EuGH-Urteil zum Thermofenster im Mercedes-Abgasskandal

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Durch die Aufdeckung des Abgasskandals im Fall Volkswagen im Jahr 2015 wurden auch die Abgaswerte von Mercedes-Dieselfahrzeugen unter die Lupe genommen. Es stellte sich heraus, dass diese nur auf dem Prüfstand den gesetzlichen Standards entsprachen, jedoch nicht im alltäglichen Straßenverkehr.

Grund hierfür sind illegale Abschalt-Einrichtungen, die in Dieselfahrzeugen von Mercedes-Benz verbaut wurden. Die Folgen:

  • verpflichtende Rückrufe durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)
  • Aufforderungen zur Durchführung eines freiwilligen Softwareupdates zur Reduzierung der Abgaswerte auf das gesetzlich zulässige Maß.

Mit einer Abschalteinrichtung hatte sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits mehrfach beschäftigt: das Thermofenster. Eine Abgasreinigung findet hierbei nur zwischen 15 und 33 °C statt. Bei einer durchschnittlichen Temperatur von 10,5°C im Jahr 2022 in Deutschland scheint dies nicht zweckgemäß.

Grenzwerte für Abgase werden demzufolge im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten. Unter den gegebenen Testbedingungen waren die Thermofenster jedoch aktiv, sodass vorgeschriebene Grenzwerte eingehalten wurden. Der EuGH hatte das Thermofenster bereits in mehreren Entscheidungen als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft. Dies hat zu einer deutlichen Verbesserung der Erfolgschancen bei der Geltendmachung von Schadensersatz-Ansprüchen geführt.

Zuletzt hatte der EuGH seine verbraucher-freundliche Rechtsauffassung mit Urteil vom 08.11.2022 in der Sache C-873/19 bestätigt. Anlass war eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Diese geht gegen die vom KBA erlassenen Typen-Genehmigungen vor.

Der EuGH hatte der DUH nicht nur die Möglichkeit der Klageerhebung eingeräumt, sondern darüber hinaus erneut bekräftigt, dass das Thermofenster als illegal einzustufen ist. Dies bringt weitreichende Konsequenzen für die Automobil-Industrie und zahlreiche Diesel-Fahrer mit sich. Fast alle Fahrzeug-Produzenten haben temperatur-abhängige Abschalt-Mechanismen installiert. Diese stehen auch in Zusammenhang mit dem Dieselskandal bei Mercedes-Benz.

Folgen der zu erwartenden Klagewelle der DUH sind einerseits Rückrufe von Mercedes-Fahrzeugen mit Dieselmotoren. Diese erstrecken sich voraussichtlich auf fast alle Modelle des Konzerns. Andererseits droht eine Stilllegung oder ein Fahrverbot in Städten und Zonen, wie es zuletzt München durchgesetzt hat. Empfehlenswert ist deshalb, sich rechtlichen Rat einzuholen, um die Durchsetzung etwaiger Schadensersatz-Ansprüche zu erzielen.

Eine weitere Grundsatzentscheidung des EuGH wird im Frühjahr 2023 erwartet. Diesmal richtet sich das Verfahren (Az. C-100/21) gegen Mercedes-Benz direkt. Es betrifft die grundlegende Frage, ob das Verbauen von Abschalt-Einrichtungen eine Haftung der Hersteller begründet.

Hier liegt bereits seit 19.01.2023 das Schlussplädoyer des EuGH-Generalanwalts vor. Dieser schafft für Klagen gegen Fahrzeughersteller ein neues rechtliches Fundament: Künftig reicht es aus, wenn Hersteller fahrlässig verkannten, dass es sich bei der eingebauten Abschalteinrichtung um eine unzulässige handelte. Kläger haben demzufolge den Herstellern keinen Vorsatz mehr nachzuweisen. Schadensersatz-Ansprüche sind einfacher durchsetzbar.

Experten rechnen mit einer weiteren Klagewelle, wenn der EuGH dem Plädoyer des Generalanwalts Folge leistet. Das ist in der Regel der Fall. Es bleibt also weiterhin spannend.

Foto(s): stock.adobe.com/221390824

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