Fototapete als Bildhintergrund auf der Website und Unterlassungsanspruch des Fotografen: Urteil Landgericht Köln

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Fototapete als Bildhintergrund, sachenrechtliches Eigentum und Urheberrecht – das Landgericht Köln entschied mit Urteil vom 18.08.2022, Az. 14 O 350/21: Mit dem Kauf einer Fototapete und dem Erwerb des sachenrechtlichen Eigentums ist nicht automatisch das Recht verbunden, die Fototapete als Bildhintergrund auf der eigenen Website mit abzubilden.

Sachverhalt: Worum geht es?

Der Kläger ist Fotograf. Die spätere Beklagte bietet eine Ferienwohnung zur Miete an. Sie kaufte die streitgegenständliche Fototapete im Jahr 2013 über einen Webshop zum Preis von 13,50 € und brachte sie in der Ferienwohnung an einer Wand eines Schlafzimmers an.

Auf der eigenen Website der Beklagten und in mehreren Buchungsportalen, über die sie ihre Ferienwohnung anbot, waren Fotos dieses Zimmers mit der Fototapete im Hintergrund sichtbar.

Der Fotograf und spätere Kläger ließ die spätere Beklagte vorgerichtlich abmahnen. Die Beklagte ließ die Ansprüche mit anwaltlichen Schreiben zurückweisen. Sie ließ mitteilen, die Fototapete entfernt zu haben, weswegen der Kläger keinen weiteren Anspruch auf Abgabe einer Unterlassungserklärung habe.

Daraufhin erhob der Fotograf Klage. Er machte unter anderem Ansprüche auf Unterlassung und Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend.

Wie entschied das Landgericht Köln?

Das Landgericht Köln entschied wie vom Kläger beantragt.

Unterlassungsanspruch

Dem Kläger stehe gegen die Beklagte der Unterlassungsanspruch aus §§ 97 Abs. 1 S. 1, 15, 16 Abs. 1, 19a UrhG zu.

Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung durch Upload auf die Website

Die Beklagte habe die vom Kläger aufgenommenen Fotos auf ihrer Internetseite eingestellt und bei den Buchungsportalen genutzt. Hierdurch habe sie die Fotos im Sinne von § 16 UrhG vervielfältigt und im Sinne von § 19 a UrhG öffentlich zugänglich gemacht.

Zur Vervielfältigung führte das Gericht aus:

"Jede körperliche Festlegung eines Werkes, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Art mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen, stellt eine Vervielfältigung i.S. des § 16 Abs. 1 UrhG dar (BGH, Urt. v. 1.7.1982 - I ZR 119/80, GRUR 1983, 28, 29 - Presseberichterstattung und Kunstwerkwieder-gabe II, m.w.N.; vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Urheberrechtsgesetzes, BT-Drucks. IV/270, S. 47; BGH, Urteil vom 4. Oktober 1990 - I ZR 139/89, BGHZ 112, 264, 278 - Betriebssystem, mwN; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – I ZR 25/15 – World of Warcraft I, Rn. 37). Dazu gehört auch die Vervielfältigung von körperlichen Kunstwerken durch bildhafte Wiedergabe (BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 – I ZR 256/97 – Parfumflakon I).

Letzteres ist durch die Fotografie der Fototapete mit den Tulpen-Motiven des Klägers von der Beklagten vorgenommen worden."

Zur öffentlichen Zugänglichmachung führte das Gericht aus:

"§ 19a UrhG behält dem Urheber mit dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung das ausschließliche Recht vor, sein geschütztes Werk dadurch zu nutzen, dass es im Internet oder sonstigen Netzwerken Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Das Gesetz umschreibt dies mit der technischen Besonderheit des Mediums, bei dem ein geschütztes Werk 'Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist' (Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 19a Rn. 1).

Durch das Einstellen in ihren eigenen Internetauftritt sowie in die Buchungsportale hat die Beklagte die Fotografien des Klägers im vorstehenden Sinne öffentlich zugänglich gemacht."

