Fluggastrecht – Zubringerflug (leicht) verspätet und Anschlussflug (andere Airline) verpasst

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Der nachfolgende Beitrag behandelt die Abwicklung eines Falles aus dem Bereich der Fluggastrechte (EG-Verordnung 261/2004).

Schwerpunkt

Zur Frage, ob ein Ausgleichsanspruch besteht, wenn bei einer einheitlichen Buchung aller Flüge der Zubringer-Flug von Airline X sich verspätet und deshalb der Anschluss-Flug der Airline Y verpasst wird.

Ausgangslage

Unsere Mandantschaft wollte von Frankfurt (FRA) über Amsterdam (AMS) und Nairobi (NBO) bis auf die Seychellen (SEZ) fliegen. Der Zubringerflug nach Amsterdam wurde von der Airline X durchgeführt und die Anschlussflüge über Nairobi bis auf die Seychellen von der Airline Y. Den Flügen lag eine einheitliche Buchung zugrunde. Der Zubringer-Flug hatte eine Verspätung von 60 Minuten, sodass die Anschlussflüge verpasst wurden.

Bei Flügen von der EU in nicht europäische Drittstaaten steht dem Fluggast eine Ausgleichszahlung von € 600,00 pro Person zu, wenn:

  • eine einheitliche Buchung für alle Flüge vorliegt
  • sich der Zubringerflug verspätet und deshalb der Anschlussflug verpasst wird
  • der Fluggast deswegen mit mehr als drei Stunden Verspätung am letzten Zielort ankommt
  • die Entfernung mit 3.501 km oder mehr zu bemessen ist

Hier hatte der Zubringerflug eine Verspätung von 60 Minuten, sodass die Anschlussflüge verpasst wurden. Die Entfernung lag bei 9.128 Km und die verspätete Ankunft am letzten Zielort war mit über 24 Stunden auch „groß“.

Die Airline X berief sich allerdings darauf, dass die Anschlussflüge pünktlich gestartet sind und sie lediglich Verantwortung für die Verspätung bis nach Amsterdam zeichnen würde. Diese Verspätung sei allerdings mit weniger als drei Stunden nicht „groß“ gewesen, sodass die Airline X überhaupt nicht haften würde.

Zu Recht?

Das Urteil

Nein, urteilte das Gericht. Die Airline wurde zur Zahlung der Ausgleichsleistungen von € 600,00 pro Person, insgesamt € 2.400,00 verurteilt.

Das Gericht führte aus:

„Es liegt eine relevante Ankunftsverspätung von mehr als drei Stunden am Endziel der Kläger vor. Der Anspruch auf Ausgleichszahlung setzt nicht voraus, dass die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der verspätete Flug selbst um die in Art. 6 Abs. 1a bis c VO EG Nr. 261/2004 genannten Zeiten verzögert hat (EuGH, Urteil vom 26.02.2013, AZ: C-11/11 („Fokerts“), NJW 2013, 1291). Es genügt, dass die Verspätung des Zubringerfluges dafür ursächlich war, dass die Kläger den Anschlussflug von Amsterdamm nach Nairobi nicht mehr erreichen konnten und infolge dessen aich ihr Endziel Mahé erst mit der angegebenen Verspätung erreicht haben (EuGH, a.a.O., BGH, Urteil vom 07.05.2013 – AZ: X ZR 127/11, zitiert nach juris). 

Der Haftung der Beklagten steht auch nicht entgegen, dass die beiden Anschlussflüge selbst nicht verspätet waren. Fluggäste, die auf einem Flughafen auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats der Union einen Flug antreten, können Ausgleichszahlungen beanspruchen, wenn der verspätete Abflug dieses Flugs zur Folge hat, dass das Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht wird (BGH, a.a.O., Rn. 13). 

