EuGH erleichtert Dieselklagen

  • 2 Minuten Lesezeit

Die Hürden für Dieselklagen gegen die Automobilindustrie hat der EuGH mit Urteil vom 21.03.2023 (C-100/21) deutlich abgesenkt. Wer ein Auto mit unzulässiger Abgastechnik besitzt, kann in Zukunft auch dann Schadenersatz verlangen, wenn der Automobilhersteller lediglich fahrlässig gehandelt hat. Käufer eines mit einem Thermofenster ausgestatten Fahrzeugs haben deshalb Anspruch auf Ersatz des ihnen entstandenen Schadens.

Grundlage für die Haftung von Automobilherstellern wie Mercedes-Benz, Volkswagen, Audi oder Porsche war bisher regelmäßig eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Käufer gemäß § 826 BGB. Die Voraussetzungen dieser Norm sah der Bundesgerichthof bisher immer nur dann als erfüllt an, wenn in dem jeweiligen Fahrzeug eine sogenannte prüfstandsabhängige oder prüfstandbezogene Abschalteinrichtung installiert war. Das Fahrzeug erkennt in diesem Fall, wenn es den Prüfzyklus durchläuft und passt sein Emissionsverhalten zur Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für Schadstoffemissionen an.

Anders entschied der Bundesgerichtshof dagegen, wenn das Fahrzeug lediglich mit einer temperaturabhängigen Abschalteinrichtung, dem sogenannten Thermofenster, ausgestattet ist. Mangels Prüfstandsbezogenheit dieser Funktion konnte der Bundesgerichtshof keine Betrugsabsicht und damit keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des jeweiligen Herstellers erkennen und lehnte deshalb eine Haftung der Automobilhersteller ab.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nach dem aktuellen Urteil vom 21.03.2023 des Europäische Gerichtshofs in der Rechtssache C-100/21 als überholt betrachtet werden. Stattet der Hersteller sein Fahrzeug mit unzulässiger Abschalteinrichtung aus, dürfte nunmehr unabhängig von ihrer Funktionsweise im Einzelnen der Haftungstatbestand der Verletzung eines Schutzgesetzes gemäß § 823 Abs. 2 BGB erfüllt sein. Anders als bei einem Anspruch aus § 826 BGB genügt es für die Begründung des Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB, dass der Automobilhersteller fahrlässig bei der Verwendung der unzulässigen Abgastechnik gehandelt hat.

Der Bundesgerichtshof lehnte bisher eine solche Haftung mit der Begründung ab, dass die einschlägigen europarechtlichen Normen lediglich die Allgemeinheit und damit nicht die individuellen Interessen des jeweiligen Fahrzeugkäufers schützen würden. Der EuGH korrigierte nun die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und stellt klar, dass das Unionsrecht neben allgemeinen Rechtsgütern auch die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützt, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist.

Käufer von Dieselfahrzeugen der Marke Mercedes-Benz empfehlen wir dringend, anwaltlichen Rat in Anspruch zu nehmen und prüfen zu lassen, ob auch in ihrem Fall die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen sinnvoll ist. Gleiches gilt für Käufer von Dieselfahrzeugen aller Marken der Schadstoffklasse Euro 5 und Euro 6, deren Fahrzeug nicht von einem Rückruf zur Beseitigung unzulässiger Abschalteinrichtungen betroffen sind.

Als auf den Dieselskandal spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in Stuttgart mit einschlägiger Expertise in mehr als 2000 Fällen stehen wir Ihnen hierfür gerne zur Verfügung. Bitte rufen Sie uns einfach an oder schreiben Sie uns eine E-Mail.

Foto(s): johst@johstrichter.de

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Florian Johst

Beiträge zum Thema