Fakten zum BWF-Skandal vom 14. Juni 2015

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Es wird viel diskutiert über das „Anlagegold“ der Berliner Wirtschafts- und Finanzstiftung (BWF-Stiftung) in Trägerschaft des Bund Deutscher Treuhandstiftungen e.V. (BDT e.V.). Bislang haben weder die Ermittlungsbehörden, noch der vorläufige Insolvenzverwalter Belastbares für Anleger und Vermittler zu den drängendsten Fragen verlauten lassen: Wie ist es um die Qualität und den Wert des beschlagnahmten Metalls und anderer Vermögensgegenstände bestellt? Wem gehört das Metall bzw. wer hat wann Eigentum daran erworben? Wie geht es jetzt weiter? Die bis dato ausgeblieben Antworten führen seitens der Anleger und Vermittler zu vielen Spekulationen, an denen einige Anlegeranwälte nicht ganz unbeteiligt sind. Spekulationen sind jedoch nicht zielführend.

BEMK Rechtsanwälte recherchieren aktuell in mehreren kapitalmarktrechtlichen Komplexen, unter anderem auch im BWF-Komplex. Hier vertreten wir einen engagierten Kreis von ehemaligen BWF-Vermittlern, die besonders an Aufklärung interessiert sind sowie daran, dass den betroffenen Anlegern so gut wie möglich geholfen wird. Gemeinsam konnten wir aktuelle Erkenntnisse gewinnen, die ausführlich und mit rechtlichen Anmerkungen versehen in Zwischenberichten im Mandantenkreis dargelegt wurden. Diese Erkenntnisse stammen aus den letzten zwei Monaten und erfolgten Stück für Stück. Sie waren den Anlegern und Vermittlern vorher bzw. bei Zeichnung nicht bekannt. Teile davon werden nun hier veröffentlicht, um die Faktendichte zu erhöhen, an welcher sich Betroffene orientieren können. Entsprechende Belege liegen vor.

