From the river to the sea - strafbar: Strafbarkeit bei Palästina-Demo

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Rechtliche Einschätzung - keine persönliche Meinung des Autors zum Konflikt!

Das Bundesinnenministerium hat im Rahmen des Hamas-Verbotes auch die Parole „From the River to the Sea, Palestine will be free“ verboten. Doch was steckt hinter diesem Slogan? Ist der Ruf eines solchen Slogans strafbar? Der nachfolgende Beitrag soll einen kurzen Überblick zum Slogan "From the river to the sea" und einer möglichen Strafbarkeit nach § 86a StGB geben. 

Bitte beachten Sie: Der nachfolgende Beitrag gibt keine persönliche Meinung (!!) des Verfassers zum Israel-Palästina Konflikt wieder. Er ist politisch wertungsfrei zu verstehen und soll nicht den Eindruck erwecken, der Verfasser vertrete eine Pro-Israel oder Pro-Palästina Ansicht! Es handelt sich nur um eine rechtliche Einschätzung aus Sicht des Verfassers zur Frage, ob der Slogan "From the river to the sea" ein strafrechtlich relevantes Verhalten darstellt und somit strafbar ist oder nicht. 

From the river to the sea? Ursprung und Bedeutung 

Der Satz "From the river to the sea" stammt keinesfalls von der Hamas, sondern hat seinen Ursprung in den 1960er Jahren und wurde damals von der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO verwendet. Die vollständige Parole lautet „From the river to the sea, Palestine will be free“ und drückt das Ziel aus, ganz Palästina, vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer, zu befreien. Die Verwendung dieses Slogans ist jedoch umstritten und wird in verschiedenen politischen Kontexten interpretiert, von friedlichen Bestrebungen zur Förderung der palästinensischen Unabhängigkeit bis hin zu kontroversen Debatten über den Nahostkonflikt.

Allerdings wird dieser Slogan/ diese Formel nicht nur von den Palästinensern verwendet. Eine ähnliche, nahezu identische Formulierung findet sich in dem Gründungsdokument der 1977 gegründeten israelischen Partei LIKUD. Dort heißt es: "... between the Sea and the Jordan there will only be Israeli sovereignty." Den Link hierzu finden Sie hier

Wenn gegen Sie ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit einer Palästina-Demo eingeleitet worden ist oder Sie ein Vorladung von der Polizei erhalten haben, dann lesen Sie sich diesen Rechtstipp durch: "Ermittlungsverfahren Palästina-Demo. Was tun?"

Mehrere Interpretationen möglich 

From the river to the sea hat mehrere Interpretationsmöglichkeiten. Es kann einerseits dahingehend verstanden werden, dass lediglich der Wunsch der Palästinenser zum Ausdruck kommen soll nach „Freiheit“ und somit auf den "friedlichen Wunsch nach politischen Reformen", "Gleichberechtigung" oder aber auch für eine "2-Staaten Lösung". Er enthält somit per se keinen Aufruf zur Gewalt, da der Slogan offen lässt, wie dieser Wunsch nach Freiheit umgesetzt werden soll. Andererseits wird auch die Ansicht vertreten, dass mit diesem Slogan zum Ausdruck gebracht werden soll, Israel zu „vernichten“ und somit der Wunsch nach einer Auslöschung des Staates Israel. Wie man sieht sind mehrere Interpretationsmöglichkeiten vorhanden. 