Ferner steht im Ergebnis der Haftung der Beklagten auch nicht entgegen, dass die beiden Anschlussflüge nicht von der Beklagten, sondern von einem anderen Luftfahrtunternehmen ausgeführt wurden. Denn maßgeblich ist allein, dass die Beklagte mit dem verspäteten Zubringerflug die Ursache für die Verspätung am Endziel gesetzt hat (Vgl. LG Frankfurt, Beschluss vom 26.03.2013 – AZ: 2-24 S 16/13; LG Berlin, Urteil vom 15.10.2013 – AZ: 54 S 22/13; AG Frankfurt, Urteil vom 03.12.20147 – AZ: 29 C 341/14 (21), alle zitiert nach juris.). Die Kläger hatten hier die Flüge einheitlich gebucht, sodass es für die Beklagte auch erkennbar war, dass der von ihr durchgeführte Zubringerflug von Frankfurt am Main nach Amsterdam nur ein Teilstück der gesamten Flugstrecke der Kläger darstellte. Der entgegenstehenden Ansicht, wonach das den Zubringerflug ausführende Luftfahrtunternehmen in dieser Konstellation nicht haften (Vgl. AG Köln, Urteil vom 24.07.2013 – AZ: 113 C 141/11 und AG Nürtingen, Urteil vom 25.01.2013 – AZ: 46 C 1399/12, beide zitiert nach juris), kann nicht gefolgt werden. Denn inzwischen ist der dieser Ansicht zugrundeliegende Anknüpfungspunkt, wonach Zubringerflug und Anschlussflug separat zu betrachten sind, die Grundlage entzogen. Der EuGH und der BGH haben ausdrücklich entschieden, dass die Selbstständigkeit der Flüge nichts daran ändert, dass es für die Beurteilung der Frage, ob die Verspätung den für eine Ausgleichszahlung vorausgesetzten Umfang erreicht hat, nicht das Ziel des einzelnen Flugs, sondern das Endziel maßgeblich ist. Hiermit trägt die Verordnung dem Umstand Rechnung, dass die Annullierung oder Verspätung eines Fluges die einzelnen Fluggäste unterschiedlich stark beeinträchtigen kann, je nachdem wie sie sich auf die Erreichung des individuellen Endziels ihrer Flugreise auswirkt (BGH, a.a.O.; EugH a.a.O.). 

(AG Frankfurt, Urteil vom 13.06.2016, Az.: 29 C 2706/15 (44))

Das Urteil ist rechtskräftig.

Stellungnahme 

Das Gericht stellt zunächst zutreffend darauf ab, dass es bei mehreren Flügen, die einheitlich gebucht werden, auf die gesamte Strecke und die Verspätung am letzten Zielort ankommt.

Darüber hinaus hat das Gericht die Airline X zu Recht zur Verantwortung gezogen, weil die Airline X durch die Flugverspätung erst die verspätete Ankunft am letzten Zielort erzeugt hat. Daher kann es nicht darauf ankommen, dass der Zubringerflug bei isolierter Betrachtung lediglich 60 Minuten und damit eine „kleine / unerhebliche“ Verspätung gehabt hat.

In den Blick der Betrachtung ist vielmehr die gesamte Reiseplanung des Fluggastes zu nehmen. Daher ist dann auch konsequent, dass die Airline X Ausgleichszahlungen für diejenige Wartezeit der Fluggäste leisten muss, die die Airline X mit dem verspäteten Zubringerflug erst in Gang gesetzt hat.

Praxistipp

Airlines argumentieren gerne damit, dass die isolierte Betrachtung des verspäteten Flugs zu einer Ausgleichszahlung nicht führen kann, da es sich lediglich um eine „kleine“ Verspätung unterhalb der Schwelle von drei Stunden handelt und bieten – wenn überhaupt – nur eine Entschädigung für eine „Kurzstrecke“ (€ 250,00) an.

Dies ist – wie aufgezeigt – nicht in Ordnung.

Fluggäste sollten daher auf ihr Recht bestehen und immer daran denken, dass Airlines eine sogenannte „Mischkalkulation“ vornehmen. Jeder Fluggast, der seine Rechte nicht verfolgt oder einen schlechten Vergleich akzeptiert, ist ein Gewinn.

Kanzlei RAS 

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Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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