Ermittlung des Unterhalts bei Selbständigen - Privatentnahmen

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In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens bei Selbständigen auf die von diesen getätigten Privatentnahmen zurückgegriffen wird. Die Privatentnahmen ergeben sich regelmäßig aus der Kontenaufstellung die der Jahresbilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung beigefügt sind. 

Grundsätzlich ist bei der Ermittlung des Einkommens auf den Gewinn abzustellen. Die Privatentnahmen können erst dann zur Ermittlung des Einkommens herangezogen werden, wenn sich das Einkommen anders nicht ermitteln lässt oder wenn die Privatentnahmen den ausgewiesenen Gewinn erheblich übersteigen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 09.03.2000, Az: 1 UF 337/99; Hanseatisches OLG Hamburg, Urt. v. 03.04.2001, Az: 7 UF 75/00; LG Hamburg, Urt. v. 18.04.1997, Az: 313 S 14/97).

Die Berücksichtigung der Privatentnahmen beruht darauf, dass sich der Unterhaltsanspruch von Kindern oder Ehegatten nach der Lebensstellung des Unterhaltspflichtigen richtet. Diese ermittelt sich regelmäßig nach dessen Einkünften. Wenn aber offensichtlich ist, dass die Einkünfte – also der Gewinn – nicht das ist, woraus der Unterhaltspflichtige seine Lebensstellung ableitet, können die Privatentnahmen ein deutlicheres Bild der Lebensstellung vermitteln. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Privatentnahmen den Gewinn deutlich übersteigen. Die Lebensstellung richtet sich nach den tatsächlich entnommenen Beträgen und nicht nach dem ausgewiesenen Gewinn (BSG, Urt. v. 16.03.2006; Az: B 4 RA 15/05; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 29.02.1996, Az: 13 UF 64/95).

Dies kann selbstverständlich dann nicht gelten, wenn die Privatentnahmen den Gewinn nur geringfügig oder kurzfristig übersteigen (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 07.05.2013, Az: 10 UF 1/13; OLG Frankfurt, Beschl. v. 09.03.2000, Az: 1 UF 337/99). Es ist die Eigenart von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit, dass dieses Schwankungen unterliegt, die vom Selbständigen aufgefangen werden müssen und die auch der Unterhaltsberechtigte zu berücksichtigen hat.

Wird der Unterhaltsanspruch auf Grundlage der Privatentnahmen ermittelt, darf selbstverständlich der Gewinn nicht zusätzlich berücksichtigt werden (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 07.05.2013, Az: 10 UF 1/13). Zu den Privatentnahmen zählen nicht nur die als solche deklarierten Beträge, sondern alle Mittel, die zur Bestreitung des privaten Lebensunterhalt verwendet wurden (LG Hamburg, Urt. v. 18.04.1997, Az: 313 S 14/97).

Gerade die Ermittlung des Einkommens von Selbständigen zur Ermittlung von Unterhaltsansprüchen ist häufig mit Schwierigkeiten verbunden. Neben unterhaltsrechtlichen Grundsätzen sind regelmäßig steuerrechtliche und gesellschaftsrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Lassen Sie sich frühzeitig beraten, wenn Sie vor einer unterhaltsrechtlichen Auseinandersetzung stehen, bei der mindestens ein Selbständiger beteiligt ist.

Bettina Bachinger

Rechtsanwältin


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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