelt ist es heutzutage sehr schwer, ohne fundierte Rechtskenntnis erfolgreiche und rechtlich belastbare Verträge abzuschließen. 

Doch kein Unternehmen möchte nach langwierigen Verhandlungen feststellen, dass der vereinbarte Vertrag im Zweifelsfall gar nicht wirksam ist. 

Dies rückt die Fragen in den Mittelpunkt: Wie schließe ich rechtssichere Verträge und vermeide dabei mögliche Fallstricke?

An dieser Stelle setzt mein Blog an.

Der rechtliche Werkzeugkoffer besteht vor allem und zu allererst aus einem: Sprache. 

Für einen Juristen ist es ein maßgeblicher Unterschied, ob eine Leistung „sofort“ oder „unverzüglich“ zu erbringen ist. Genauso würde ein Jurist niemals auf die Idee kommen, die Begriffe „Firma“ und „Unternehmen“ gleichzusetzen. 

Auch mit Blick auf den Kanon der vier juristischen Auslegungsmethoden ist die grammatikalische Auslegung eines Normtextest vorrangig zur systematischen, historischen oder teleologischen Auslegung heranzuziehen. Denn: Recht ist Sprache. 

Bei Cross-Border-Verträgen oder Sachverhalten sind sprachliche Herausforderungen jedoch naturgemäß vorprogrammiert. Die sich daraus ergebenden Besonderheiten bei der Gestaltung eines grenzüberschreitenden Vertrages werden daher im Folgenden näher betrachtet.

Ein Problem mit vielen Komponenten 

Es liegt in der grundlegenden Natur eines Vertrages, dass mindestens zwei Parteien mit unterschiedlichen Interessen aufeinandertreffen (z. B. möglichst wenig Leistung für möglichst viel Vergütung und andersherum). 

Diese Parteien versuchen im Zuge der Vertragsverhandlung, ihre unterschiedlichen Interessen zu einem gemeinsamen Ausgleich zu bringen. 

Beide Parteien haben in der Regel jedoch auch ein unterschiedliches Verständnis des jeweiligen Sachverhalts und seiner Hintergründe: Ein Ingenieur wird einen anderen Blickwinkel haben als ein Betriebswirt, Künstler, Pädagoge oder eben auch Jurist. 

Anders jedoch als im Fall der divergierenden kommerziellen Interessen von z. B. Käufer und Verkäufer ist dieses Auseinanderfallen der Blickwinkel den Beteiligten nur selten bewusst und wird daher selten bis nie in Einklang gebracht.

Diese unterschiedlichen Vorprägungen sind jedoch unabhängig von unterschiedlichen Nationalitäten zu sehen. Bei verschiedenen Nationalitäten der Vertragsparteien tritt vielmehr noch ein zusätzlicher erschwerender Faktor hinzu: unterschiedliche sprachliche Hintergründe. 

Dabei gibt es bereits genug Schwierigkeiten, wenn „nur“ zwei Sprachen involviert sind. Oft ist es allerdings so, dass keiner der Beteiligten Muttersprachler in der für den Vertragstext verwendeten Fremdsprache ist, sodass mit ganzen drei Sprachen hantiert wird und auf beiden Seiten Unsicherheiten herrschen, ob der Korrektheit der Formulierungen etc. vorliegen. 

Einziger Vorteil in diesem Fall ist, dass insofern zumindest eine sprachliche Waffengleichheit zwischen den Beteiligten herrscht.

Zyniker sagen in diesem Zusammenhang gerne, die meistgesprochene Sprache der Welt sei schlechtes Englisch. Juristenenglisch stellt in diesem Zusammenhang keine Ausnahme dar. 

Juristisch geprägte deutsche Vokabeln wie Verzug, Schaden, Mangel oder Verschulden müssen sich nicht zwangsläufig im Englischen wiederfinden. Da nicht nur die Sprache an sich, sondern auch das Rechtssystem als solches auseinanderdriftet, gibt es auf beiden Seiten Rechtsbegriffe ohne genaue systemkonforme Entsprechung, sodass diese nur unter Zuhilfenahme mühseliger Annäherungen und Beschreibungen genutzt werden können. 

Und Achtung: Auch die lateinischen Fachtermini werden hier abweichend verwendet. 

Sogar bei ein und demselben Begriff in beiden Sprachen, muss deren Bedeutung nicht identisch sein. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob nach der Auslegung des einen oder des anderen Landes oder Sprachraums verfahren wird. 

Beispielhaft genannt werden können die Begriffe „Höhere Gewalt“ und „Force Majeure“, deren Anwendungsbereich von Land zu Land weiter oder enger gefasst werden kann. 