  1. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 teilte die BaFin dem BDT e.V. mit, dass das Anlagemodell in beiden Varianten als Einlagengeschäft zu qualifizieren sei.
  2. In der Folge ist es dem BDT e.V. nicht gelungen, die von ihm selbst vorgeschlagene freiwillige Rückabwicklung unbedingt und unverzüglich im Sinne des KWG sowie verlangte Nachweise und angekündigte Sicherheiten vollends darzustellen. Hinzu kam später ein „BWF-Rundschreiben“, welches der BaFin anonym Mitte Januar 2015 zugeleitet wurde, in welchem der BDT e.V. u.a. darüber informierte, dass er bei der Bundesanstalt nachweislich im Jahr 2011 alle Verträge und Dokumente der BWF-Stiftung vorgelegt und damit das Geschäftsmodell angezeigt habe.
  3. Die BaFin unterrichtete jedoch zuvor im Dezember 2014 den Verfahrensbevollmächtigten des BDT e.V. darüber, dass es unrichtig sei, dass das Geschäftsmodell des BDT e.V. von der BaFin als erlaubnisfrei beurteilt worden sei. Auch uns (BEMK) gegenüber führte die Bundesanstalt im April 2015 aus, dass die betreffenden Anlagemodelle weder vom BDT e.V., noch von Bevollmächtigten zur Prüfung vorgelegt worden seien.
  4. Deutlich früher, im Februar 2012, schrieb die BaFin indes die Staatsanwaltschaft Berlin an und machte auf die Geschäftstätigkeit der BWF-Stiftung bzw. die Anlagemodelle aufmerksam.
  5. Die Kempkes Rechtsanwaltsgesellschaft mbH wiederum bestätigte mit Schreiben vom Juni 2012, dass weder die Goldkaufverträge, noch deren Vermittlung der BaFin-Aufsicht unterliegen. Vermittler (und auch Anleger) haben sich darauf verlassen. Die Kempkes Rechtsanwaltsgesellschaft mbH übernahm laut „Gesamtdarstellung Stand 2013“ der BWF-Stiftung die „Gründungsberatung“ und die „Konzeptentwicklung der Firmen und Produktstrukturen“.
  6. Eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Niederlassung Berlin) wurde von der Stiftung beauftragt, den Goldbestand zum 31. Oktober 2014 zu überprüfen. Die Überprüfung erfolgte nach dem Standard ISAE 3000. Danach ist die Prüfung so zu planen und durchzuführen, dass ein hinreichend sicheres Urteil über den Goldbestand abgegeben werden kann. In einer entsprechenden „Bescheinigung (Reasonable Assurance-Auftrag)“ aus Dezember 2014 gelangt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu dem Ergebnis, dass sich in der Lagerstätte „physisch die Goldmenge“ befände, die den Kunden aufgrund ihrer vertraglichen Einzahlungen bis dahin zuzuordnen sei.
  7. Auch die Kempkes Rechtsanwaltsgesellschaft mbH bestätigte bereits früher (im Mai 2013) gegenüber der BWF-Stiftung, dass zum Stichtag 31. Dezember 2012 alle ausgewiesenen Kundendepots mit den entsprechenden Goldmengen identisch waren und dass das von der BWF-Stiftung erworbene Gold „Anlagegold“ im Sinne von § 25c UStG entspreche.
  8. Der BDT e.V. gab gegenüber der BaFin im Dezember 2014 an, dass in der Zeit von August 2011 bis September 2014 Kundengelder in Höhe von 48.106.321,88 EUR angenommen worden seien. Später gab der BDT e.V. an, dass es sich um etwa 6500 Anleger handele.
  9. Am 6. Februar 2015 erließ die BaFin den Abwicklungsbescheid. Dieser wurde dem BDT e.V. am 25. Februar 2015 bekannt gegeben im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen. Zum Abwickler wurde ein Rechtsanwalt bestellt.
  10. Das AG Charlottenburg bestellte am 30. März 2015 einen anderen Rechtsanwalt zum vorläufigen Insolvenzverwalter.
  11. Abwickler und vorläufiger Verwalter sind beide Partner und Namensgeber derselben Rechtsanwaltsgesellschaft bzw. Partnerschaftsgesellschaft, die sich selbst beschreibt als eine der „bundesweit führenden und hervorragend vernetzten Kanzleien“ im Bereich Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz.
  12. Das Landgericht Berlin hat mit Beschluss vom 10. Juni 2015 den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 30. März 2015 insoweit aufgehoben, als darin der eine Rechtsanwalt zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wird. Der Grund lag im Wesentlichen in der wirtschaftlichen Verflechtung beider Rechtsanwälte und in dem Umstand, dass der Abwickler in seiner Funktion dem Schuldner gleichzusetzen sei.
  13. Von dritter Seite floss vor wenigen Wochen an einen Insolvenz-Antragsteller bzw. BWF-Anleger Geld. Er erhielt es aus dem Ausland von einer Person mit spanisch klingendem Namen. Es handelte sich um rund 10.000,00 EUR. Parallel dazu erhielt der Antragsteller ein Schreiben von einer Person, die in der Kopfzeile angab, "für BWF Stiftung in Trägerschaft Bund Deutscher Treuhandstiftungen e.V.“ zu handeln. Ob dabei wirklich mit Erfüllungswirkung und für den BDT e.V. gehandelt wurde, ist fraglich.
  14. In einer Online-Stellungnahme des BDT e.V. (www.bdt-stiftungen.de, Stand 30. April 2015) gibt dieser unter anderem an, dass der Verein die satzungskonforme Verwendung der Stiftungsmittel überwacht habe. Sämtliche Goldvorräte der Stiftungen seien von der TMS Dienstleistungs GmbH in Berlin eigenständig und ohne Verpflichtung zur Rechenschaft erworben worden. Die TMS GmbH habe auch den Zwischenhandel eigenständig betrieben. Die TMS GmbH habe auch die Einlagerung im Tresor zu verantworten. Die eigene Tätigkeit es BDT e.V. in diesem Zusammenhang habe sich im Grunde nur hin und wieder auf Sichtkontrollen beschränkt, wobei die TMS GmbH nicht nur den BWF-Bestand lagerte, sondern auch andere Bestände.
  15. In der Anlegerbroschüre wird jedoch versprochen, dass die BWF-Stiftung (die ausschließlich über den BDT e.V. als Stiftungsträger handeln kann) dem Anleger nur Gold verkauft, das auf internationalen Handelsplätzen akzeptiert wird, das von anerkannten Raffinerien stammt und welches einen Reinheitsgehalt von 999/1000 aufweist. Für die Überwachung und Qualitätskontrolle war explizit der BDT e.V. zuständig. Von einer TMS GmbH stand weder etwas in der Anlegerbroschüre, noch in dem Beraterhandbuch. Verantwortlich für die Broschüre war die Stiftung in Trägerschaft des Vereins.
  16. Sowohl über das Vermögen der TMS GmbH (AG Charlottenburg, 30. April 2015), als auch jüngst über das Vermögen der Kempkes Rechtsanwaltsgesellschaft mbH wurde das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet (AG Köln, 11. Juni 2015).
  17. Der Vorwurf der BaFin lautet auf Betreiben eines unerlaubten Bankgeschäfts (Einlagengeschäft gemäß §§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 32 Abs. 1, 54 Abs. 1 KWG). Zum Betreiben eines „Bankgeschäfts“ gehören nicht allein der Abschluss und die Abwicklung der § 32 Abs. 1 Satz 2 KWG aufgezählten Rechtsgeschäfte, sondern bereits die wesentlichen zum Vertragsschluss hinführenden Schritte. § 32 Abs. 1 KWG erfasst mithin die gesamte Geschäftstätigkeit einschließlich der Vorbereitung des konkreten Vertragsabschlusses. Die vertragliche Einbeziehung von Vermittlern in das Zustandekommen konkreter Anlageverträge ist dem Anbieter als Teil des Betreibens des eigenen Bankgeschäfts zuzurechnen; vgl. BVerwG 8 C 2.09, U. v. 22. April 2009. Den BWF-Vermittlern kann also nicht selbst das unerlaubt betriebe Geschäft vorgeworfen werden oder eine Beteiligung daran, wie es einige Anlegeranwälte tun.
  18. Auch unter der Annahme, dass die Verträge der Anleger mit der BWF-Stiftung gegen das KWG-Verstoßen und §§ 32, 54 KWG Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellen, bleiben die Verträge grundsätzlich wirksam, da damit kein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB gegeben ist; vgl. BGH XI ZR 256/10, U. v. 19. April 2011.
  19. Ebenfalls fragwürdig erscheint der Vorhalt einiger Anlegeranwälte, bei einer solchen Konstellation sei von mangelnder Plausibilität auszugehen. Denn gerade die Rückkaufsverpflichtung stellte ja den aufsichtsrechtlichen Problempunkt dar. Diese Verpflichtung jedoch ist ein normaler, einfacher schuldrechtlicher Anspruch. Wie soll dieser als solcher unplausibel sein? Er ist eine bestehende Verpflichtung und nicht etwa eine unternehmerische Beteiligung. Zudem sahen die Verträge auch den Erwerb von Goldeigentum durch die Anleger vor, dessen Gegenwert nach dem Willen der Vertragsparteien jedenfalls bestehen bleiben sollte.
  20. Dass später möglicherweise Ausführungs- und Managementfehler oder gar Straftaten im Zusammenhang mit dem Anlagegold begangen wurden, war für Anleger und Vermittler gleichermaßen unersichtlich und stellt keinen Aufklärungsfehler dar. Vielmehr ließe dies eine Haftung des Managements als überprüfenswert erscheinen.
  21. Nunmehr bleibt abzuwarten, was in dem BDT-Insolvenzverfahren geschieht. Es muss ein neuer vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt werden. Das Gutachten muss vorgelegt und eventuell nachbegutachtet werden. Es sollte ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt werden, damit wenigstens künftig die Gläubiger die Verwaltungsstrategie mitbestimmen können. Für Anleger, die sich vertreten lassen wollen, scheint insolvenzrechtliche Expertise neben der kapitalmarktrechtlichen bei dem Anwalt der Wahl geboten.
  22. Ebenfalls abgewartet werden muss der Fortgang der Ermittlungsverfahren. Hieraus wird sich die Menge des beschlagnahmten Goldes ergeben sowie, ob und wer sich ggf. falsch verhalten hat. Das alles ist noch unklar.

Daniel Blazek, BEMK Rechtsanwälte, Juni 2015.


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