OLG Karlsruhe: Überweisung auf falsches Konto ist keine Erfüllung.

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Was ist Payment Diversion Fraud?

Payment Diversion Fraud, auch als Zahlungsumleitungsbetrug bekannt, ist eine Art von Betrug, bei dem ein Betrüger versucht, Zahlungen, die eigentlich einem legitimen Unternehmen oder einer Person geschuldet sind, auf ein anderes Konto umzuleiten. Dies geschieht oft durch Täuschung und Manipulation.

Der Betrüger kann sich beispielsweise als Lieferant, Mitarbeiter oder ein anderes Unternehmen ausgeben und den Zahlenden überzeugen, dass die Bankverbindung geändert wurde. Die Gründe für die Änderung können vielfältig sein, wie z.B. eine angebliche Umstrukturierung der Bankkonten oder ähnliches.

Als "Man-in-the-Middle" realisiert der Betrüger diese Attacke in der Regel entweder, in dem er Zugriff auf den Mailserver des Senders oder des Empfängers hat. In einigen Fällen, die wir bearbeitet haben, hat der Betrüger Tippfehlerdomains registriert und sich von außen in die E-Mail-Korrespondenz zwischen verschiedenen Personen hineinbegeben und war auf zufällig beim Rechnungsversand mit in CC und konnte auf diese Weise den Rechnungsempfänger gezielt manipulieren.

Sobald die Zahlung auf das Konto des Betrügers umgeleitet wurde, wird das Geld oft schnell abgehoben oder weiter transferiert, um die Rückverfolgung zu erschweren.

Unternehmen und Einzelpersonen müssen daher wachsam sein und Verfahren implementieren, um solche Betrugsversuche zu erkennen und zu verhindern. Dazu gehören die Überprüfung von Zahlungsanweisungen, die Verifizierung von Kontodaten direkt mit dem Zahlungsempfänger und die Schulung von Mitarbeitern, um betrügerische Aktivitäten zu erkennen.

Payment Diversion Fraud kann erhebliche finanzielle Verluste verursachen und das Vertrauen in Geschäftsbeziehungen untergraben, weshalb es von entscheidender Bedeutung ist, sich dieses Risikos bewusst zu sein und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

OLG Karlsruhe: Keine Erfüllung bei Überweisung auf falsches Konto. Der Schuldner muss jede Rechnung prüfen!

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einem aktuellen Urteil vom 27. Juli entschieden, dass ein Käufer eines Gebrauchtwagens auch dann den vereinbarten Preis an den Verkäufer zahlen muss, wenn er bereits aufgrund einer gefälschten Rechnung mit anderer Bankverbindung an einen Dritten überwiesen hat. Das Urteil hebt den entgegengesetzten Beschluss des Landgerichts (LG) Mosbach vom Mai 2022 auf. 

Zudem macht die Berufungsinstanz deutlich, welche Sicherheitsvorkehrungen beim Versand von geschäftlichen E-Mails zu beachten sind. Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist laut OLG Karlsruhe in der Regel nicht notwendig. Bei der Überweisung von Geld muss man aufmerksam sein, so das OLG.

Man ist für die Entdeckung von Betrug selbst verantwortlich. In diesem speziellen Fall erwarb ein Geschäftsführer eines Unternehmens von einem anderen einen gebrauchten Mercedes E 200 T für 13.500 Euro. Der Verkäufer schickte am selben Tag um 11:44 Uhr die Rechnung als Anhang zu einer E-Mail an den Käufer. Der Kopfbereich und die Fußzeile der Rechnung enthielten ein Konto bei einer Sparkasse für den Geldeingang. 

Zwei Minuten später erhielt der Kunde eine zweite E-Mail mit einer manipulierten Zahlungsaufforderung, die ein Empfängerkonto bei einer Bank in Berlin enthielt. Trotz Merkwürdigkeiten in der E-Mail, überwies der Kunde den Betrag an die zuletzt erhaltene Kontonummer.

Elf Tage später forderte der Verkäufer das Geld ein, das nicht bei ihm eingegangen war. Erst dann stellte sich laut Gerichtsdokumenten heraus, dass die zweite E-Mail aufgrund eines "Hackerangriffs" von einer unbefugten Person versendet wurde. Der Verkäufer erstattete Strafanzeige und klagte gegen den Käufer, der die Zahlung ablehnte und seine Pflichten aus dem Kaufvertrag bereits erfüllt hatte. Das LG Mosbach entschied zugunsten des Beklagten und argumentierte, dass der Kläger "unzureichende" Datensicherheitsmaßnahmen ergriffen hatte.

Die Entscheidung des Käufers wurde vom OLG aufgehoben und er wurde verurteilt, dem Kläger den vereinbarten Preis zuzüglich Zinsen sowie die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Eine Revision wurde nicht gestattet.

Müssen Rechnungsversender Sicherheitsmaßnahmen gegen Payment Diversion Fraud umsetzen?

Nein, Sicherheitsvorkehrungen sind laut OLG Karlsruhe nicht zwingend. Die Berufungsrichter betonen, dass es keine gesetzlichen Vorgaben für Sicherheitsmaßnahmen beim Versand von geschäftlichen E-Mails gibt. Die Art und der Umfang an erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen hängen von den berechtigten Sicherheitserwartungen des betreffenden Verkehrs ab, sofern keine spezifischen Vereinbarungen zwischen den Parteien getroffen wurden. Hierbei ist auch die Zumutbarkeit zu berücksichtigen. Es ist demnach nicht notwendig, eine Transportverschlüsselung oder digitale Signatur einer PDF-Datei nachzuweisen. 

Das OLG hat in diesem Fall festgestellt, dass es keine Verpflichtung gibt, das Sender Policy Framework (SPF) zu nutzen. Für Endnutzer, die keinen eigenen E-Mail-Server betreiben, ist ein solches Prüfverfahren für Berechtigungen zum Versenden von E-Mails nicht relevant. Trotzdem zeigt sich, dass die Sicherheitsvorkehrungen des verkäufenden Unternehmens nicht besonders gut waren: Das E-Mail-Konto des Verkäufers wurde von einem externen Anbieter mit einem Passwort geschützt, das "zwei Personen im gesamten Betrieb" bekannt war und alle zwei bis vier Wochen geändert wurde. 

Erste Hilfe bei Zahlung auf falsches Konto:

  • Melden Sie die falsche Zahlung sofort Ihrer Bank und drängen Sie auf einen Recall 
  • Erstatten Sie Strafanzeige!
  • Sichern Sie alle Beweise
  • Benachrichtigen Sie alle Schuldner/ Gläubiger relevanter Zahlungen
  • Lassen Sie sich anwaltlich beraten, um den Schaden unverzüglich abzuwenden

Fazit

Wenn Sie Rechnungen per einfacher E-Mail ohne elektronische Signatur oder fortgeschrittene elektronische Signatur verschicken, leben Sie als Schuldner gefährlich. Das Oberlandesgericht sieht den Schuldner und Rechnungsempfänger in der Verantwortung - zahlen Sie auf ein falsches Konto, tritt keine Erfüllung auf. Rein rechtlich gesehen, müssen Sie die offene Forderung nochmals bezahlen. 

Haben Sie Geld auf ein falsches Konto überwiesen oder verweigert ihr Schuldner die Zahlung, weil er Geld auf ein falsches Konto überwiesen hat und Ihnen die Schuld gibt? Wir haben viele solcher Fälle bearbeitet und verhandelt. 

Nehmen Sie gerne Kontakt auf, um Ihren Fall zu besprechen. Schreiben Sie uns bei Anwalt.de.




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