Falsche Überweisung: Mache ich mich strafbar, wenn ich zu viel erhaltenes Geld auf dem Konto abhebe und ausgebe?

  • 7 Minuten Lesezeit

Stellen Sie sich vor, Sie bekommen eine Push-Nachricht auf Ihrem Smartphone. Es ging soeben eine Überweisung auf Ihrem Konto ein: 10.000 EUR

Ihr Herz rast, Sie können Ihr Glück kaum fassen. Sie fahren zu Ihrer Bank des Vertrauens und heben das Geld ab. Denn: Nur Bares ist Wahres!

Aber: Machen Sie sich deswegen strafbar? 

Hier erfahren Sie die Antwort.


In Betracht kommen folgende Straftatbestände:

  1. Diebstahl, § 242 StGB
  2. Betrug, § 263 StGB
  3. Computerbetrug, § 263a StGB
  4. Unterschlagung, § 246 StGB
  5. Untreue, § 266 StGB



1. Diebstahl



Um sich eines Diebstahls nach § 242 Abs. 1 StGB strafbar zu machen, müssten die Geldscheine zunächst eine

  • fremde bewegliche Sache

sein.

Die konkret abgehobenen Geldscheine stellen eine Sache, also einen körperlichen Gegenstand (§ 90 BGB), dar. 

Diese müssten aber auch fremd gewesen sein. Fremd sind solche Sachen, die weder im Alleineigentum des Täters stehen noch herrenlos sind.

Hier könnte gesagt werden, dass ursprünglich die Bank Eigentümer der Geldscheine gewesen ist; die Scheine also für den Kunden fremd sind. 

Allerdings muss beachtet werden, dass die Geldscheine entweder durch den Bankautomaten oder durch den Bankmitarbeiter herausgegeben wurden infolge ordnungsgemäßem Verhalten: Der Kunde ist berechtigt, mit der EC-Karte auf das eigene Bankkonto zuzugreifen und Geld abzuheben. 

Dadurch werden die Scheine von der Bank an den Kunden übereignet (§ 929 S. 1 BGB). Daraus folgt, dass die Geldscheine im Zeitpunkt des An-sich-nehmens (§ 8 S. 1 StGB) für den Kunden nicht mehr fremd sind.




Gut zu wissen: Darüber hinaus würde auch keine „Wegnahme“ gemäß § 242 Abs. 1 StGB vorliegen. 

Hierunter versteht man den Bruch fremden und die Begründung neuen – nicht notwendigerweise tätereigenen – Gewahrsams gegen oder ohne den Willen des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers.

Ursprünglicher Gewahrsamsinhaber war die Bank. Die Übergabe der Scheine an den Kunden erfolgte aber gerade nicht gegen oder ohne den Willen der Bank. Sondern vielmehr mit dem Willen der Bank, indem der Bankautomat ordnungsgemäß bedient wurde oder der Bankmitarbeiter das Geld auf Wunsch dem berechtigten Kunden auszahlte.




Folglich scheidet eine Strafbarkeit wegen Diebstahls nach § 242 StGB aus.



2. Betrug, § 263 StGB



Hebt der Kunde das Geld am „Schalter“ bei einem Bankmitarbeiter ab, könnte er sich wegen Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.

Voraussetzung wäre zunächst, dass der Mitarbeiter der Bank über 

  • Tatsachen getäuscht wird und
  • dadurch einem Irrtum unterliegt.

Hier stellt sich aber die Frage, worin der Bankkunde durch den Wunsch zur Auszahlung getäuscht haben soll:

  • Er täuscht weder vor, rechtmäßiger Inhaber des Bankkontos zu sein (denn das ist er);
  • noch täuscht er vor, zum Abheben des Geldes berechtigt zu sein (denn auch das ist er).

Man könnte aber fragen, ob der Kunde den Mitarbeiter darüber täuscht, dass der gesamte Geldbetrag auf dem Bankkonto auch tatsächlich „sein“ Geld ist. Denn das ist es aufgrund der Fehlüberweisung ja gerade nicht!

Dadurch könnte der Bankmitarbeiter dem Irrtum unterliegen, das gesamte Geld sei „das Geld des Kunden“.

Aber Achtung: Der Bankmitarbeiter prüft lediglich auf seinem Monitor, ob das Konto in der entsprechenden Höhe gedeckt ist. Woher das Geld kommt und ob die Deckung rechtmäßig in dieser Höhe besteht, geht den Bankmitarbeiter (erstens) nichts an und wird ihm (zweitens) auch egal sein. Ein dahingehendes sachgedankliches Mitbewusstsein des Bankmitarbeiters besteht nicht!




Die frühere Rechtsprechung, die an dieser Stelle zwischen einer Fehlüberweisung und Fehlbuchung unterscheiden wollte, wurde (zu Recht) aufgegeben (BGHSt 46, 196 = NJW 2001, 453). Denn es macht keinen Unterscheid, ob der Betrag auf dem Konto wegen eines bankinternen Fehlers (etwa wegen eines Tippfehlers oder einer Verwechslung) gutgeschrieben wurde (Fehlbuchung) oder aufgrund einer Fehlüberweisung wie hier im Fall. In beiden Fällen macht sich der Bankmitarbeiter keine Gedanken über die Herkunft der Geldsumme auf dem Bankkonto.




