Ermittlungsverfahren Pro-Palästina Demo/ Versammlung

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Strafverteidiger Bielefeld.

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Ermittlungsverfahren nach Palästina-Versammlung?

Die Strafverfolgungsbehörden gehen bundesweit vermehrt und verstärkt gegen Teilenehmer von Palästina-Versammlungen/ Demos vor. So wurden etwa in Berlin im Rahmen einer Palästina-Demo 68 Personen festgenommen und 36 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Besonders viele Ermittlungsverfahren wurden in den Städten Berlin, Hamburg, Bremen aber auch in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz eingeleitet. 

Der nachfolgende Beitrag erläutert, welche Straftatbestände im Zusammenhang mit einer Palästina-Demo am häufigsten vorkommen. Außerdem erhalten Sie zum Schluss eine Kurzzusammenfassung was Sie tun sollten, wenn Sie eine Vorladung von der Polizei als Beschuldigter erhalten haben und gegen Sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. 

Einen weiteren Beitrag zu diesem Thema finden Sie hier: "From the river to the sea, strafbar?"

Welche Straftaten kommen in Betracht?

 In den meisten Fällen leiten die Strafverfolgungsbehörden/ Polizei ein Ermittlungsverfahren wegen 

  • Belohnung und Billigung von Straftaten, § 140 StGB
  • Volksverhetzung, § 130 StGB
  • Sachbeschädigung, § 303 StGB
  • Verwendung von Kennzeichen terroristischer Organisationen, § 86a StGB
  • Körperverletzung, Gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 224 StGB

Doch was genau bedeutet das für Sie? Was steckt dahinter? Nachfolgend werden zwei Straftatbestände anhand von Beispielen im Zusammenhang mit Palästina-Demos erläutert.

Volksverhetzung, § 130 StGB

Der Straftatbestand der Volksverhetzung findet sich in § 130 StGB. Den Gesetzestext finden Sie hier (§ 130 StGB). Vereinfacht gesagt: Eine Volksverhetzung liegt in der Regel dann vor, wenn eine Person gezielt Hass oder Gewalttaten gegen bestimmte Gruppierungen fördert, dazu aufruft oder aufstachelt. Wenn Sie eine solche Straftat begehen, dann riskieren Sie, je nachdem, eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe. 

"From the river to the sea" - Ist das Volksverhetzung?

Im Zusammenhang mit Palästina-Demos/ Palästina-Versammlungen konnte bisher vielfach beobachtet werden, dass Personen den Slogan "From the river to the sea, Palästina must be free" auf Plakaten gedruckt/ geschrieben haben und diese öffentlich gezeigt haben. 

Gegen diese Personen wurden Ermittlungsverfahren, unter anderem, wegen des Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet. Ob Sie sich strafbar machen, wenn Sie diesen Slogan "From the river to the sea" rufen oder auf Plakaten niederschreiben, erfahren Sie in meinem Rechtstipp "From the river to the sea - Strafbarkeit einer solchen Aussage?"

Ich vertrete weiterhin die Rechtsauffassung, dass es sich bei dem Slogan "From the river to the sea, Palästina must be free" NICHT um eine strafbare Aussage handelt, weder nach § 130 StGB noch nach § 86a StGB. Denn es handelt sich NICHT um eine Aussage/ Slogan der Hamas, sondern um eine Aussage/ Slogan, welcher historisch ins Jahr 1960 zurückgeht und der Partei PLO zugeschrieben wird. Eine Strafbarkeit nach § 130 StGB kommt schon deshalb nicht in Betracht,  weil sich der Slogan ausdrücklich gegen den Staat Israel richtet, nicht aber die in Deutschland lebenden Juden. Es fehlt somit an einer hinreichenden Konkretheit einer bestimmten Gruppe. Denkbar wäre aber eine Strafbarkeit nach  § 140 Nr. 2 StGB, soweit weiter Umstände (je Einzelfall) hinzukommen. 

"Juden = Kindermörder" - strafbar?

Des Weiteren finden bzw,. fanden sich auf Palästina-Demos/ Palästina-Versammlungen auch Plakate mit dem Satz "Juden = Kindermörder" wieder. Eine solche Äußerung kann strafbar sein. Aber: Auch hier muss genau differenziert werden. 

Beispiel für eine Strafbarkeit:

Erfolgt eine solche Aussage ohne Kontext und konkreten Bezug, stellt dies eine Straftat nach § 130 StGB dar. Denn eine solche Aussage ist geeignet gegenüber Teilen der Bevölkerung zu Hass, Gewalt und sonstigen Straftaten anzustacheln. 

