Gallengang bei OP durchtrennt: 60.000 Euro

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Mit Vergleich vom 26.02.2019 hat sich ein Krankenhaus verpflichtet, an meine Mandantin 60.000 Euro und meine außergerichtlichen Anwaltsgebühren (2,0-Geschäftsgebühr) zu zahlen.

Die 1973 geborene Angestellte litt wegen Gallensteinen unter Unwohlsein, Sodbrennen und Übelkeit. Die Ärzte des Krankenhauses empfahlen deshalb eine Entfernung der Gallenblase. Nach der operativen Entfernung der Gallenblase hatte die Mandantin Bauchschmerzen. Bei ansteigenden Laborwerten führten die Ärzte einen Tag später eine endoskopische Untersuchung durch (ERCP). Bei dieser Kontrolloperation stellten sie fest, dass der Hauptgallengang (Ductus choledochus) ausgefranst und teilweise abgestorben war. Hierdurch wurde Galle ausgeschieden. Nach weiterer Untersuchung zeigte sich, dass eine Defektzone von gut 2 cm vorlag, die in einer offenen Operation verschlossen wurde.

Anschließend waren noch drei Kontrolloperationen notwendig. 14 Tage später musste die Mandantin notfallmäßig wegen Oberbauchschmerzen, Fiebers bis 39,2 °C und einer braunen Verfärbung des Urins stationär aufgenommen werden. Es wurde eine antibiotische Therapie für fünf Tage durchgeführt, sodass sie nach einer Woche aus der stationären Behandlung entlassen werden konnte.

Ich hatte den Operateuren mit einem Sachverständigengutachten vorgeworfen, die laparoskopische Cholezystektomie (Entfernung der entzündeten Gallenblase durch Schlüssellochchirurgie) fehlerhaft durchgeführt zu haben. Aus dem Operationsbericht ergäbe sich, dass die Ärzte die einzelnen Gallengänge vor Durchtrennung nicht sicher identifiziert hätten. Wären die einzelnen Gallengänge vor dem Durchtrennen dargestellt worden (Durchführung des „critical view of safety“), hätten die Ärzte nicht den falschen Gallengang, nämlich den Ductus hepatocholedochus (Hauptgallengang), durchtrennt.

Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Sämtliche Operationslehren ab 2005 verlangten, dass im sogenannten Calot‘schen Dreieck nicht das erstbeste Organ geklippt und durchtrennt werden dürfe. Es müsse zunächst die Arteria cystica, der Ductus cysticus und der Leberunterrand dargestellt werden. Erst danach dürfe der Ductus cysticus durchtrennt werden. Bei einer laparoskopischen Operation sei nämlich das zweidimensionale Sehen des Arztes eingeschränkt. Deshalb würden besondere Vorsichtsmaßnahmen gefordert.

Derartige Vorsichtsmaßnahmen seien im Operationsbericht nicht dokumentiert. Die Ärzte hätten eine Struktur durchtrennt, bevor die Arteria cystica und der Unterrand der Leber dargestellt worden seien. Auch nach den Angaben im Termin sei ihr Vorgehen fehlerhaft gewesen. Die Ärzte hätte sukzessive Gewebe durchtrennt und weiter präpariert, bevor sie sich durch eine sorgfältige Darstellung des Calot‘schen Dreiecks die notwendige Sicherheit verschafft hätten.

Das Calot‘sche Dreieck sei eine wichtige topographische Orientierungsmarke im Rahmen der Entfernung der Gallenblase. Die Durchtrennung des Ductus choledochus wäre zu 100 % vermieden worden, wenn man so vorgegangen wäre, wie es in den Lehrbüchern gefordert werde. Die Sichtverhältnisse bei der OP seien nicht besonders schwierig gewesen.

Deshalb wären auch die vom Krankenhaus aufgeführten Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Hamm (Urteil vom 28.11.2008, AZ: 26 U 28/08) und des Oberlandesgerichtes Schleswig (Urteil vom 29.05.2009, AZ: 4 U 38/08) nicht anwendbar, wonach bei Verletzung des Gallenganges kein Fehler anzunehmen sei.

Die beiden Gerichte hatten in ihren Urteilen einen Behandlungsfehler bei Entfernung der Gallenblase verneint, obwohl auch dort ein Gallengang verletzt worden war. In diesen Fällen hatten die Ärzte allerdings zuvor das Calot'sche Dreieck dargestellt.

(Vergleich vom 26.02.2019, Landgericht Münster, AZ: 111 O 25/17)

Christian Koch, Fachanwalt für Verkehrsrecht



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