Noch frappierender zeigt sich die Problematik am Begriff „best efforts“. Obwohl in beiden Fällen Englisch die gemeinsame Sprachbasis bildet, ist es in Großbritannien mehr oder weniger irrelevant, ob von „best efforts“ „efforts“ oder „reasonable efforts“ gesprochen wird, wohingegen diese Formulierung in manchen amerikanischen Staaten einen eklatanten Unterschied bedeuten kann. 

Tipps zur Vermeidung von sprachlichen Vertragsfallen

Eine perfekte Lösung wird in der Regel aufgrund der Vielfältigkeit der Problemkomponenten nicht zu finden sein. Denn doch eher selten ist ein technisch ausgebildeter IT-ler mit drei Muttersprachen, in denen er auch noch juristisch ausgebildet ist, anzutreffen. 

Wir versuchen uns dennoch an in der Praxis umsetzbaren Lösungsansätzen.

Das Problembewusstsein schärfen

Wir gratulieren! Den ersten Lösungsansatz haben Sie mit der Lektüre dieses Artikels bereits erfüllt, denn nur Diskrepanzen, derer man sich bewusst ist, können in der vertraglichen Gestaltung oder Risikobewertung überhaupt bedacht und eventuell abgemildert oder gelöst werden. Gleichzeitig sollte man sich bewusst sein, dass alle Vertragspartner vor demselben Problem stehen. 

Es ist also durchaus legitim eine Wortbedeutung nicht nur intern, sondern auch dem Vertragspartner gegenüber offen zu hinterfragen.

Inhalte trennen

Um die Problemfelder beherrschbarer zu machen, empfiehlt es sich, diese sprachlich sowie gestalterisch zu trennen. Eine Vermischung von Rücktrittsrechten und Zahlungsbedingungen in einer Klausel führt zur Unschärfe der Regelungen. Gleichzeitig wird der Vertrag unübersichtlich. 

Dies ist auch der Fall, wenn beispielsweise Kündigungsregelungen über den gesamten Vertragstext verstreut zu finden sind. Fehlerquellen lassen sich am leichtesten beherrschen, wenn sie deutlich zu lokalisieren sind. 

Deswegen ist es ratsam eine strukturelle Trennung im Vertragstext ein- und durchzuführen. Dabei sind in einem ersten Schritt z. B. juristische, technische und kommerzielle Inhalte zu trennen. In einem zweiten Schritt können dann die jeweiligen Gebiete weiter untergliedert werden, sodass zum Beispiel in den juristischen Vertragsteilen Regelungen zur Haftung und Gewährleistung getrennt in einer jeweils separaten Klausel dargestellt werden. 

Definitionen verwenden 

Eine weitere Methode, um Unsicherheiten hinsichtlich der divergierenden Wortbedeutung zu minimieren, ist die Verwendung von Definitionen. Diese im anglo-amerikanischen Rechtsraum geradezu ausufernd angewandte Methodik hat den entscheidenden Vorteil, dass dem Vertrag selbst schwarz auf weiß zu entnehmen ist, was für Inhalte die Parteien den einzelnen Begrifflichkeiten zuordnen. Ist man sich beispielsweise nicht sicher, ob „written form“ bedeutungsgleich mit der „Schriftform“ ist, der kann entweder definitorisch auf die entsprechenden Normen des BGB verweisen oder seine eigenen Voraussetzungen als Definition zusammenfügen. 

Auch eher untechnische Begriffe wie „day“ können so deutlich dem „calender day“ oder „working day“ zugeordnet werden.

Allerdings birgt auch diese Methode Risiken. Zum einen besteht die simple Gefahr, dass die Definition erneut unklare Begriffe enthält, so beispielsweise, wenn eine „intellectual property“-Definition von „Know-how“ spricht. 

Zum anderen besteht die eher pragmatische Sorge, dass sich die Parteien über die feinziselierte Definitionsdiskussion das eigentliche Ziel der Vertragsverhandlung vergessen, nämlich den Abschluss eines Geschäfts. 

Dennoch ist die Nutzung von Definitionen in internationalen Verträgen nicht nur zu empfehlen, sondern auch üblich, sodass sich insbesondere Vertragspartner aus dem englischsprachigen Raum in diesem System zurechtfinden dürften. 

