Erneute Anhörung der Partei bei abweichender Würdigung

  • 2 Minuten Lesezeit

Das Berufungsgericht muss die in erster Instanz angehörte Partei nochmals anhören, wenn es deren Aussage anders würdigen will. Anderenfalls liegt hierin ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Diesem Beschluss des BGH vom 25.07.2017 – VI ZR103/17 - lag folgender Fall zu Grunde:


In einem Arzthaftungsprozess hatte der geschädigte Internist und Sportmediziner die ihn wegen eines Wirbelsäulenleidens behandelnde Klinik und behandelnden Ärzte auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch genommen. Insbesondere sei seine ohne erneute Bestimmung des - auf eine Entzündung hinweisenden - CRP-Wertes erfolgte Entlassung grob behandlungsfehlerhaft  erfolgt. Denn nur wenige Stunden nach seiner Entlassung eröffnete sich spontan ein Hämatom im Bereich der Operationswunde mit der Folge einer weiteren langfristigen stationären Behandlung in einem anderen Krankenhaus.


Die Klage war infolge sowohl informatorischer Anhörung unter anderem des Klägers und der behandelnden Ärzte sowie Vernehmung einer bei der Abschlussuntersuchung anwesenden Krankenschwester als Zeugin erstinstanzlich abgewiesen worden, in der Berufungsinstanz jedoch ohne deren erneute Anhörung allein aufgrund abweichender Würdigung durch das Berufungsgericht erfolgreich.


Zwar ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des Ausgangsgerichtes gebunden, bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ist indes eine erneute Beweisaufnahme durch nochmalige Vernehmung des Zeugen zwingend geboten. Insbesondere sind die in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals gemäß § 398 Abs. 1 ZPO zu vernehmen, wenn das Berufungsgericht deren Aussagen anders würdigen will. Dies gilt nach § 451 ZPO für die Parteivernehmung entsprechend und auch für den Fall einer lediglich nach § 141 ZPO informatorischen Anhörung der Partei. Soweit deren Angaben in die Beweiswürdigung des Erstgerichtes Eingang gefunden haben und dort in ihrer Glaubhaftigkeit bewertet wurden, darf das Berufungsgericht hiervon nicht ohne eigene Anhörung abweichen. Dies war indes vorliegend der Fall, nachdem dort nach Überzeugung des Gerichts dem Kläger aufgrund seiner ärztlichen Erfahrung bewusst gewesen sei, dass der CRP-Wert vor der Entlassung erneut zu kontrollieren war, er jedoch jede weitere Untersuchung in dieser Klinik für diese ersichtlich abgelehnt habe.


Weitere Informationen auch zu anderen Themen erhalten Sie unter „www.dr-s-v-berndt.de“.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Dr. Sabine Veronika Berndt

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten