Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen – Beruf – Einkommen

  • 8 Minuten Lesezeit

von Rechtsanwalt Christian Fiehl, LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Mayer | Rechtsanwälte

Häufig tritt bei Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung oder Krankenversicherung vorgerichtlich oder im Laufe eines Zivilprozesses die Anfechtungserklärung, der Rücktritt oder die Vertragsanpassung durch den Versicherer auf.

Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Gesundheitsfragen falsch beantwortet wurden. Das heißt, die vom Versicherer gestellten Fragen nicht wahrheitsgemäß durch den Versicherungsnehmer oder dessen Makler beantwortet wurden.

Nach der Zielrichtung der Gesundheitsfragen und dem Inhalt des Antragsformulars muss auch aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers unzweifelhaft zu erkennen sein, dass es sich bei den Gesundheitsfragen um Fragen des Versicherers handelt, an den sich der Antrag richtet. Da das Antragsformular sämtliche Informationen enthält, die der Versicherer zur Prüfung der Annahmefähigkeit des Antrages benötigt, erschließt sich bereits aus diesem Zweck, dass auch die Beantwortung der Gesundheitsfragen gegenüber dem Versicherer erfolgt. Überdies verdeutlichen der im Antragsformular vor den Gesundheitsfragen enthaltene Hinweis und die dortige Bezugnahme auf die Schlusserklärung, dass die Gesundheitsfragen als vom Versicherer gestellt gelten.

Den Gesundheitsfragen muss durch den Versicherer eine Belehrung über die Rechtsfolgen einer Falschbeantwortung vorangestellt werden. Häufig sieht dies folgendermaßen aus:

„Mir ist bekannt, dass ich die in dem Antrag gestellten Fragen nach bestem Wissen, wahrheitsgemäß und vollständig in Textform beantworten und dabei auch von mir für unwesentlich gehaltene Erkrankungen, Störungen oder Beschwerden angeben muss. Bei Verletzung dieser Pflicht kann der Versicherer unter Umständen vom Vertrag zurücktreten, den Vertrag kündigen, ihn anpassen oder anfechten. (…)“

Aufgrund dieses Hinweises erschließt sich auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, dass durch die Beantwortung der Gesundheitsfragen die vorvertragliche Anzeigepflicht gegenüber dem Versicherer erfüllt werden soll und es sich bei den Gesundheitsfragen dementsprechend um Fragen des Versicherers handelt, die von diesem zur Prüfung der Annahmefähigkeit des Antrages gestellt werden.

Wurden die Fragen gleichwohl falsch beantwortet, dann führt dies dazu, dass der Versicherer entweder den Rücktritt, die Anfechtung oder die Vertragsanpassung wählen kann. Rücktritt und Vertragsanpassung sind jedoch daran geknüpft, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer ordnungsgemäß belehrt hat. Beantwortet der Versicherungsnehmer die Fragen aber vorsätzlich, das heißt willentlich und wissentlich falsch, dann kann er sich später nicht darauf berufen, er sei nicht ordnungsmäßig belehrt worden.

Falschangaben von Beruf und Einkommen; Grundsätze der Risikoprüfung

Soweit der Versicherungsnehmer, der etwa falsche Angaben zu seinem Beruf oder seinem Einkommen gemacht hat, später bestreitet, dass es für den Versicherer auf Beruf oder Einkommen ankäme, kann der Versicherer hier den Gegenbeweis durch Vorlage der Annahmerichtlinien führen. Handelt der Versicherungsnehmer dabei aber arglistig oder liegt die Gefahrerheblichkeit des Berufs auf der Hand, dann führt die Falschangabe zu den oben skizzierten Rechtsfolgen.

Eine Vorlage der Grundsätze der Risikoprüfung ist dabei seitens der Versicherung weder angezeigt noch erforderlich, wenn bereits offenkundig ist, dass die Beklagte einen Arbeitslosen, oder auch einen Teilnehmer einer Reha-Maßnahme, welcher sich bei den Gesundheitsfragen über seinen Gesundheitszustand in Unwahrheiten flüchtet, nicht versichert hätte.

Der Versicherer muss aber seinerseits seine Grundsätze der Risikoprüfung nur dann substantiiert darlegen, wenn die Gefahrerheblichkeit nicht ohnehin auf der Hand liegt. Der Versicherer ist also nur dann gehalten, seine Risikoprüfungsgrundsätze offen zu legen, wenn es sich um eine Gesundheitsstörung handelt, die offenkundig als leicht einzuordnen, nicht wiederholt aufgetreten ist und deshalb von vornherein keinen Anlass dafür bietet, dass sie für die Risikoeinschätzung des Versicherers von Bedeutung sein könnte (BGH vom 11. Februar 2009 – IV ZR 26/06; VersR 2009, 529).

War der Versicherungsnehmer zum Antragszeitpunkt als Arbeitsloser bzw. Praktikant und Teilnehmer an einer beruflichen Wiedereingliederungsmaßnahme nicht versicherbar, so ist der Versicherer berechtigt, sich vom Vertrag zu lösen.