In diesem Sinne sind auch die Strafgerichte daran gehalten im Falle einer Strafbarkeit die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs.1 GG hinreichend und umfassend zu beachten. Keinesfalls dürften die Strafgerichte aus der bloßen Verkündung dieses Slogans eine Strafbarkeit annehmen, ohne das dabei das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) umfassend gewürdigt wird. Dies gilt umso mehr, als das in diesem Falle mehrere Interpretationsmöglichkeiten vorhanden sind. Ist dies der Fall, so sind die Gerichte bei der Beurteilung, ob eine solche Kundgabe/ ein solcher Slogan eine Strafbarkeit begründet, unter mehreren Möglichkeiten, diejenige Interpretation zugrunde zulegen, die für den Betroffenen die "günstigste" ist und somit im Zweifel zu Gunsten der Meinungsfreiheit zu urteilen. Diese "Auslegungsmethode" hat das BVerfG in seinen jüngsten Entscheidungen erneut bekräftigt, gestärkt und zugleich eine mögliche Auslegungshilfe den Fachgerichten zur "Verfügung" gestellt bzw. eine Hilfestellung, wie künftig ein strafbares Verhalten von einer zulässigen Kundgabe einer Meinung abgegrenzt werden könne

Strafrechtliche Verfolgung 

Aus Sicht des Verfassers dieses Beitrages erscheint es höchst fragwürdig und bedenklich, wenn einige Strafverfolgungsbehörden künftig pauschal dazu übergehen wollen, allein aus dem Umstand, dass jemand den Slogan "From the river to the sea" ruft, welcher auch von einer Vereinigung wie die Hamas und somit einer Vereinigung im Sinne des § 86 Abs. 1 StGB benutzt wird, eine Strafbarkeit nach § 86a StGB anzunehmen bzw. diese strafrechtlich zu verfolgen. 

Nach Ansicht des Verfassers kann es nicht im Sinne des § 86a StGB sein, die Meinungsfreiheit dadurch einzuschränken, dass einzelne Rufe, die verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zulassen, allein dadurch zu entziehen und strafrechtlich zu verfolgen und zu sanktionieren, weil diese auch von verschiedenen terroristischen Gruppierungen genutzt und propagiert werden. Es muss somit auf weitere Indizien, Umstände und den Gesamtkontext der Äußerung abgestellt bzw. diese herangezogen werden, um ein strafbares Verhalten annehmen zu können.

AG Mannheim – keine Strafbarkeit 

Am 18. September 2023 verkündete das Amtsgericht Mannheim einen Beschluss über den Erlass eines Strafbefehls. Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt stark vereinfacht und verkürzt zu Grunde:

Im Rahmen einer Kundgebung am 21.05.2023 unter dem Motto „ Free Palestine“ hat eine Teilnehmerin ein Plakat mit dem Slogan „From the river to the sea. Palestine will be free.“ hochgehalten. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat den Erlass eines Strafbefehls beantragt, da das Verhalten der Teilnehmerin den Straftatbestand des § 86a StGB erfülle. 

Das Amtsgericht Mannheim hat den Erlass eines Strafbefehls abgelehnt, da kein hinreichender Tatverdacht einer Straftat bestand. Nach Ansicht des Amtsgericht Mannheim fehlte es am Tatbestandsmerkmal des „Kennzeichens“ im Sinne des § 86a StGB. Den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim finden Sie hier.

Verwaltungsgericht Berlin 

Im August desselben Jahres hatte das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass die Parole "From the river to the sea" per se und für sich genommen noch nicht strafbar ist. In dem Urteil vom 23.08.2023 heißt es:

„Zwar drückt der Slogan den Wunsch nach einem freien Palästina vom (Jordan)Fluss bis zum Mittelmeer aus, das heißt in einem Gebiet, in dem Israel in seinen heutigen Grenzen liegt. Der Slogan sagt aber als solches nichts darüber aus, wie dieses – politisch hoch umstrittene – Ziel erreicht werden soll. Grundsätzlich sind politisch verschiedene Mittel und Wege denkbar, dieses abstrakte Ziel zu erreichen, beispielsweise durch völkerrechtliche Verträge, eine Zwei-Staaten-Lösung, einen einheitlichen Staat mit gleichen Bürgerrechten für Israelis und Palästinenser oder aber mittels des bewaffneten Kampfes. Ob die aufgezeigten alternativen Wege politisch realistisch sind, ist dabei unerheblich. Einen zwingenden Aufruf zum bewaffneten Kampf gegen Israel beinhaltet der Slogan als solcher jedenfalls nicht (Anm.: Hervorhebung durch den Autor). Dementsprechend plädieren auch namhafte Antisemitismusforscher dafür, den Slogan in erster Linie als Ruf nach Freiheit und Gleichberechtigung für das Gebiet zwischen dem Jordanfluss und dem Mittelmeer zu verstehen und – wenn nicht zwingende zusätzliche Beweise das Gegenteil nahelegen – eben nicht als Aufruf zu Gewalt und Zerstörung.“ 

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin finden Sie hier.

