Ermittlungsverfahren – Vorwurf der Steuerhinterziehung, § 370 AO

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Steuerhinterziehung, § 370 AO

Der Begriff „Steuern“ dürfte in der Bevölkerung zu den unbeliebtesten seiner Art zählen. Kein Wunder – schließlich geht es an den eigenen Geldbeutel. Steuern, Steuererklärung, warum das überhaupt?

Steuern dienen kurzum dem Bestand, dem Erhalt und der Fortentwicklung des Staates. Sie sind somit der Beitrag des Einzelnen für die Gesellschaft, ohne dass sie eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen (anders etwa Gebühren, z. B. für Müllabfuhr oder Abwasser). Sie werden insbesondere verwendet für die innere Sicherheit, die Infrastruktur, die Bildung und Sozialleistungen. Die Anschauung der einzelne Bürger müsse Steuern zahlen dürfte bereits über 5000 Jahre alt sein. Schon die Ägypter forderten Abgaben von ihrer Bevölkerung, gleichwohl dies damals überwiegend in Form von Ernteabgaben und anderen Naturalien geschah. 

Um jenen Bestand, Erhalt und die Fortentwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu sichern, ist die Steuerhinterziehung nach § 370 der Abgabenordnung unter Strafe gestellt. Geschütztes Rechtsgut ist „die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d. h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens“. 

Der Tatbestand der Steuerhinterziehung

Täter einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO kann nur eine natürliche Person sein, denn Zweck des Strafrechts ist die Sanktionierung personalen individuellen Unrechts und höchstpersönlicher, vorwerfbarer Entscheidungen einzelner Personen. Bei einer GmbH fällt die Strafbarkeit daher etwa auf den Geschäftsführer, Angestellte oder gegebenenfalls den Steuerberater.

Tathandlung ist insbesondere das Machen unrichtiger oder unvollständiger Angaben (§ 370 I Nr. 1 AO) und das pflichtwidrige In-Unkenntnis-lassen der Finanzbehörde (§ 370 I Nr. 2 AO) über steuerlich erhebliche Tatsachen. 

Unrichtigkeit und Unvollständigkeit überschneiden sich. Gemeint sind Falschangaben, wobei sich die Nichtübereinstimmung mit der Wirklichkeit auch daraus ergeben kann, dass eine Vollständigkeit suggeriert wird, die nicht gegeben ist. Wer nachträglich erkennt, dass die gemachten Angaben fehlerhaft oder unvollständig waren, den trifft nach § 153 AO die unverzügliche Pflicht zur Berichtigung der Angaben. 

§ 370 I Nr. 2 AO ist als Unterlassungsdelikt ausgestaltet. Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 370 I Nr. 2 AO ist daher eine Pflicht zum Handeln. Ohne eine solche Pflicht kann das Unterlassen nicht pflichtwidrig und damit strafbar sein. Die konkreten Pflichten zur Offenbarung steuerlich erheblicher Tatsachen ergeben sich aus den einzelnen Steuergesetzen. Pflichten im Sinne von § 370 I Nr. 2 AO sind vor allem die Steuererklärungspflichten (§ 149 AO in Verbindung mit den Einzelsteuergesetzen), die Anzeigepflichten nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz (kurz ErbStG), Mitteilungspflichten in Bezug auf geänderte Umstände beim Kindergeld nach § 68 I Einkommensteuergesetz (kurz EStG) sowie die bereits oben genannte Anzeigepflicht nach § 153 AO.

Erforderlich für eine Strafbarkeit nach § 370 AO ist jedoch, dass durch die Tathandlung Steuern verkürzt werden oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt wurden. Was darunter zu verstehen ist, ist in § 370 IV AO legal definiert. Danach sind Steuern etwa dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Maßstab ist ein Vergleich zwischen der Steuer, die aufgrund unwahrer Angaben festgesetzt wurde, und der Steuer, die festzusetzen gewesen wäre, wenn anstelle der unrichtigen die der Wahrheit entsprechenden Angaben zugrunde gelegt worden wären. Nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. 