Grundsätzlich besteht für einen Antragsteller, der kein regelmäßiges bzw. gar kein Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts erzielt, kein versicherbarer Bedarf für eine Berufsunfähigkeitsdeckung.

War der Versicherungsnehmer etwa zum relevanten Zeitpunkt der Antragstellung Praktikant, dann war er gar nicht versicherbar. Gleiches gilt für eine Tätigkeit im Rahmen der beruflichen Wiedereingliederung.

Dies verständlicherweise, da die Idee der Berufsunfähigkeitsversicherung darauf basiert, dass im Falle einer krankheitsbedingten Einschränkung der Berufsausübung und einer damit einhergehenden Einkommensminderung (oder gar eines Einkommenswegfalls), ein finanzieller Ausgleich für den Wegfall des entsprechenden beruflichen Einkommens geschaffen werden soll. D. h. das versicherte Interesse liegt im Wesentlichen in einem Ausgleich bzw. im Erhalt der bisherigen, durch berufliche Tätigkeit geschaffenen, finanziellen Lebensstellung. Soweit nun gar keine berufliche Tätigkeit ausgeübt wird, also der Lebensunterhalt anderweitig, bspw. durch Lohnersatzleistungen, bestritten wird, bedarf es des angesprochenen Ausgleichs nicht, da entsprechende Leistungen auch bei Bestehen von erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen, die Einfluss auf eine Berufsfähigkeit haben, in gleicher Höhe erfolgen, d. h. bei einer Arbeitsunfähigkeit während der „Arbeitslosigkeit“ erhält der Betroffene zunächst 6 Wochen weiterhin Arbeitslosengeld und anschließend (bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit) Krankengeld. Letzteres entspricht allerdings der Höhe des Arbeitslosengeldes (§ 47b SGB V).

Unabhängig davon, dass schon kein versicherbares Interesse bei Bestehen einer Arbeitslosigkeit erkennbar ist, kommt hinzu, dass eine Berufsgruppenzuordnung nicht möglich ist, also eine korrekte Prämienberechnung nicht erfolgen kann, da keine konkrete berufliche Tätigkeit als Maßstab existent ist.

Zudem stellt sich bei Antragstellern, die nicht über ein geregeltes Einkommen verfügen bzw. die ihren Lebensunterhalt aus Lohnersatzleistungen o. Ä. bestreiten, die Frage, inwieweit diese in der Lage sind, finanzielle Mittel für die regelmäßig zu zahlenden Versicherungsprämien aufzubringen.

D. h., die Solvenz eines Vertragspartners, mit welchem regelmäßig ein langfristiger Vertrag geschlossen werden soll, ist unklar und damit nachvollziehbar problematisch.

Letztendlich besteht zusätzlich die Gefahr einer „Überversicherung“ und damit die Gefahr der Erhöhung des subjektiven Risikos bei einer BU-Absicherung eines „Arbeitslosen“, da als Maßstab für die versicherbare Rente regelmäßig das beruflich erzielte Einkommen heranzuziehen ist, wobei ein solches bei einem „Arbeitslosen“ faktisch nicht bekannt ist bzw. etwaige berufliche Einkünfte aus der Vergangenheit nicht herangezogen werden können, da diese keine Aussagen zur künftigen Entwicklung der finanziellen Lebensstellung zulassen.

Rein „praktisch“ kommt schließlich hinzu, da „Arbeitslosigkeit“ keine berufliche Tätigkeit darstellt, dass im Falle des Auftretens einer Erkrankung ein potentieller Leistungsfall kaum geprüft werden könnte, da ein zugrunde zulegendes Berufsbild faktisch nicht vorhanden wäre, zumal ein Rückgriff auf eine in der Vergangenheit ggf. ausgeübte, hier dann vor Versicherungsbeginn liegende Tätigkeit aus unterschiedlichen Gesichtspunkten heraus sehr problematisch wäre (bspw. wäre dann u. U. ein Beruf prüfungsrelevant, der außerhalb des versicherten Zeitraums liegt und für den möglicherweise nie Versicherungsschutz begehrt (seitens des Versicherten) oder gewährt (seitens des Versicherers) worden wäre).

Zusammenfassend stellen sich Gründe dafür, dass „Arbeitslose“ gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit versichert werden können, also wie folgt dar:

  • es besteht kein versicherbares Interesse
  • eine Berufsgruppeneinordnung und damit eine korrekte Tarifierung ist nicht möglich
  • das wirtschaftliche Vermögen, Versicherungsprämien zahlen zu können, ist von vornherein unklar
  • es besteht die Gefahr der „Überversicherung“ und damit ein erhöhtes subjektives Risiko
  • die Prüfung eines potenziellen Leistungsfalles wäre nicht möglich

Verhältnis Wiedereingliederungsmaßnahme und Arbeitslosigkeit

Auch eine Wiedereingliederungsmaßnahme, die während einer Arbeitslosigkeitszeit erfolgt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2013 – B 11 AL 20/12 R) den Status der „Arbeitslosigkeit“ nicht aufhebt, d. h., auch vor diesem Hintergrund wäre der Versicherte als „arbeitslos“ und damit nicht gegen Berufsunfähigkeit versicherbar zu sehen.