Strafrechtliche Verfolgung in Bayern, Thüringen, Sachsen und dem Saarland

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat angekündigt, dass in Bayern zukünftig die Verwendung des Slogans "From the river to the sea" strafrechtlich verfolgt wird. Diese Entscheidung beruht auf der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums in Bezug auf die Terrororganisation Hamas. Die Ermittlungen richten sich auf den Anfangsverdacht einer Straftat nach § 86a StGB, der eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vorsieht. Die Generalstaatsanwaltschaft begründet dies damit, dass die Verwendung des Slogans in Bayern aufgrund der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums untersagt ist.

Es ist zu beachten, dass diese Entscheidung für andere Bundesländer nicht unmittelbar bindend ist, da die rechtliche Bewertung den jeweiligen Staatsanwaltschaften obliegt. Der Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft München haben sich die Generalstaatsanwaltschaften Saarbrücken, Jena und Dresden angeschlossen.

Anders sieht es in Sachsen-Anhalt aus…

In Sachsen-Anhalt vertritt man eine andere Auffassung. Hier wird argumentiert, dass die Parole "From the river to the sea" einen Anfangsverdacht der Billigung von Straftaten nach § 140 Nr. 2 StGB begründen könnte. Es wird jedoch betont, dass die Umstände des Einzelfalls immer zu berücksichtigen sind. In diesem Kontext wird darauf hingewiesen, dass sich aus der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums nicht unmittelbar ableiten lässt, dass die Verwendung der Parole nun gemäß § 86a StGB strafbar ist.

Es wird also in Sachsen-Anhalt darauf hingewiesen, dass die strafrechtliche Bewertung der Parole von den spezifischen Umständen abhängt und dass die Verfügung des Bundesministeriums allein nicht ausreicht, um die Strafbarkeit nach § 86a StGB zu begründen. Dies unterstreicht die Bedeutung einer detaillierten Prüfung jedes Einzelfalls im Hinblick auf die geäußerte Parole.

Der Einzelfall ist entscheidend! Vorsatz erforderlich!

Selbst wenn man annimmt, dass die öffentliche Äußerung "From the river to the sea" an sich den objektiven Tatbestand des § 86a StGB erfüllt, stellt sich die nächste Grundsatzfrage bezüglich des Vorsatzes im Einzelfall. Der Vorsatz muss sich konkret auf die Zuordnung der Parole zur Hamas beziehen. Ohne konkrete Anhaltspunkte lässt sich ein solcher Vorsatz im Einzelfall nicht bejahen. 

Ein pauschaler Hinweis auf das im Bundesanzeiger veröffentlichte Verbot des Bundesinnenministeriums reicht nach Ansicht des Autors hier keinesfalls aus, da dies nicht von jedem zur Kenntnis genommen wird. Im Übrigen sind die Strafgerichte auch nicht an die Einschätzung des Bundesinnenministeriums gebunden.

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Dort sind wichtige Tipps enthalten, wie Sie sich als Beschuldigter im Falle einer Vorladung von der Polizei verhalten sollten. Sollten Sie weitergehende Fragen haben zu dieser Thematik, so schreiben Sie mir eine Nachricht oder vereinbaren Sie telefonisch einen kurzfristigen Termin, um eine kostenlose Ersteinschätzung zu erhalten.

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Einen kurzen Überblick zum Thema Strafrecht erhalten Sie hier "FAQ-Strafecht & Strafprozess"

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Foto(s): https://pixabay.com/de/illustrations/pal%C3%A4stina-flagge-nationalflagge-1184100/

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