ERWERB, VERLUST UND WIEDERERWERB DER DEUTSCHEN STAATSANGEHÖRIGKEIT IM AUSLAND

  • 4 Minuten Lesezeit

Die Bestimmung der Staatsangehörigkeit obliegt jedem Staat selbst und richtet sich dabei nach zwei Grundsätzen, dem Abstammungs- (ius sanguinis) und Geburtsortprinzip (ius soli). Während das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht mittlerweile nach grundlegenden Reformen teilweise beide Prinzipien akzeptiert, gilt der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit, mit Ausnahmen unter anderem bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern und Schweizerinnen und Schweizern, weiter fort.

Dieser Artikel befasst sich mit dem Erwerb, Verlust und Wiedererwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, insbesondere von Personen, die im Ausland leben.  

ERWERB DER DEUTSCHEN STAATSANGEHÖRIGKEIT IM AUSLAND

Die deutsche Staatsangehörigkeit, die durch Artikel 16 Grundgesetz (GG) besonders geschützt ist, wird im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) und in Artikel 116 GG geregelt.

ERWERB DURCH GEBURT IM AUSLAND

Gemäß § 3 Absatz 1 Nr. 1 StAG erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt nach § 4 Absatz 1, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Besitzt bei der Geburt des Kindes nur der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit, muss für den Erwerb der Staatsangerhörigkeit vor Vollendung des 23. Lebensjahres des Kindes die Anerkennungserklärung der Vaterschaft abgegeben oder ein Feststellungsverfahren eingeleitet worden sein.

Erfolgt die Geburt des Kindes im Ausland und ist der deutsche Elternteil nach dem 31.12.1999 ebenfalls im Ausland geboren worden und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt gemäß Absatz 4 nur, wenn innerhalb eines Jahres nach der Geburt ein Antrag nach § 36 des Personenstandsgesetzes auf Beurkundung der Geburt im Geburtenregister gestellt wird. Würde das Kind bei Nichterwerb der deutschen Staatsangehörigkeit staatenlos werden, ist der Antrag entbehrlich.

ERWERB DURCH AUSLANDSEINBÜRGERUNG

Ein Ausländer, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, kann gemäß § 3 Absatz 1 Nr. 5 und § 14 StAG eingebürgert werden, wenn er die allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen, wie zum Beispiel Unterhaltsfähigkeit, Bindungen an Deutschland und ausreichende Sprachkenntnisse erfüllt, und ein besonderes öffentliches Interesse der Bundesrepublik seine Einbürgerung rechtfertigt.

Ein gesetzlicher Anspruch auf diese Einbürgerung besteht nicht. Sie liegt im Ermessen des Bundesverwaltungsamtes (BVA) als zuständige Behörde, und diese prüft unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, ob ein staatliches Interesse an der Einbürgerung vorliegt. Das persönliche Interesse des Bewerbers ist dabei nachrangig. Das staatliche Interesse ist zum Beispiel gegeben, wenn aus kulturellen, sportlichen, wissenschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Abwägungen heraus die Einbürgerung vorteilhaft für die Bundesrepublik Deutschland sein würde.

VERLUST DER DEUTSCHEN STAATSANGEHÖRIGKEIT IM AUSLAND

Der Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit ist nach Art. 16 Grundgesetz verboten. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit kann allenfalls in gesetzlich festgelegten Fällen in Betracht kommen, soweit dadurch der Betroffene nicht gegen seinen Willen staatenlos wird.

ERWERB EINER AUSLÄNDISCHEN STAATSANGEHÖRIGKEIT

Gemäß § 17 Absatz 1 Nr. 2 StAG in Verbindung mit § 25 Absatz 1 StAG führt der freiwillige Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit in der Regel kraft Gesetzes automatisch zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit.

Nach der alten Fassung der Vorschrift in § 25 Absatz 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) trat der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht ein, wenn der Betroffene einen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt in Deutschland hatte.

BEIBEHALTSGENEHMIGUNG

Die oben genannte Inlandsklausel stellte ebenso eine Ausnahme zum Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit dar wie die Neuregelung des § 25 Absatz 2 StAG. Damit tritt seit 2000 der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht ein, wenn vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit die schriftliche Genehmigung des BVA als zuständige Behörde zur Beibehaltung der Staatsangehörigkeit eingeholt worden ist. Bei gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland erfolgt die Beantragung dieser Beibehaltsgenehmigung über die zuständige deutsche Auslandsvertretung, die dem Antrag eine Stellungnahme beifügt.

Bei der Entscheidung über den Antrag nimmt das BVA eine Abwägung zwischen den öffentlichen und privaten Belangen vor und prüft bei Anträgen aus dem Ausland insbesondere, ob fortbestehende Bindungen an Deutschland bestehen. Für die Genehmigung der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit ist dabei entscheidend, dass glaubhaft darlegt werden kann, weshalb der „angestrebte Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit in der konkreten Situation vorteilhaft ist oder dadurch erhebliche Nachteile vermieden oder beseitigt werden können und man trotz dauerhaftem Aufenthalt im Gastland weiterhin über so enge Bindungen an Deutschland verfügt, dass die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit bei Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit gerechtfertigt ist“ (BVA).

WIEDEREINBÜRGERUNG EHEMALIGER DEUTSCHER

In dem Fall, dass eine Deutsche oder ein Deutscher durch den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat, kommt eine Wiedereinbürgerung in Betracht.

BEI VERLUST DER DEUTSCHEN STAATSANGEHÖRIGKEIT NACH 1999

Ehemalige Deutsche und deren minderjährige Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland können nach § 13 StAG wiedereingebürgert werden, wenn dafür ein öffentliches Interesse besteht. Voraussetzung für diese erleichterte Einbürgerung ist daneben unter anderem, dass sie vor Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit bei rechtzeitigem Antrag eine Beibehaltsgenehmigung erhalten hätten und die hierfür erforderlichen Bindungen an Deutschland heute noch bestehen.

ERWERB EINER AUSLÄNDISCHEN STAATSANGEHÖRIGKEIT DURCH AUTOMATISMUS

Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 StAG wegen Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit tritt laut Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts „ausschließlich aufgrund von Handlungen ein, die auf einem freien, selbstverantwortlichen Willensentschluss des Betroffenen gründen“. Insoweit stellt sich die Situation von deutschen Frauen, die bis Mitte 2003 mit einem Türken geheiratet haben, als äußerst problematisch dar.

Wie auch in Deutschland, wo ausländische Frauen bei Eheschließung mit einem Deutschen zwischen 1914 und 1953 die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch und bis Ende 1969 durch Erklärung erwarben, sah Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 42 des Türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit durch Erklärung vor. In der Verwaltungspraxis erhielten die ausländischen Frauen die türkische Staatsangehörigkeit allerdings ohne eine Erklärung abzugeben. Da somit der Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit nicht auf einer freien, selbstverantwortlichen Willensentschluss basierenden Handlung beruht, dürften die Voraussetzungen für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit in diesen Fällen wohl eher nicht gegeben sein.

Foto(s): M&S Law Istanbul


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Duygu Seymen