Damit fehlt es bereits an einem täuschungsbedingten Irrtum. 


Auch eine Strafbarkeit wegen Betrugs nach § 263 StGB scheidet folglich aus.



3. Computerbetrug, § 263a StGB



Wie ist es nun aber, wenn der Kunde nicht an den „Schalter“ geht, sondern an einen Bankautomaten? Macht er sich dann wegen Computerbetrugs nach § 263a Abs. 1 StGB strafbar?

Voraussetzung hierfür wäre zunächst eine

  • Verwendung unrichtiger Daten oder
  • eine unbefugte Verwendung von Daten,
  • wodurch das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst wird.

Grob gesagt, muss also – äquivalent zum „normalen“ Betrug – der Computer „getäuscht“ werden, wodurch bei diesem ein „Irrtum“ in Form eines veränderten Datenverarbeitungsvorgangs hervorgerufen wird.

Aber auch das scheidet aus. Denn der Kunde bedient den Bankautomaten ordnungsgemäß und berechtigt:

  • Er verwendet die richtigen Daten in Form der originalen Bankkarte und der richtigen Pin-Nummer.
  • Auch besteht – nach der herrschenden betrugsspezifischen Auslegung - keine unbefugte Verwendung von Daten, da ein fiktiver Bankmitarbeiter anstelle des Computers nicht getäuscht worden wäre (s.o.).


Damit liegt im Ergebnis auch keine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs gemäß § 263a StGB vor.



4. Unterschlagung, § 246 StGB



Kommt weder ein Diebstahl noch ein (Computer-)Betrug in Betracht, könnte der Kunde sich wegen Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.

Aber auch hierfür ist es erforderlich, dass die Geldscheine „fremde“ Sachen sind. Wie oben beim Diebstahl (§ 242 StGB) aber schon ausgeführt, sind die Geldscheine für den Kunden nicht (mehr) fremd.


Damit scheidet auch eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung gem. § 246 StGB aus.



5. Untreue, § 266 StGB



Zuletzt könnte sich der Kunde wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.

Voraussetzung hierfür wäre – sowohl in der Missbrauchsvariante (Alt. 1) als auch in der Treubruchsvariante (Alt. 2) – allerdings, dass der Kunde eine sog. Vermögensbetreuungspflicht inne hat.

Diese charakterisiert sich dadurch, dass sie nicht irgendeine Nebenpflicht, sondern eine Hauptpflicht darstellen muss.

Sie verlangt ein Treueverhältnis, dessen Hauptaufgabe die Betreuung des fremden Vermögens ist und das durch eine Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit der Person geprägt ist.

Das muss aber hier ausscheiden: Denn nicht der Kunde hat gegenüber der Bank eine solche Vermögensbetreuungspflicht inne, sondern umgekehrt die Bank gegenüber ihren Kunden! Darüber hinaus hat der Kunde keine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der fremden Person, von der ´dessen Bankkonto das Geld fälschlicherweise abgebucht wurde.


Damit scheidet auch eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB aus.



Darf ich das Geld behalten?


Wie gerade gesehen, macht sich der Kunde nicht strafbar, wenn er zu viel erhaltenes Geld abhebt (und ausgibt). Heißt das aber nun, dass er das abgehobene (und ausgegebene) Geld behalten darf? Oder muss er es zurückzahlen?

An dieser Stelle verlassen wir kurz das Strafrecht und begeben uns in das Zivilrecht: 

Da der Kunde die Geldscheine „ohne Rechtsgrund“ erlangt hat, muss er die Geldsumme natürlich zurückzahlen (§ 812 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Auf den Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB kann er sich bei verprasstem Geld regelmäßig nicht berufen.

Denn kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang (also dass das Geld fälschlicherweise auf dem eigenen Konto gelandet ist), dann ist er ab dieser Kenntnis so zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Geldbetrag durch eine gerichtliche Klage von ihm verlangt worden wäre  (vgl. § 819 Abs. 1 BGB, §§ 253, 261 ZPO).

Wegen dieser verschärften (zivilrechtlichen) Haftung wird dem Kunden kein Gericht glauben, er habe nicht gewusst/bemerkt, dass zu viel gezahltes Geld auf seinem Bankkonto verbucht wurde.



Fazit


Der Kunde, der zu viel erhaltenes Geld von seinem Bankkonto ordnungsgemäß abhebt und ausgibt, macht sich zwar nicht strafbar; er muss das Geld aber zurückzahlen!




Drei Nullen zu viel auf dem Konto; oder: Was mich inspiriert hat


Die Idee zu diesem Beitrag fußt auf einer tatsächlichen Geschichte: Ein Rechtsanwalt hat fälschlicherweise eine Summe von 1.481.000 EUR, statt 1.481 EUR erhalten.

Die drei zu viel gezahlten Nullen hat der gute Mann insbesondere in Eigentumswohnungen für ca. 600.000 EUR, Goldmünzen und Edelmetalle für ca. 120.000 EUR, ein Auto für 50.000 EUR sowie in Schmuck investiert. Wie die Sache weiterging, erfahren Sie in dieser Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Berlin.




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