Nicht zu vernachlässigen ist dabei die handwerkliche Komponente bei der sinnvollen Nutzung von Definitionen. Bereits bei der Frage, wie die Definitionen Teil des Vertrages werden sollen, gibt es zwei verschiedene Methoden: 

Zum einen kann ein gesamter Definitions-Block dem Vertragstext vorangestellt oder diesem als Anhang beigefügt werden. Zum anderen kann das Wort jeweils an der ersten Stelle, an der es im Vertragstext benutzt wird, erläutert und über einen Klammerzusatz (z. B. (hereinafter „Vertragspartner“)) definiert werden. Auch möglich ist die Vermischung der beiden Methoden. 

Neben der persönlichen Vorliebe können bei der Wahl der Methode auch taktische Überlegungen oder die Anwenderfreundlichkeit eine Rolle spielen. Hat sich der kundige Vertragsjurist für die Darstellungsform der Definitionen im Vertragsgefüge entschieden, ist darauf zu achten, die definierten Worte entsprechend zu kennzeichnen und die Kennzeichnung konsequent zu benutzen. 

In der Regel werden in englischsprachigen Verträgen Definitionen durch Großbuchstaben zu Beginn des jeweiligen Wortes gekennzeichnet (z. B. (hereinafter „Affiliated Companies“)), im deutschsprachigen Raum wird gerne das gesamte Wort in Großbuchstaben dargestellt (z. B. (nachfolgend „Verbundene Unternehmen“)). 

Wie genau die Kennzeichnung erfolgt, ist irrelevant, solange sie eindeutig ist. Denn jeder Vorteil einer eindeutigen Definition geht verloren, wenn nicht nachvollziehbar ist, ob diese denn nun gemeint war oder nicht. 

Verzicht auf mehrsprachige Vertragsversionen

Es erscheint verlockend, die Unsicherheiten der aufgezwungenen Fremdsprache durch eine mehrsprachige Vertragsversion zu umgehen. Auf den ersten Blick lockt diese Variante als eine vermeintliche Win-Win-Version: Jede der Parteien hat ihre eigensprachliche Vertragsversion, in der sie sich wohl fühlt. Doch diese erhebliche Mehrarbeit lohnt sich in der Regel nicht. Erhebliche Mehrarbeit, da es eben nicht ausreicht, eine wörtliche Übersetzung der jeweils einen oder anderen Sprache einzufügen. 

Es sind letztlich genau dieselben präzisen Anpassungen vorzunehmen, die auch bei der einfachsprachlichen Variante notwendig wären – nur im Fall der Mehrsprachigkeit hat dies doppelt zu erfolgen und birgt die Gefahr von Widersprüchen. Auch die Einfügung eines Geltungsvorrangs der einen oder anderen Sprache kann hier nur bedingt weiterhelfen. 

Ist man der Sprache des Vertragspartners nicht mächtig, also nicht in der Lage Inhalte zumindest grob zu erfassen, dann ist man auch nicht in der Lage zu überprüfen, ob sich die andere Sprachfassung nicht ebenso einen widersprechenden Geltungsvorrang eingefügt hat. 

Ein probates Mittel zur praktischen Umsetzung der Vertragsinhalte – insbesondere bei Nutzung für die andere Seite nicht lesbarer Alphabete wie dem kyrillischen und dem arabischen Alphabet – ist hingegen die Beifügung einer Convenience-Übersetzung als Anhang. 

Dies ermöglicht es den Mitarbeitern nach Vertragsschluss wesentliche Inhalte für die maßgebliche Vertragsdurchführung zu erfassen (z. B. Zahlungsfristen). 

Von Legal English zu Plain English 

Juristen neigen zu einer teilweise doch eher blumigen bis komplizierten Ausdrucksweise. Was jedoch schon in der eigenen Sprache zu Unsicherheiten führen kann, sollte nach Möglichkeit in einer Fremdsprache vermieden werden. 

So ist es durchaus keine Schande und wird in der Regel sogar von der Gegenseite begrüßt, wenn man von den klassischen Ausdrucksweisen des Legal English zu einem Plain English wechselt, das simpel und direkt ausdrückt, was gemeint und gewollt ist. Beispielsweise kann die Verweisung über den „Subject to“-Zusatz zu Missverständnissen führen, wenn nicht klar ist, ob diese auf eine subsidiäre Ausnahme oder eine primäre Grundregel verweist. 

Wer eine Regelungshierarchie dagegen deutlich formuliert, hat diesen Stolperstein bereits umgangen.

Strukturelle Unterschiede nivellieren

Natürlich kann man einem Vertragspartner aus einem anderen Land das deutsche Recht inklusive aller strukturellen und national üblichen Besonderheiten aufzwingen. 

