Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Fluggastentschädigung – auf die Minimum Connecting Time kommt es an

  • 3 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

Inzwischen hat es sich bei Flugreisenden schon herumgesprochen, dass sie einen Anspruch auf Entschädigung haben, wenn sie nicht befördert werden, ihr gebuchter Flug annulliert wird oder mit großer Verspätung stattfindet. Dass es in diesem Zusammenhang aber auch auf die Minimum Connecting Time (MCT) ankommt, zeigt dieser aktuelle Fall.

Zubringerflug und Anschlussflug gebucht

Eine Frau buchte direkt bei einem Flugunternehmen einen Flug von Hannover über Frankfurt am Main nach Los Angeles. Nachdem sie mit ihrem Zubringerflug planmäßig in Frankfurt landete, erreichte sie das Terminal erst 16 Minuten vor dem Ende des Einstiegvorgangs für den Flug nach Los Angeles. Da sie aber noch durch die Passkontrolle und eine weitere Sicherheitskontrolle musste, erreichte sie das Gate ihres Anschlussfluges erst, als das Boarding bereits beendet war. Nachdem die Fluggesellschaft sie auf einen anderen Flug umgebucht hatte, erreichte sie ihr Ziel Los Angeles mit über drei Stunden Verspätung.

Klage auf Ausgleichszahlung erfolgreich

Nachdem sich die Airline weigerte, der Frau die geforderte Ausgleichszahlung i. H. v. 600 Euro zu zahlen, reichte sie Klage ein und hatte damit Erfolg.

Verspätete Ankunft am Ziel ausreichend

Die Richter des Amtsgerichts (AG) Hannover entschieden, dass die Frau tatsächlich einen Anspruch auf Zahlung der Ausgleichszahlung i. H. v. 600 Euro gem. Art. 5 und Art. 7 Fluggastverordnung (FluggastVO) hat, denn ein Fluggast eines Fluges mit einem Anschlussflug hat bereits dann Anspruch auf diese Ausgleichzahlung, wenn die Verspätung beim Abflug zwar noch unterhalb der in Art. 6 FluggastVO genannten Grenzen liegt, er sein Endziel aber erst mit einer Verspätung von über drei Stunden erreicht – somit hängt die Ausgleichzahlung nicht vom Vorliegen der Verspätung beim Abflug ab.

Zusammenhang zwischen Zubringer- und Anschlussflug

Notwendig ist ein Zusammenhang zwischen Zubringer- und Anschlussflug. Dieser liegt definitiv vor, wenn beide Flüge vom selben Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden und dadurch eine gewisse Abhängigkeit besteht. Auch hier kommt es nur darauf an, ob es am Endziel zu einer mehr als dreistündigen Verspätung kam – was der Fluggast beweisen muss, nicht jedoch den Grund für die Verspätung.

Verspätung durch außergewöhnliche Umstände

Die Fluggesellschaft muss dann keine Ausgleichszahlung vornehmen, wenn sie nachweisen kann, dass die Annullierung bzw. Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die unter keinen Umständen hätten vermieden werden können. Dazu gehört auch, dass der Fluggast selbst dafür verantwortlich ist, dass es zu einer Verspätung kam – etwa, weil er trotz ausreichender Umstiegszeit den Anschlussflug nicht erreichte, weil er trödelt, sich verläuft oder sich nicht an die Boardingzeiten hält. Ob ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt, muss das Luftfahrtunternehmen beweisen.

Minimum Connecting Time zu niedrig

An jedem Flughafen gibt es eine vorgesehene (Mindest-)Umstiegszeit, innerhalb der der Flughafen garantiert, dass ein Umstieg für den Fluggast problemlos möglich ist – die sogenannte Minimum Connecting Time (MCT). Diese bezeichnet den Zeitraum zwischen der Ankunft an der Parkposition (On Block) und dem Verlassen der Parkposition (Off Block). Interessant ist für die tatsächliche Umstiegszeit aber der Zeitraum zwischen dem Öffnen der Türen des Flugzeugs und dem Ende des Boarding für den Anschlussflug.
In diesem Zusammenhang wird eine Fluggesellschaft dann von ihrer Haftung für eine eventuelle Verspätung befreit, wenn zum einen der Zubringerflug planmäßig gelandet ist und zum anderen dem Fluggast die MCT zur Verfügung steht.

Der Flughafen Frankfurt am Main gibt eine MCT von 45 Minuten an. Im hier vorliegenden Fall landete der Zubringerflug aus Hannover planmäßig in Frankfurt am Main. Trotzdem erreichte die Frau das Terminal erst 16 Minuten vor dem Ende des Boarding ihres Anschlussfluges. Hinweise darauf, dass die Frau ihren Anschlussflug wegen ihres eigenen Verschuldens, z. B. weil sie trödelte oder sich trotz ausreichender Informationen verlaufen hat, verpasst hat, gibt es nicht.

Im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände bedeutet dies, dass die der Frau zur Verfügung stehende Umstiegszeit deutlich unterhalb der MCT lag – es war einfach unmöglich, die Passkontrolle und eine weitere Sicherheitskontrolle innerhalb von 16 Minuten zu durchlaufen und den Anschlussflug rechtzeitig zu erreichen.

Fluggesellschaft muss Ausgleichszahlung vornehmen

Da die MCT eindeutig zu niedrig war und die Klägerin es nicht zu vertreten hatte, dass sie den Anschlussflug verpasst hat, ist die Fluggesellschaft verpflichtet, ihr die Ausgleichszahlung i. H. v. 600 Euro zu zahlen.

(AG Hannover, Urteil v. 14.03.2017, Az.: 523 C 12833/16)

(WEI)

Foto(s): ©Fotolia.com

Artikel teilen: