Fahren ohne Fahrerlaubnis (Strafbarkeit nach § 21 StVG) trotz EU-Führerscheins?

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In der täglichen Anwaltspraxis stellt sich häufig die Frage, ob sich der Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG strafbar macht, wenn ihm der deutsche Führerschein entzogen worden ist.

In diesem Rechtstipp geht es deshalb ausschließlich um die Strafbarkeit nach § 21 StGB und nicht um die Frage, ob die Verwaltungsbehörde die Teilnahme am Straßenverkehr mit einer EU-Fahrerlaubnis in Deutschland versagen oder von Auflagen oder Weisungen anhängig machen kann. Diese Frage richtet sich nach dem Ordnungsrecht und wird in meinem nächsten Rechtstipp behandelt!

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 21 StGB beurteilt sich wie folgt:

1. Regel

Nach § 21 StVG macht sich strafbar, wer ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dafür erforderliche Erlaubnis nicht besitzt.

Entscheidend für den Straftatbestand ist also, ob eine in der EU erworbene Fahrerlaubnis in Deutschland Gültigkeit hat.

Dazu gilt:

Eine EU-Fahrerlaubnis, die im EU-Ausland erworben wurde, berechtigt in Deutschland grundsätzlich – ohne Formalitäten – zur Teilnahme am Straßenverkehr.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 26.04.2012 – Rs. C – 419/10, VRR 2012, 198) hat jeder Mitgliedsstaat der EU die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis anzuerkennen (Art. 2 Abs. 1 der 3. Fs RL/3. Führerschein-Richtlinie der EU, Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 20. Dezember 2006).

Dieses Anerkennungsprinzip hat der deutsche Gesetzgeber in § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV für Personen mit einem Wohnsitz in Deutschland geregelt.

Dies gilt auch dann, wenn die Fahrerlaubnisbehörde in Deutschland die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von der Beibringung einer positiven MPU abhängig macht!

2. Ausnahmen

In § 28 Abs. 4 FV hat der deutsche Gesetzgeber eine Reihe von Ausnahmen festgelegt, die zur Ungültigkeit einer EU-Fahrerlaubnis im Inland führen.

Die Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis scheidet u. a. dann aus, wenn sich aus der EU-Fahrerlaubnis selbst oder auf der Grundlage von „unstreitbaren Informationen“ ergibt, dass der Inhaber im Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellerstaat nicht erfüllt hat.

Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV muss der Betroffene im Zeitpunkt der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis das sog. Wohnsitzerfordernis erfüllen (EuGH NJW 2011,3635 – Grasser). Der EU-Fahrerlaubnisinhaber muss deshalb für mindestens 185 Tage seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellerstaat gehabt haben (Art. 12 Abs. 1 Fs RL).

Wann zur Überzeugung eines deutschen Richters „unstreitbare Informationen“ dafür vorliegen, dass der Betroffene seinen ordentlichen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis nicht im Ausstellerstaat eines EU-Staats hatte, ist Tatfrage und wird immer im konkreten Einzelfall beurteilt. Es muss also immer jeder Fall für sich juristisch begutachtet und beurteilt werden. Pauschalbewertungen gibt es nicht und entsprechen auch nicht einer qualifizierten Rechtsberatung!

Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass die deutschen Gerichte bei der Prüfung der sog. Wohnsitzauflage eher strengere Maßstäbe anlegen, um so den sog. Führerscheintourismus aufzudecken und zu verhindern. So gehören Anfragen bei den Melde- und Polizeibehörden im Ausstellerstaat zur Regel.

„Berechtigte Zweifel“ an der Richtigkeit der Wohnsitzangaben im Führerschein können bereits widersprüchliche Angaben des Betroffenen im Rahmen von Polizeikontrollen oder eine ununterbrochene Meldeanschrift in Deutschland sein. Diese Indizien dürfen von den deutschen Behörden zum Anlass für weitere Nachforschungen im Ausstellerstaat genommen werden.

Liegen „unstreitbare Informationen“ des Ausstellerstaats vor, dass die EU-Fahrerlaubnis unter Verstoß der Wohnsitzauflage zustande gekommen ist, so ist der EU-Führerschein in Deutschland ungültig und der Straftatbestand des § 21 StVG erfüllt!

Vorangegangene Maßnahmen deutscher Behörden nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV, beispielsweise die Entziehung des deutschen Führerscheins durch ein deutsches Gericht, führen nicht zur Ungültigkeit der EU-Fahrerlaubnis und nicht zur Strafbarkeit nach § 21 StVG. Denn gerade bei § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV ist auf die Wirkung der Anerkennungspflicht aus Art 2 Abs. 1 3 Fs RL zu achten: Anders als die wörtliche Formulierung kann eine Nichtanerkennung gerade nicht auf diese Vorschrift gestützt werden, wenn dem EU-Fahrerlaubnisinhaber vor Erteilung der EU-Fahrerlaubnis der deutsche Führerschein entzogen worden ist. Denn § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV gilt nur dann, wenn die EU-Fahrerlaubnis – nach einer vorherigen Entziehung der deutschen Fahrerlaubnis im Inland – innerhalb der Sperrfrist nach den §§ 69, 69a StGB erteilt wurde.

Dass dem Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis zuvor im Inland der deutsche Führerschein entzogen oder versagt wurde, stellt keinen Grund dar, die Anerkennung der EU-Fahrerlaubnis zu versagen, wenn die EU-Fahrerlaubnis nicht während einer inländischen Sperrfrist nach den §§ 69,69a StGB erteilt worden ist.

Achtung: Unabhängig von einer Strafbarkeit wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG ist die verwaltungsrechtliche Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine EU-Fahrerlaubnis von der deutschen Fahrerlaubnisbehörde akzeptiert wird! So kann die deutsche Fahrerlaubnisbehörde beispielsweise die Teilnahme am Straßenverkehr in Deutschland mit einer EU-Fahrerlaubnis von Auflagen oder Weisungen abhängig machen. Auch ist es möglich, dass die Fahrerlaubnisbehörde dem EU-Fahrerlaubnisinhaber die Teilnahme mit einer EU-Fahrerlaubnis am Straßenverkehr in Deutschland unter Umständen vollständig versagt! Dies gilt auch dann, wenn die Strafbarkeit nach § 21 StVG verneint wird und der EU-Fahrerlaubnisinhaber von der Strafbarkeit des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG von einem deutschen Gericht freigesprochen wird! Dies wird Gegenstand meines noch folgenden Rechtstipps sein.

Der Rechtssuchende sollte sich fachkundigen Rechtsrat holen, um seinen konkreten Einzelfallanwaltlich prüfen zu lassen. Dabei muss zwischen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und dem Verwaltungsrecht differenziert werden. Auch wenn eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 21 StVG verneint wird und der Betroffene von dem Tatvorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis freigesprochen wird, ist die Führerscheinstelle als Verwaltungsbehörde daran nicht gebunden. D. h. die Führerscheinstelle kann unter Umständen die Teilnahme mit einer EU-Fahrerlaubnis am deutschen Straßenverkehr versagen und einen sog. Sperrvermerk erlassen. Wie sich der Rechtssuchende in der konkreten Situation verhalten soll und welche Konsequenzen auf ihn zukommen, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen.

Als Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht helfe ich Ihnen gerne weiter. Sprechen Sie mich an!


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