Erster Hinweis vom BGH (1 StR 265/16) zur Funktion von Compliance-Management-Systemen beim Strafmaß

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich erstmals zur Funktion von Compliance-Management-Systemen in Korruptionsfällen und deren Strafmaß nach §§ 30 Abs. 1 und 3 i.V. mit 17 Abs. 3 OwiG geäußert.

Hintergrund ist das Urteil v. 09.05.2017 – BGH 1 StR 265/16 – in dessen Rahmen sich der BGH mit einem klassischen Korruptionsfall beschäftigen musste. Gegenstand des Strafverfahrens ist ein Rüstungsgeschäft des deutschen Unternehmens KMW mit dem griechischen Staat. Beteiligte dieses Sachverhalts: Das Unternehmen, dessen Vertreter in Griechenland (P.), Teile dessen Geschäftsleitung (Dr. Bo. und Dr. Z.), dessen Prokurist (Angeklagter), dessen Vorgesetzter (Dr. H.), eine Beratungsgesellschaft (BfS), der griechische Verteidigungsminister (T.), Ka. (stellv. Direktor der Generaldirektion Rüstung des griechischen Verteidigungsministeriums).

Szene 1

Dr. Bo. und Dr. Z. treffen mit T. eine Bestechungsabrede. Gegenstand ist auch die Beratung durch BfS.

Szene 2

BfS stellt auf Grundlage von Szene 1 eine Rechnung über € 1.602.227,74 netto an KMW, ohne vor Ort beraten zu haben. Der Prokurist/Angeklagte gibt die Rechnung frei; diese wird nicht nur bezahlt, sondern als Betriebsausgabe gebucht = Steuerhinterziehung (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG).

Szene 3

Der Angeklagte erhielt aus der Provision des P. selbst Provisionszahlungen, die er nicht versteuerte = Beihilfe zur Steuerhinterziehung (der KMW) und Steuerhinterziehung.

Szene 4

Der Angeklagte und P. sorgen für Bestechungsgelder an Ka. aus „Provisionszahlungen“, die P. von KMW erhielt. Auch diese Zahlungen wurden als Betriebsausgabe verbucht.

Szene 5

KMW verklagt den Angeklagten vor dem Arbeitsgericht auf Auskunft zu von P. erhaltenen Schmiergeldern. Der Angeklagte äußert sich schriftsätzlich = versuchter Prozessbetrug?

Das Landgericht (LG) München verhing gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten und gegen das Unternehmen (sog. Nebenbeteiligte) eine Geldbuße i.H. von € 175.000.

Und – wen wundert es – alle Verfahrensbeteiligten gingen in die Revision.

Dazu nun der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Ergebnis

Die Revision des Angeklagten und der Nebenbeteiligten wurden abgewiesen; die der Staatsanwaltschaft hingegen hatte Erfolg.

Folge

Die Gesamtfreiheitsstrafe gegen den Angeklagten ist aufgehoben. Weitere Folge: Die Geldbuße gegen KMW ist neu festzusetzen.

Die Akte geht zur Neuverhandlung an das LG München zurück (andere Kammer). Der BGH erteilt Hinweise zum Strafmaß gegen KMW: „Für die Bemessung der Geldbuße ist zudem von Bedeutung, inwieweit die Nebenbeteiligte (KMW) ihrer Pflicht, Rechtsverletzungen aus der Sphäre des Unternehmens zu unterbinden, genügt und ein effizientes Compliance-Management installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss … Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob die Nebenbeteiligte in der Folge dieses Verfahrens entsprechende Regelungen optimiert und ihre betriebsinternen Abläufe so gestaltet hat, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert werden.“

Der BGH argumentiert hier deutlich knapper als das LG München in der Sache Neubürger – 5 HK O 1387/10 – und lässt im Rahmen des § 30 Abs. 3 i.V. mit § 17 Abs. 3 OwiG ein effizientes Compliance-Management-System (CMS) als strafmildernd zu, geht jedoch dort darüber hinaus, wo Compliance-Maßnahmen erst nach der Tat getroffen werden.

Der Hinweis des BGH an das LG München ist recht kurz. Kontext ist wohl die Einführung des Wettbewerbsregisters mit seinem Prinzip der Selbstreinigung (unser Rechtstipp v. 26.06.2017). Es liegt auf der Hand, dass sich die Effizienz des CMS und die Höhe der Geldbuße konträr verhalten: Fehlt es an einem CMS, dürfte die Minderung des Bußgeldes trotz nachträglicher Implementierung mager ausfallen. Und das zurecht: Schließlich dauert die Implementierung gewisse Zeit. Werden aber nur Lücken ausgenutzt und diese dann geschlossen, so dürfte die Erwartung an eine Minderung berechtigt höher ausfallen.

Praxis

Mit dem Urteil des BGH steigt die Bedeutung von Compliance im Unternehmen erneut an. Besonders relevant ist, dass sich die Rolle von CMS hier nicht nur auf bestimmte Unternehmen (Branche, Rechtsform, Größe) bezieht, sondern uneingeschränkt gilt. Das hat besondere praktische Bedeutung für kleine und mittlere Betriebe. Compliance ist damit ein Thema für die gesamte Unternehmerschaft.

Tipp

Das Urteil bietet Anlass, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Ihr Unternehmen ein CMS braucht und warum es noch keines gibt. Für mehr Compliance gab es bereits viele Gründe – nun gibt es noch einen wichtigen mehr.

Zu Fragen des „Ob“ und des „Wie“ beraten wir Sie gerne!



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