EuGH-Urteil: Abgasskandal weitet sich auf gesamte Branche aus

  • 4 Minuten Lesezeit

Der Europäische Gerichtshof hat heute ein verbraucherfreundliches Urteil gesprochen: Automobilhersteller dürfen keine Einrichtungen verbauen, die systematisch die Emissionen im Testbetrieb reduzieren.

Düsseldorf, 17. Dezember: Lange hat es gedauert, aber heute war es endlich soweit. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied darauf, dass Abschalteinrichtungen, deren primärer Zweck darin besteht, den Schadstoffausstoß im Testbetrieb zu senken, als illegal einzustufen sind. Und zwar losgelöst von der angewandten Methode. Egal, ob Kopplung an den Fahrzyklus oder Thermofenster: All diese Verfahren sind ab sofort unterschiedslos als manipulative Eingriffe in die Abgassteuerung anzusehen (Az: C-693/18).

Abschalteinrichtungen gemäß EU-Recht unzulässig

Abschalteinrichtungen sind gemäß geltendem europäischem Recht zwar ohnehin unzulässig (Verordnung Nr. 715/2007): aber es existieren Ausnahmen. Z.B. wenn sie hauptsächlich der Gefahrenabwehr bzw. dem Schutz des Motors dienen. Auf diese Ausnahmeregel berufen sich deshalb auch sämtliche Hersteller. Der EuGH hat nun klargestellt, dass die Gefahr eine konkrete, und nicht nur eine fiktiv behauptete, sein muss, damit das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung gerechtfertigt werden kann. Im Urteilstext heißt es: „Nur unmittelbare Beschädigungsrisiken, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen, sind geeignet, die Nutzung einer Abschalteinrichtung zu rechtfertigen“. Die Verzögerung von Verschleiß oder die Reduktion der Motorverschmutzung sind hingegen kein tauglicher Grund für den Einbau manipulativer Softwarefunktionen. Andernfalls würde das grundsätzliche Verbot von Abschalteinrichtungen „seiner Substanz entleert“, so die Luxemburger Richter.

Französisches Gericht bittet EuGH um Klärung

Vorausgegangen waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Paris gegen einen europäischen Automobilhersteller, der im Verdacht steht, Fahrzeuge mit einem Ventil zur Abgasrückführung (AGR) in Verkehr gebracht zu haben. Der Hersteller berief sich dabei auf den o.g. Motorschutz. Da sich das nationale Gericht mit der Klärung des Sachverhalts überfordert fühlte, rief es den EuGH an. Ein technisches Gutachten, das im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erstellt worden war, gelangt zu dem Ergebnis, dass die fraglichen PKW sämtlich über eine Einrichtung verfügen, die es ermöglicht, den Testbetrieb zu erkennen und in der Konsequenz die Funktionalität des AGR-Moduls so zu steuern, weshalb die gesetzlich vorgeschriebenen Schadstoffgrenzen im Labor eingehalten werden; nicht jedoch auf der Straße, wo es zu drastischen Überschreitungen der NOx-Werte kommt. Der EuGH macht unmissverständlich deutlich, dass das Vorhandensein einer solchen Einrichtung einzig dann zulässig ist, wenn dadurch eine tatsächliche Gefahr abgewehrt wird. Im konkreten Fall sahen die Richter diese tatsächliche Gefahr allerdings nicht als gegeben und erkannten deshalb auf Illegalität der AGR.

Urteilsspruch mit großer Signalwirkung

Dieser Urteilsspruch kann, so er in nationales Recht übertragen wird, große Auswirkungen auf die noch ungelösten Diesel-Fälle haben. Denn jenseits der Mutter aller Schummelmotoren, dem VW-EA 189, tun sich deutsche Gerichte schwer damit, einhellig pro Verbraucher zu entscheiden. Damit könnte ab sofort Schluss sein. Denn sowohl beim Nachfolger EA 288 als auch bei den Mercedesmotoren OM 607, 622, 626, 642 und 651 wurde mit Abschalteinrichtungen getrickst. Zum Teil cleverer und deshalb schwerer zu beweisen; jedoch ganz eindeutig mit stark abweichenden Emissionswerten im Test- und Straßenbetrieb. Nach der heutigen EuGH-Entscheidung wird es für die Hersteller sicher schwieriger werden, das fadenscheinige Argument „Gefahrenabwehr“ erfolgreich vorzubringen. Der Bundesverband Verbraucherzentrale (vzbv) spricht von einem „Sieg für die Verbraucher“. „Die juristische Hängepartie hat damit endlich ein Ende gefunden“, erklärt Gregor Kolbe vom vzbv. Die Autohersteller sieht er jetzt in der Pflicht, das Urteil anzuerkennen.

Illegale Abschalteinrichtungen bei vielen Herstellern

Die nationalen Gerichte bewerten die Legalität der verschiedenen Abschalteinrichtungen zwar nach wie vor einzeln; sie werden sich dabei jedoch an der heutigen verbraucherfreundlichen Rechtsauslegung des EuGH orientieren. Der BGH wird aller Voraussicht nach im Februar kommenden Jahres über die Zulässigkeit des VW-Software-Updates entscheiden. Im März steht dann ein Verfahren zum Mercedes-Thermofenster an. Damit würde der Abgasskandal dann endgültig nach Volkswagen auch andere namhafte Produzenten wie Daimler, BMW, Volvo und FIAT erfassen, die allesamt Abschalteinrichtungen in ihren Diesel-Fahrzeugen eingebaut haben.

Baum Reiter: Mit der Expertise von 10.000 Diesel-Mandaten

Baum Reiter & Collegen sind von Beginn am im Abgasskandal aktiv und betreuen mehr als 10.000 Mandanten bei ihren Klageverfahren gegen: Volkswagen (VW, Audi, Porsche, Seat, Skoda), Mercedes-Benz und BMW.

Wir arbeiten mit einem renommierten Prozessfinanzierer zusammen und unsere Erfolgsquote (positive Urteile, Vergleiche) im Abgasskandal ist hoch. In einer kostenfreien Erstberatung (Plausibilitätscheck und Bewertung der individuellen Erfolgschancen) erläutern wir Ihnen transparent und ausführlich Ihre juristischen Möglichkeiten. Wir unterstützen Sie fachmännisch, Ihre Ansprüche gegen die Automobilkonzerne durchzusetzen!

Gerne nehmen wir eine kostenfreie und unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Falls vor. 

Nehmen Sie dazu Kontakt zu uns auf: https://baum-reiter.de/abgasskandal/



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Prof. Dr.iur. Julius Reiter

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten