Fehldiagnose. Etwa zehn Prozent aller ärztlichen Behandlungen hierzulande sind falsch.

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Wann aber begründet eine falsche Diagnose Anspruch auf Schmerzensgeld? 

Wer Beschwerden hat und sich deswegen einem Arzt anvertraut, darf erwarten, dass er nach dem aktuellen medizinischen Standard behandelt wird. Der Mediziner schuldet keinen Behandlungserfolg, wohl aber „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ – auch bei der Diagnose. Dennoch kann es für Ärzte sehr schwierig sein, eine zutreffende Diagnose zu stellen. Unspezifische oder mehrdeutige Symptome können z.B. auf verschiedene Krankheiten hindeuten, wie das Beispiel der Lähmungserscheinungen bei Migräne und Schlaganfall verdeutlicht. Schmerzensgeld gibt es bei einer Fehldiagnose nur, wenn diese eine nicht mehr vertretbare Fehlleistung des Arztes darstellt. 

Schmerzensgeld gibt es bei einer Fehldiagnose nur, wenn diese eine nicht mehr vertretbare Fehlleistung des Arztes darstellt. Außerdem verläuft eine Krankheit bei jedem Patienten anders. Der Organismus unterscheidet sich von Mensch zu Mensch, sodass die Anzeichen ein und derselben Krankheit bei dem einem stärker oder schwächer ausgeprägt sein können als bei einem anderen. Deshalb fasste der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 1981 ein grundlegendes Urteil: Diagnosefehler dürfen nur sehr zurückhaltend als Behandlungsfehler gewertet werden. Diese Regel gilt bis heute. 

Erst wenn die Diagnose eines Arztes eine nicht mehr vertretbare Fehlleistung darstellt, kann der Patient für die falsche Diagnose Schmerzensgeld verlangen, wenn ihm dadurch ein Schaden entsteht. Denn dann ist die Grenze zum Behandlungsfehler überschritten und Schmerzensgeld möglich.


Schmerzensgeld bei Fehldiagnose: Anspruch nur bei nachweisbarem Schaden

Eine Fehldiagnose allein reicht nicht aus, um Schmerzensgeld zu fordern. Wichtig ist zu klären, ob der Krankheitsverlauf günstiger gewesen wäre, hätte der Arzt korrekt diagnostiziert.

Die zentrale Frage hierbei lautet: Wäre die Krankheit milder verlaufen, wenn die richtige Diagnose rechtzeitig gestellt worden wäre? Oder, um es anders zu formulieren: Ist der aktuelle Gesundheitszustand direkt auf den diagnostischen Fehler zurückzuführen?

Für einen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen einer Fehldiagnose muss der Patient beweisen können, dass sich sein Zustand bei korrekter und zeitnaher Diagnose verbessert hätte. Wenn es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, trägt der Patient die Beweislast für diese Behauptung.

Da es oft komplex ist, diesen Nachweis zu erbringen, hat die Rechtsprechung spezielle Fälle definiert, bei denen sich die Beweislast umkehrt. In solchen Situationen muss der behandelnde Arzt darlegen und belegen, dass der gesundheitliche Schaden nicht aufgrund seiner Fehldiagnose entstanden ist.


Schmerzensgeldtabelle: Urteile zum Schmerzensgeld wegen einer FehldiagnoseSteht nun fest, dass ein Patient einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch hat, stellt sich als nächstes die Frage nach der Höhe des Schmerzensgeldes. Wie hoch bei einem Diagnosefehler das Schmerzensgeld ausfällt, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.
Eine erste Orientierung bieten sogenannte Schmerzensgeldtabellen. Das sind Urteilssammlungen zum Thema Schmerzensgeld. Diese sind jedoch für andere Richter nicht bindend. Jedes Gericht kann daher zu abweichenden Ergebnissen kommen.
Im Folgenden finden Sie Urteile, bei denen wegen falscher Diagnose Schmerzensgeld bejaht wurde.

  • Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29.04.2014 - VI ZR 246/13: Der BGH hat entschieden, dass ein Arzt, der den Patienten nicht über eine konkrete Behandlungsalternative aufklärt, grundsätzlich haftet.

  • BGH, Urteil vom 21.02.2017 - VI ZR 125/16: Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn ein Patient mit akuten Brustschmerzen nicht unverzüglich einem EKG zugeführt wird.

  • Oberlandesgericht (OLG) Köln, Urteil vom 30.10.2013 - 5 U 57/13: Ein Arzt hat die Pflicht, die für die Erkennung einer Erkrankung notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Das OLG hat entschieden, dass bei unterlassener weiterführender Diagnostik ein Diagnosefehler vorliegt.

  • OLG Hamm, Urteil vom 26.11.2013 - 26 U 4/13: Bei einem unklaren Krankheitsbild muss der Arzt den Patienten an einen Facharzt überweisen. Unterlässt er dies, liegt ein Diagnosefehler vor.

  • BGH, Urteil vom 11.06.2013 - VI ZR 4/12: Ärzte sind verpflichtet, bei der Diagnose und Behandlung medizinisch gebotene Untersuchungen durchzuführen. Führen sie diese nicht durch, haften sie für daraus resultierende Schäden.




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