Filesharing: Gibt es eine vorgerichtliche Antwortpflicht bei einer Abmahnung? | Teil 2 von 3

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Dieser Beitrag setzt den vorangegangenen Teil 1 dieses Artikels fort und befasst sich mit der gegenteiligen Rechtsauffassung, die vom LG München I in einem von uns geführten Verfahren bestätigt wurde.

Dem Rechtsstreit lag ein relativ einfacher Sachverhalt zu Grunde: der von uns vertretene Anschlussinhaber erhielt im Jahr 2014 eine Abmahnung. Die Rechtsverletzung rührte jedoch nicht von dem Anschlussinhaber her, sondern war durch einen Dritten begangen worden. 

Konkret: der Anschlussinhaber hatte den Anschluss im Rahmen einer (Unter-)Vermietung zur Verfügung gestellt und wie sich herausstellte, war der Sohn der Mieterin für die Rechtsverletzung verantwortlich.

Aufgrund des damals nicht völlig ausschließbaren Risikos, dass bei Nennung des Täters zumindest eine Störerhaftung des Anschlussinhabers übrig bleiben könnte, wurde sodann aus Sicherheitserwägungen heraus eine deutlich abgeänderte Unterlassungserklärung abgegeben; im Übrigen aber die Rechtsverletzung ohne weiteren Sachvortrag zurückgewiesen. 

Im weiteren Verlauf folgte sodann ein Mahnbescheid und Ende 2017 (nach Widerspruch gegen denselben) auch die Anspruchsbegründung.

Im gerichtlichen Verfahren wurde sodann der Täter benannt. Dieser war zwischenzeitlich nach Ungarn verzogen. Nachdem der Vortrag zunächst durch die Klagepartei bestritten wurde, erfolgte zunächst eine umfangreiche Beweisaufnahme, nach deren Ende feststand: Täter war der benannte Sohn der Mieterin. 

Dies wurde letztlich sogar unstreitig gestellt, und der Streit drehte sich fortan nur noch um die Frage, ob der beklagte Anschlussinhaber nicht doch wieder auf Schadenersatz und Anwaltskosten haften würde, weil er vorsätzlich die Klägerin geschädigt haben solle. 

Alternativ solle der Anschlussinhaber zumindest aufgrund der Verletzung einer vorgerichtlichen Antwortpflicht zumindest auf die Verfahrenskosten haften.

Im Ergebnis wurde die Klage der Rechteinhaberin allerdings in vollem Umfang durch das AG Landshut (10 C 985/18 AG Landshut) abgewiesen. Gegen dieses Urteil legte die Rechteinhaberin Berufung an das LG München I ein, die nun mit Urteil vom 13.11.2019, Az. 21 S 205/19, zurückgewiesen wurde.

Anders als das LG Frankfurt sah das LG München I keine Verpflichtung eines Anschlussinhabers, einen Täter bereits vorgerichtlich zu benennen und begründete diese Entscheidung wie folgt:

„(…)

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz der durch die gerichtliche Inanspruchnahme des Beklagten entstandenen Kosten zusteht.

a) Kein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus c. i .c (§§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB), da allein die einseitige Versendung der Abmahnung keine Vertragsanbahnung o. ä. im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB darstellt (vgl. etwa zu wettbewerbsrechtlichen Gegenansprüchen Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4 Rn. 4.183).

b) Kein Anspruch aus § 242 BGB i. V. m. den Grundsätzen der Störerhaftung

Die Klägerin hat gegen den Beklagten außerdem keinen Anspruch aus § 242 BGB i. V. m. den Grundsätzen der Störerhaftung, insbesondere sind die Grundsätze der Entscheidung Antwortpflicht des Abgemahnten (BGH GRUR 1990, 381) nicht auf die vorliegende Konstellation übertragbar.

aa) Zunächst ist der Beklagte vorliegend kein Störer. Neben einer adäquat kausalen willentlichen Mitverursachung wäre grundsätzlich zur Begründung der Störerhaftung die Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten notwendig. Hierfür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Hiergegen erinnert auch die Klägerin nichts.

bb) Der BGH begründet die Antwortpflicht in der vorgenannten Entscheidung im Übrigen damit, dass der Störer aufgrund der durch seinen Wettbewerbsverstoß entstandenen und durch die Abmahnung konkretisierten wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung nach Treu und Glauben zur Antwort verpflichtet sei. 

Auch hier liegt ein Unterschied, denn der Beklagte hat vorliegend die Urheberrechtsverletzung nicht begangen. Selbst wenn man also eine Parallele zum Wettbewerbsrecht ziehen wollte, fehlt es vorliegend an der Passivlegitimation, da der Urheberrechtsverstoß nicht vom Beklagten verursacht wurde.

cc) Außerdem ist der Beklagte eine Privatperson. Er handelte nicht als Wettbewerber der Klägerin. Eine Übertragung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze ist auch aus diesem Grund nicht zulässig.

c) Kein Anspruch aus dem Unterlassungsvertrag, §§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch wegen einer Nebenpflichtverletzung aus dem Unterlassungsvertrag; mithin scheidet die Verletzung einer Aufklärungspflicht aus.

aa) Die Parteien haben einen Unterlassungsvertrag geschlossen. Der Beklagte hat sich zur Unterlassung verpflichtet (Anlage K7). Dies hat die Klägerin auch angenommen (K8).

bb) Es besteht aber aufgrund der Unterlassungserklärung keine Nebenpflicht für den Beklagten nach § 241 Abs. 2 BGB im Wege einer Aufklärungs- bzw. Informationspflicht, den wahren Täter zu benennen.