Keine Einräumung des Nutzungsrechts durch Kaufvertrag

Die Beklagte habe durch den Kauf im Webshop lediglich das Sacheigentum an der Fototapete erworben. Sie habe damit aber kein Nutzungsrecht erworben, das es ihr gestattet hätte, die Fototapete als Bildhintergrund im Internet öffentlich zugänglich zu machen:

"Soweit die Beklagte sich auf eine Rechnung [des Webshops; Anm. d. Verf.] beruft, lässt sich daraus nur entnehmen, dass eine Fototapete […] für insgesamt 13,50 EUR erworben wurden [sic!]. Der Vertrag bezieht sich demnach zunächst nur auf die Übertragung des dinglichen Eigentums an dem Vervielfältigungsstück der streitgegenständlichen Fotographie. Durch diesen Verbreitungsakt im Sinne von § 17 UrhG ist betreffend dieses von der Beklagten erworbene Vervielfältigungsstück der Tapete und damit auch von den streitgegenständlichen Lichtbildern nur insoweit ist Erschöpfung im Sinne von § 17 Abs. 2 UrhG eingetreten.

Von der Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte ist keine Rede in den vertraglichen Vereinbarungen […]."

Auch eine konkludente Rechteeinräumung sei nicht erfolgt. Zwar sei die Einräumung von Nutzungsrechten grundsätzlich formfrei. Nutzungsrechte könnten also auch mündlich oder konkludent eingeräumt werden. Aber:

"Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1 UrhG nach dem von beiden Parteien zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt. Entsprechendes gilt nach § 31 Abs. 5 Satz 2 UrhG für die Frage, ob ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, ob es sich um ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht handelt, wie weit Nutzungsrecht und Verbotsrecht reichen und welchen Einschränkungen das Nutzungsrecht unterliegt. Danach räumt der Urheber Nutzungsrechte im Zweifel nur in dem Umfang ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 25/15, GRUR 2017, 266 [juris Rn. 44] = WRP 2017, 320 - World of Warcraft I; Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 140/15 – YouTube II, Rn. 50, juris).

Unbedingt erforderlich war jedoch bei dem Verkauf der Fototapete an die Beklagte keine Übertragung eines Nutzungsrechts an die Beklagte. Dies erkennt letztlich auch die Beklagte selbst, wenn sie ausführt, sie habe 'ordnungsgemäß die Fototapete erworben', habe mithin 'über die Fototapete selbstständig verfügen' und 'sie deshalb auch in ihren Räumlichkeiten verkleben' können (Seite 2 des Schriftsatzes vom 04.01.2022, Bl. 162 der Akte). Durch derartige Handlungen sind die dem Urheber vorbehaltenen Verwertungsrechte (§§ 15 ff. UrhG) nicht tangiert. Deshalb ist für sich genommen auch die weitere Ausführung der Beklagten zutreffend, dass die Fototapete ausschließlich zu dem vorgenannten Zweck angeboten und ausschließlich zu diesem Zweck von der Beklagten verwendet werden sollte […]."

Und weiter zum Einkauf einer Fototapete:

"Auch beim Verkauf einer Wandtapete an ein Unternehmen ist nicht davon auszugehen, dass von vornherein mehr übertragen werden sollte als eben das Sacheigentum an der verkauften Tapete. Es hätte vielmehr nahegelegen, andernfalls einen entsprechenden Passus in die Rechnung aufzunehmen, was mutmaßlich auch einen höheren Preis bedeutet hätte. Die Beklagte konnte auch nicht ausgehen, dass allein aufgrund ihres gewerblichen Charakters jegliche Nutzung der erworbenen Tapete gestattet sein sollte."

Fototapete ist kein Beiwerk

Die Beklagte könne sich nicht auf die Schranke aus § 57 UrhG berufen, wonach die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig ist, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind.

Hier könne die Fototapete nicht als unwesentliches Beiwerk des Gästezimmers angesehen werden. Der Bildaufbau des Website-Fotos von dem Gästezimmer stehe dagegen:

"Vielmehr werden die streitgegenständlichen Fotografien erkennbar stimmungsbildend für das beworbene Gästezimmer verwendet. Die Fotos sind zentrales Element in der Zimmergestaltung und dort prominent an der rückwärtigen Wand platziert, die den wesentlichen Teil des zu Werbezwecken ins Internet eingestellten Lichtbildes ausmacht.