Jeder der Parteien wird es bevorzugen, in ihrer eigenen, gewohnten Sprache und bekannten Vertragsstruktur zu agieren. Dies kann jedoch unter Umständen zu einer strikten Ablehnung des deutschen Rechts führen, und mag je nach Positionierung am Markt und im internationalen Geschäftsverkehr, der üblicherweise mit dem anglo-amerikanischen Vertragssystem arbeitet, unprofessionell wirken. 

Daher kann es helfen, sich mit den grundlegenden strukturellen Unterschieden zu beschäftigen und diese nach Möglichkeit zu adaptieren – womöglich fühlt sich der Vertragspartner in der vertraglichen Umgebung dann so wohl, dass er eher das deutsche Recht akzeptiert. 

Ein bereits angeführtes Beispiel, das gleichzeitig Vorteile hinsichtlich der Vermeidung von Unklarheiten mit sich bringt, ist die Nutzung von Definitionen. Sie helfen dem Vertragspartner bei der Orientierung in einer fremden Rechtsordnung. 

Auch die Erwähnung von bereits gesetzlich verankerten Regelungen des deutschen Rechts, auch wenn diese nicht vom Normtext abweichen, kann helfen. Gerade im amerikanischen Rechtsraum ist es so, dass Regelungsgehalte, die nicht im Vertrag enthalten sind, zunächst auch einmal nicht durch eine kodifizierte Gesetzesregelung aufgefangen werden. 

Aus diesem Grund sind deutsche Verträge in der Regel sehr viel kürzer und kompakter als ihre internationalen Pendants. Hilfreich ist es in so einem Fall die gesetzlichen Regelungen z. B. des Schadensersatzes statt der Leistung in den Vertragstext aufzunehmen. 

Zu achten ist dabei darauf, dass in der deutschen Rechtssystematik festgesetzte Begriffe erneut definitorisch festgelegt werden. Für das Beispiel des Schadensersatzes nach § 281 BGB wäre dies zum Beispiel der Begriff der angemessenen Frist. 

Effektivität durch Risikobewertung

Wie bereits eingangs erwähnt, wird es in der Praxis in der Regel nicht die perfekte und gleichzeitig wirtschaftlich tragbare Lösung geben. Um dennoch zu einem zufriedenstellenden Ergebnis in ökonomischer wie rechtlicher Hinsicht zu kommen, ist es hilfreich, eine entsprechende Risikobewertung der verschiedenen Klauselinhalte vorzunehmen und dementsprechend viel Übersetzungs-, Anpassungs- und Formulierungsaufwand zu betreiben. Nicht jede Regelung birgt dasselbe Risiko und verdient somit dieselbe Sorgfalt.

So ist es durchaus sinnvoll, sich mit dem Konstrukt der anglo-amerikanischen „indemnification“ in sprachlicher wie systematischer Hinsicht auseinanderzusetzen oder einen diesbezüglichen Fachmann einzuschalten, da hier in der Regel ein großes Haftungsrisiko liegt. 

Auch die Auswirkungen des im amerikanischen Rechtsraum üblichen „punitive damage“ sollten zumindest in Grundzügen bekannt sein, um sich vor horrenden Schadensersatzforderungen schützen zu können. 

Dagegen werden Klauseln zur reinen Vertragsausfertigung regelmäßig zu vernachlässigen sein, da die gesetzlichen Regelungen hier zwar auseinanderfallen können, beide Parteien aber gleichermaßen ein Interesse an einem wirksam ausgefertigten Vertrag haben. 

Hier kann man dem Vertragspartner also eher Vertrauen schenken und den eigenen Überprüfungsaufwand reduzieren als dies bei einer Gewährleistungsklausel, die naturgemäß Pflichten und Rechte ungleichmäßig zwischen den Parteien verteilt, der Fall ist.

Fazit: „Every cloud has a silver lining“ oder „All’s well that ends well“

Durch Digitalisierung und fortschreitende Vernetzung rückt die Welt näher zusammen, doch dem technischen Fortschritt hinkt die grenzüberschreitende Kommunikation mühsam hinterher. Denn dort, wo ein direkter Austausch über tausende von Kilometern technisch längst möglich ist, muss nicht zwangsläufig auch die sprachliche Basis bereits bereitet sein. 

Doch der bewusste Umgang mit den Herausforderungen einer internationalen Vertragsgestaltung unter gleichzeitiger Anwendung einiger simpler Formulierungs- und Strukturtipps kann hier bereits einige grundlegende und effizient herbeigeführte Klarheit schaffen, die unliebsame internationale Auseinandersetzungen zur Vertragsauslegung vermeidet.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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