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagte bereits im Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags bestritten hat, der wahre Täter zu sein (Anlage K7 S. 2). Im Übrigen gab er die Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Schuldeingeständnis ab (Anlage K7 S. 2). Für die Klägerin war daher bei Annahme ersichtlich, dass der Unterlassungsvertrag entsprechende Pflichten nicht umfassen sollte.

Im Übrigen ergibt sich aus einem derartigen Unterlassungsvertrag, der aus einer unberechtigten Abmahnung entsteht – der also nicht den Täter oder Störer zur Unterlassung verpflichtet – keine Pflicht für den Anschlussinhaber, den wahren Täter zu benennen.

Auch hier sind die Grundsätze aus wettbewerblicher Haftung nicht übertragbar, wie sie der BGH in der Entscheidung Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners (BGH GRUR 1990, 542) aufgestellt hat. So hat der Beklagte bislang keinen Urheberrechtsverstoß begangen, da er nicht Täter der streitgegenständlichen Verletzungshandlung war. 

Auch kam es nicht zu einer Wiederholung der Verletzung nach Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung, über die der Beklagte ggfs. aufklärungspflichtig gewesen wäre. Außerdem ist der Beklagte als Privatperson nicht einem Wettbewerber der Klägerin gleichzustellen.

d) Keine andere Beurteilung aus den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast

Auch aus den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast folgt nicht, dass die oben genannten möglichen Anspruchsgrundlagen anders zu beurteilen wären. Die von der Klägerin benannten Urteile sind daher nicht geeignet, die Klageforderung zu begründen. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast sind ein rein prozessuales Institut, das im Rahmen von § 138 ZPO zu beachten ist.

Die sekundäre Darlegungslast trifft den Anschlussinhaber insoweit, als eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass er Täter der jeweiligen streitgegenständlichen Verletzungshandlung ist. Um dieser Vermutung zu entgehen, kann er – um der eigenen Haftung aus Vermutung zu entgehen – Tatsachen vortragen, nach denen ernsthaft ein anderer Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt (vgl. etwa Loud (BGH GRUR 2017, 1233 – Loud, EuGH GRUR 2018, 1234 – Bastei-Lübbe/Strotzer). 

Der Anschlussinhaber hat es demnach im Prozess selbst in der Hand, ob er selbst haftet oder den Täter benennt, um einer eigenen Haftung zu entgehen.

Die sekundäre Darlegungslast ist aber ein Institut der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess – sie ist nicht geeignet, dem Beklagten bzw. Anschlussinhaber außergerichtliche Pflichten oder Obliegenheiten aufzuerlegen.

Würde man dies anders sehen und eine entsprechende vorprozessuale Handlungspflicht bejahen, führte dies dazu, dass der Anspruch, den wahren Täter zu benennen ggfs. einklagbar wäre. Dies kann jedoch aus einer reinen Beweislastregel nicht folgen.

Im Übrigen wird der Schutzrechtsinhaber auch nicht schutzlos gestellt. Er kann gegen den im Prozess offenbarten Dritttäter vorgehen und von diesem auch die Kosten des Erstprozesses und der ersten Abmahnung des Anschlussinhabers als Schadensersatz geltend machen (vgl. BGH GRUR 2018, 914 – Riptide).

Soweit die Klägerin insoweit ausführt, dass der Anspruch gegen den Dritten oftmals leerlaufe, kann dies die Kammer nicht überzeugen. Würde die Rechtsverletzung nach Abmahnung alsbald gerichtlich verfolgt – und nicht wie vorliegend lange zugewartet (Abmahnung 13.03.2014 – Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids 15.12.2017), dürften die zu erwartenden Nachteile für die Klägerin überschaubar sein.

(….)“

Das LG München I hat wie oben ersichtlich schulbuchmäßig die verschiedenen Anspruchsgrundlagen durchgeprüft und im Ergebnis zutreffend verneint. Soweit es um die sekundäre Darlegungslast geht, hat das LG München I überzeugend darauf verwiesen, dass es sich insoweit um eine prozessuale Pflicht handle, die nicht auf das vorgerichtliche Verfahren übertragen werden können. 

Auch hat das Gericht in einer abgegeben Unterlassungserklärung – jedenfalls dann, wenn daneben ausdrücklich die Rechtsverletzung bestritten worden ist – keine ungeschriebene Nebenpflicht zur vorgerichtlichen Sachverhaltsaufklärung gesehen. 

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung äußerte das Gericht hierzu, dass schließlich für den Unterlassungsschuldner in irgendeiner Form erkennbar sein müsse, letztlich in der Lage sein müsse, seine eingegangenen Verpflichtungen aus der Unterlassungserklärung zu überblicken – was bei einer ungeschriebenen Nebenpflicht schlicht nicht erkennbar sei.

Das LG München I hat aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum BGH zugelassen. Wir gehen davon aus, dass früher oder später der BGH zu dieser Rechtsfrage wird entscheiden müssen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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