Die Fototapete mit den darauf großflächig abgebildeten Fotos des Klägers kann auch nicht weggelassen oder ausgetauscht werden, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele (BGH, Urteil vom 17. November 2014 – I ZR 177/13 – Möbelkatalog, Rn. 27, juris). Dies zeigt augenfällig schon die vom Kläger vorgenommene Gegenüberstellung des Zimmers der Beklagten mit der Fototapete und des weiteren Zimmers ohne eine Fototapete mit nur weiß gestrichenen Wänden […]. Die Wand mit der Fototapete zieht das Auge des Betrachters an, was bei der weißen Tapete nicht der Fall ist. Die Tapete mit den Tulpenmotiven wird vielmehr vom Betrachter als zum Gesamtkonzept gehörig wahrgenommen (vergleiche dazu BGH, Urteil vom 17. November 2014 – I ZR 177/13 –, Rn. 31, juris), nach dem das Zimmer gestaltet ist."

Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten

Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz seiner für die Abmahnung entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß § 97 a Abs. 1, Abs. 3 S. 1 UrhG. Diese Abmahnkosten seien nach einem Gegenstandswert in Höhe von insgesamt 20.000,00 € zu berechnen.

Konkret beliefen sich die Abmahnkosten damit auf 1003,40 € – rund das 77-fache des Kaufpreises. Hinzu kommen die Zinsen.

Auswirkung auf die Praxis

Eigentum und Urheberrecht stehen unabhängig nebeneinander: Das Eigentum an einer Sache verschafft nicht automatisch ein "Urheberrecht" oder präziser ein urheberrechtliches Nutzungsrecht.

Wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk auf einem Foto ablichtet und dieses Foto dann online stellen will, riskiert, sich auf juristisches Glatteis zu begeben. Das gilt beim Thema "Bild im Bild", also für die Auswahl eines anderen Fotos, eines Gemäldes oder einer Grafik als Hintergrundbild. Auch wenn Bildhauerei oder ein Möbelstück mit abgebildet werden soll, kann sich die Frage nach dem urheberrechtlichen Nutzungsrecht stellen, wie ein Blick nach Frankreich zeigt: Mit Entscheidung vom 13.06.2014 gab das Appellationsgericht (Cour d'appel) in Paris dem Unterlassungsanspruch der Fondation Le Corbusier gegen die Bilddatenbank Getty Images statt (Cour d'appel de Paris, Pôle 5, 13 juin 2014, n° 2013/15182). Getty Images wurde es untersagt, Fotos zu vertreiben, auf denen von dem Architekten Le Corbusier entworfene Möbelstücke abgebildet sind.

Das deutsche Urheberrecht kennt jenseits der eng gefassten einzelnen Schranken wie Privatkopie oder Zitatrecht kein umfassendes "Fair Use"-Recht. Das gilt es im Auge zu behalten. Es wäre wünschenswert, wenn sich auch auf Seiten von Webdesign- und Werbeagenturen ein stärkeres Bewusstsein dafür und damit für die Risiken herausbilden würde, die mit einer "Bild im Bild"-Gestaltung oder einem "Gegenstand im Bild"-Foto verbunden sind. Zwar beinhalten Webdesign- und Werbeverträgen üblicherweise eine umfangreiche Haftungsfreistellung. Unabhängig davon zeugt es aber von Kompetenz und fördert es die Kundenbindung, wenn beim Entwurf einer Website und dem Upload des Bildmaterials lieber einmal zu viel als einmal zu wenig nachgefragt wird, ob das Foto, so wie es im Browser sichtbar sein soll, urheberrechtlich wirklich im sicheren Bereich ist.

Rechtsanwalt Stefan Loebisch betrachtet Fotos auf Websites aus verschiedenen Blickwinkeln: Er vertritt abgemahnte Website-Betreiber ebenso wie Fotografen, die sich in ihren Rechten verletzt sehen. Noch lieber berät er Website-Betreiber und Webdesigner im Vorfeld, damit Abmahnungen,  Klagen und Ärger vermieden werden können.




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