Beispiel für eine Straflosigkeit: 

Erfolgt eine Aussage "Juden = Kindermörder" beispielsweise im Zusammenhang mit der Bombardierung eines Krankenhauses/ Kindergartens/ Schule im Gaza, so handelt es sich hierbei um eine Aussage in einem ganz speziellen Zusammenhang, nämlich zu einem Kriegsereignis bei dem Kinder zu Tode gekommen sind. Eine solche Aussage dürfte auch von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sein. Exemplarisch hierzu ist der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 - Soldaten sind Mörder.

Wichtig: Es handelt sich hierbei um Beispiele. Entscheidend ist immer der Kontext, die Gesamtumstände einer solchen Aussage. Es lässt sich somit nicht immer pauschal sagen, der Begriff "Kindermörder" sei strafbar oder nicht. 


"From the river to the sea" - 2 wichtige Aspekte! 

Des Weiteren müssen zwei wichtige Aspekte bei diesem Slogan / Aussage zwingend beachtet werden: 

  1. Wenn jemand öffentlich ein Plakat hochhält mit "From the river to the sea, Palästina must be free", dann sagt diese Person nicht, wie so eine "Befreiung" aussehen soll. Soll die "Befreiung" gewaltsam erfolgen? Ist damit die Auslöschung Israels gemeint? Dann ließe sich eine Strafbarkeit gut vertreten. Was ist aber, wenn man eine solche "Befreiung" auf diplomatischem Wege erzielen möchte, durch Verhandlung, Gleichberechtigung, Zwei-Staaten Lösung? Das kann dann unmöglich strafrechtlich geahndet werden! Wie man sieht, sind mehrere Interpretationen möglich! Demnach ist für den Betroffenen erstmal diejenige zu Grunde zu legen die straflos ist! Nur, wenn die Aussage/ der Slogan im Zusammenhang mit Straftaten verwendet und somit kommentiert wird, kommt eine Strafbarkeit in Betracht. In diesem Fall § 140 Nr. 2 StGB. 
  2. Ein weiterer interessanter Gesichtspunkt ist, dass auch von israelischer/ jüdischer Seite ein solcher Slogan/ Aussage/ Parole vorhanden ist. Eine ähnliche, nahezu identische Formulierung findet sich nämlich in dem Gründungsdokument der 1977 gegründeten israelischen Partei LIKUD. Dort heißt es: "... between the Sea and the Jordan there will only be Israeli sovereignty." Den Link hierzu finden Sie hier: Konsequenterweise müssten die Strafverfolgungsbehörden auch in einem solchen Fall zumindest den Anfangsverdacht einer Straftat prüfen, soweit ein solcher Slogan/ Aussage öffentlich zur Schau gestellt/ skandiert wird. 

Billigung von Straftaten § 140 StGB

In § 140 StGB heißt es: 

Wer eine der in § 138 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 5 letzte Alternative oder in § 126 Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Absatz 1 oder nach den §§ 176c und 176d

1. belohnt, nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist, oder 

2. in einer Wiese, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts billigt, 

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Beispiel für § 140 StGB bei einer Palästina-Demo

Teilweise wird in den Medien aber auch sozialen Netzwerken angenommen, dass schon allein das Schwenken der Palästina-Fahne bei Palästina-Demos/ Palästina-Versammlungen eine Billigung von Straftaten nach § 140 StGB darstellen und somit strafbar sein kann. 

Meiner Rechtsauffassung nach reicht das allein nicht aus! Das Schwenken einer Palästina-Fahne allein (!) kann hier keine Billigung von Straftaten nach § 140 StGB sein. Das gilt auch für den Fall, dass derjenige eine Palästina Fahne schwenkt/ hisst, nachdem beispielsweise die palästinensische HAMAS Organisation Anschläge verübt hat oder diese Anschläge in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Hissen der Palästina Fahne stehen. Das Hissen einer Fahne/ Schwenken einer Palästina Fahne ist somit erstmal völlig unbedenklich! 

Etwas anderes kann sich aber dann ergeben, wenn jemand "freudenartig", "mit großer Freude und Überzeugung" die Fahne schwenkt und somit unmissverständlich, für einen objektiven Dritten, die Anschläge der Hamas auf den Straßen (öffentlich) feiert. In einem solchen Fall kann der Straftatbestand nach § 140 StGB erfüllt sein, wenn erkennbar wird, dass es ihnen nicht darauf ankommt die Fahne zu schwenken/ zu hissen, um sich mit dem palästinensischen Volk zu solidarisieren und zu verbünden, sondern allein um die Anschläge zu feiern. 

Ein weiteres Beispiel: Sie bejubeln freudenartig Anschläge der Hamas im Rahmen einer Palästina-Demo/ Palästina-Versammlung, zum Beispiel durch Tanz, Gesang, das freudige Auftreten usw. Es ist schwierig ein genaues Beispiel zu formulieren, weil es sehr situationsbedingt ist und es immer auf den Gesamtkontext ankommt. Wie bereits erwähnt, kann hier der Slogan/ die Aussage/ Parole "From the river to the sea" strafbar sein. Es kommt aber auf die Gesamtumstände an.  