Falsche Berufsangabe

Die Rechtsprechung hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Falschangaben in Bezug auf die berufliche Tätigkeit auseinandergesetzt. Dabei wird seitens der Rechtsprechung u. a. die Auffassung vertreten, dass die Nichtangabe einer bestehenden Arbeitslosigkeit ein arglistiges Verhalten darstellen und zur Erklärung einer Anfechtung berechtigen kann, wenn stattdessen ein Beruf angegeben wird, der zum Zeitpunkt der Antragstellung gar nicht ausgeübt wurde (vgl. KG Berlin, VersR 2007, 973).

Verhältnis Arbeitslosigkeit zu anderen „Nicht-Erwerbstätigkeiten“

Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass selbstverständlich Tätigkeiten bzw. Berufe, wie Hausmänner/-frauen, Studenten, Schüler und Auszubildende gegen Berufsunfähigkeit versichert werden können, gleichwohl diese – zumindest vergleichbar wie bei Arbeitslosen – ebenfalls kein Einkommen, was zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient, erzielen.

Der Unterschied zur „Arbeitslosigkeit“ ist allerdings zum einen der, dass bei diesen Tätigkeiten lediglich niedrige Leistungshöhen vereinbart werden können, die wiederum den finanziellen Lebensstandard berücksichtigen. Zum anderen ergeben sich keine Probleme bei der Tarifierung und der Leistungsprüfung, da hier eine „berufliche“ Tätigkeit konkret bekannt ist.

D. h., im Ergebnis lassen sich diese „Berufsgruppen“ nicht mit „Arbeitslosen“ vergleichen, schon gar nicht, wenn letztere ihren tatsächlichen Status verschleiern bzw. nicht angeben.

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Täuscht der Versicherungsnehmer vorsätzlich und willentlich mit seinen unzutreffenden Angaben, hat der Kläger die Beklagte arglistig getäuscht. Eine arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB liegt zwar nur vor, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur eine bewusst unrichtige Erklärung abgibt, sondern auch – zumindest mit bedingtem Vorsatz – beabsichtigt, durch die unrichtige Erklärung auf die Willensentschließung des Versicherers Einfluss zu nehmen (OLG Hamburg, VersR 1971, 902). Diese subjektive Komponente setzt bei dem Versicherungsnehmer das Bewusstsein voraus, dass der Versicherer seinen Antrag bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde (OLG Köln, VersR 1996, 831).

Für die Feststellung der Täuschungsabsicht sind daher weitere Umstände erforderlich, aus denen diese Absicht gefolgert werden kann. Derartige Umstände sind vorliegend gegeben. Da es sich insoweit um eine innere Tatsache handelt, kann der Beweis regelmäßig nur anhand von Indizien geführt werden, wobei das Gericht sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen kann, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen (BGH Z 51, 245, 255 f.).

Wesentliche Indizien können sich ergeben aus Art, Umfang und Bedeutung der unrichtigen und unvollständigen Angaben, aus dem Persönlichkeitsbild des Antragstellers, dessen Bildungsstand, den besonderen Umständen bei der Ausfüllung des Antrags und der Art der Versicherung (vgl. Benkel/Hirschberg, § 6 ALB, Rdnr. 86). Dabei ist eine Gesamtschau der Indizien vorzunehmen, wobei der Versicherungsnehmer die Gründe für die falsche Beantwortung darzutun und einer Nachprüfung zugänglich zu machen hat (BGH, VersR 1971, 142, 144).

Der Kläger hat aber keine überzeugenden Gründe dafür dargetan, wieso er seine medizinische Vorgeschichte verschwiegen hat und seine berufliche Tätigkeit „übertrieben“ dargestellt hat und sein zu versteuerndes Einkommen unzutreffend angegeben hatte.

Danach muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger falsche Angaben gemacht hat, um Einfluss auf die Entschließung der Beklagten zu nehmen (vgl. OLG Hamburg, a. a. O.; VersR 1975, 561, 562; OLG Köln, a. a. O.). Durch die unrichtige Beantwortung der Fragen hat der Kläger von seiner Person und seinem Gesundheitszustand ein falsches Bild gezeichnet, wobei er damit rechnete, dass die Beklagte seinen Antrag nicht oder nur zu anderen Bedingungen annehmen werde, wenn er die Fragen wahrheitsgemäß beantwortet hätte.

Gerne stehen wir Ihnen für eine individuelle Beratung zu Verfügung!

Rechtsanwalt Christian Fiehl, LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Mayer | Rechtsanwälte



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Christian Fiehl

Beiträge zum Thema