Zu beachten ist hierbei das Kompensationsverbot des § 370 IV 3 AO. Gem. § 370 IV 3 sind auch dann die Voraussetzungen von Steuerverkürzung und ungerechtfertigten Steuervorteils erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können. Ohne das Kompensationsverbot müsste der Strafrichter den gesamten Steuerfall aufrollen und auch die Aspekte prüfen, die der Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren bisher gar nicht vorgebracht hat.

Welche Strafe droht mir, wenn ich wegen Steuerhinterziehung verurteilt werde?

Das Gesetz sieht in solchen Fällen eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor. In besonders schweren Fällen, insbesondere bei einer Steuerverkürzung großen Ausmaßes (§ 370 III Nr. 1 AO), reicht die Strafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. § 370 III Nr. 1 AO knüpft damit an die quantitativen Auswirkungen der Steuerhinterziehung an. Die Rechtsprechung nimmt eine Steuerverkürzung großen Ausmaßes dabei ab einer Wertgrenze von 50.000 € an.

Zu beachten ist im Steuerstrafrecht im Besonderen das Institut der strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO). Sie baut dem Steuerhinterzieher, trotz eines vollendeten Steuerbetrugs die Brücke zurück in die Legalität. Die Anforderungen an eine wirksame Selbstanzeige sind dabei komplex. Insbesondere sind unverzügliches Handeln und inhaltlich korrekte und vollständige Angaben erforderlich, um einer Bestrafung zu entgehen. Prominentes Beispiel für eine unwirksame Selbstanzeige: Der Fall Uli Hoeneß.

Was ist zu tun, wenn ich der Steuerhinterziehung beschuldigt werde?

In diesem Fall ist Ihnen dringend zu raten, einen Strafverteidiger zu beauftragen. Auch wenn eine Beschuldigung noch nicht im Raum steht, sollten Sie unverzüglich handeln, um die Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige zu wahren.

Der bevollmächtigte Rechtsanwalt kann Akteneinsicht beantragen. Sobald die Akteneinsicht gewährt wurde, kann der Verteidiger die Tragweite des Vorwurfs abschätzen. Mit Hilfe einer Verteidigungsschrift, die auf den Angaben des Mandanten beruht und mit der zu den erhobenen Vorwürfen Stellung bezogen wird, kann das Verfahren in die richtige Richtung gesteuert werden.

Sollten Sie mit einer Hausdurchsuchung oder einem Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung konfrontiert werden, dann nehmen Sie unverbindlich telefonisch oder per E-Mail mit mir Kontakt auf. Im Steuerstrafverfahren gilt das Gebot unverzüglichen Handelns mehr denn je.

Sollten Sie eine Vorladung zur polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter erhalten, gilt generell Folgendes:

  1. Nehmen Sie Kontakt mit einem Rechtsanwalt auf. Versuchen Sie nicht, die Sache selbst zu regeln. Gehen Sie nicht zum Vernehmungstermin, um sich einen Überblick zu verschaffen.
  2. Ich zeige Ihre Verteidigung gegenüber der Polizei und der Staatsanwaltschaft an und beantrage Akteneinsicht.
  3. Einen Vernehmungstermin nehmen Sie nicht wahr. Sollte dieser noch ausstehen, wird dieser durch mich abgesagt. Der Schriftverkehr, die Korrespondenz mit Polizei und Staatsanwaltschaft läuft ausschließlich über mein Büro.
  4. Meistens wird innerhalb von vier bis zwölf Wochen Akteneinsicht gewährt. Die Akteneinsicht erhalte ich, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. Nicht selten dauern Ermittlungsverfahren zwischen vier und acht Monaten. In dem Ermittlungsverfahren werden Sie automatisch durch mich informiert, wenn mir Neuigkeiten bekannt werden.

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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