Wichtig: Es kommt bei der Auslegung im Rahmen des § 140 Nr. 2 StGB immer darauf an, wie ein objektiver, vernünftiger und unbegangener Mensch die Aussage in der konkreten Situation versteht. Das ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich! 

Was ist mit Solidaritäts-Bekundungen? 

Bei sog. allgemeinen Solidaritäts-Bekundungen, die mit einen politischen, rechtlichen oder auch humanitären Anliegen der Palästinenser verbunden sind, liegt keine Strafbarkeit vor, da sie der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG unterliegen. Werden bei bestimmten Demonstrationen/ Versammlungen bestimmte politische Ansichten vertreten, so sind diese von Art. 8 GG geschützt - selbst wenn die dortigen politischen Ansichten und Meinungen von der großen Mehrheit in Deutschland nicht geteilt und unterstützt wird.  


Läuft ein Ermittlungsverfahren gegen Sie?

Wenn gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat im Zusammenhang mit einer Palästina-Demo/ Palästina-Versammlung läuft, dann sollten Sie folgende Tipps beachten. Eine gute Zusammenfassung finden Sie auch in meinem Rechtstipp "Vorladung von der Polizei erhalten?".

Hier die Kurzzusammenfassung

  1. Wenn Sie eine Vorladung als Beschuldiger erhalten haben, dann müssen Sie nicht zur Vorladung bei der Polizei erscheinen! Das ist ihr gutes Recht! Denn: Sie sind Beschuldigter einer Straftat und müssen sich somit nicht selbst belasten! 
  2. Wenn Sie eine Vorladung als Beschuldiger erhalten haben, dann sagen Sie bitte den Termin bei der Polizei ab. Aber: Es besteht keine Pflicht den Termin abzusagen. Dennoch empfiehlt es sich, der Polizei gegenüber mitzuteilen, dass man nicht zum Termin erscheinen wird. 
  3. Sagen Sie die Vorladung bitte schriftlich ab, dh. per E-Mail, Fax oder Brief. Rufen Sie bitte nicht an, da Sie andernfalls der Gefahr ausgesetzt werden, am Telefon etwas zu sagen, was Sie später belasten könnte. Teilweise versuchen Polizeibeamten auf Sie einzureden, dass es "doch besser wäre, zu erscheinen, um die Vorwürfe gegen Sie aus der Welt zu räumen". Glauben Sie dem kein Wort!
  4. Bitte Schweigen Sie! Reden Sie nicht mit der Polizei. Hier gilt: Reden ist Silber, schweigen ist Gold! 
  5. Wenn Sie den Termin absagen und  nicht zur Polizei erscheinen, dann müssen Sie keine Nachteile befürchten! Es ist für Sie kein Nachteil, sondern ihr gutes Recht! Oft denken Beschuldigte, dass Sie sich "automatisch schuldig" oder "verdächtig" machen, wenn Sie die Vorladung absagen. Das ist Unsinn! Glauben Sie das bitte nicht! 
  6. Sie sollten in jedem Fall einen Rechtsanwalt kontaktieren und beauftragen. Warum? Weil es sich hierbei nicht um eine Kleinigkeit handelt. Sie riskieren bei bestimmten Straftaten hohe Freiheitsstrafen oder empfindliche Geldstrafen. Außerdem riskieren Sie mit einer Verurteilung, dass Sie vorbestraft sind. Eine Vorstrafe kann zur Eintragung ins polizeiliche Führungszeugnis führen. Außerdem kann es für Sie problematisch werden, wenn Sie Ausländer sind und beispielsweise beabsichtigen die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Aber auch im Zusammenhang mit ihrem Aufenthaltsrecht als Ausländer kann es für Sie problematisch werden. Lesen Sie hierzu meinen Rechtstipp "Ausländer - Strafrecht". 
  7. Nachdem Sie einen Rechtsanwalt beauftragt haben, wird dieser für Sie die Vorladung bei der Polizei, wenn Sie es nicht getan haben, absagen und Akteneinsicht beantragen. Anschließend bespricht ihr Rechtsanwalt das weiter Vorgehen! 
  8. Haben Sie noch Fragen? Dann melden Sie sich, vorzugsweise über das Kontaktformular, bei mir oder schreiben Sie mir eine Nachricht

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Einen kurzen Überblick zum Thema Strafrecht erhalten Sie hier "FAQ-Strafecht & Strafprozess"


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Foto(s): https://pixabay.com/de/photos/gaza-streifen-pal%C3%A4stina-3829405/

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