Abfindung nach einem Geburtshilfefehler

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Teil 4: der Vergleich im Geburtsschadensrecht

Der vierte Artikel der Reihe befasst sich mit dem Vergleich im Arzthaftungsrecht. Hierbei können schnell hohe Ansprüche vergessen werden und es kann zu Regressansprüchen kommen. Ferner kann der Vergleich Folgen für die Ansprüche von Dritten (z. B. die Krankenkasse) haben.

Um einen vorteilhaften Vergleich überhaupt abschließen zu können, muss eine wichtige Voraussetzung erfüllte sein: 

Die Höhe der potentiellen Ansprüche muss bekannt sein. 

Wenn man nicht weiß, ob der potenzielle Anspruch sich auf 1 Mio. Euro oder nur auf 100.000,00 Euro beläuft, kann man nicht erfolgreich verhandeln. Wenn erhebliche Ansprüche nicht einmal bedacht werden, ist es kaum verwunderlich, wie leicht manche Versicherungen einem Vergleich zustimmen. Der Vergleich stellt die größte Haftungsfalle für den medizinrechtlich tätigen Anwalt dar.

a) Vergleich für Geschäftsunfähige und Mündel

Steht das Kind unter Vormundschaft oder unter einer rechtlichen Betreuung, so kann ein Vergleich zwar ohne Mitwirkung des Vormundschaftsgerichts abgeschlossen werden. Dieses kann dem Vergleich allerdings die Genehmigung verweigern, sodass er nicht wirksam wird und rückabgewickelt werden müsste. Daher sollte das Vormundschaftsgericht vorher informiert werden und eine Genehmigung zum Abschluss des Vergleichs eingeholt werden.

b) Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten sich zu vergleichen

aa) Üblich ist der allumfassende Abschluss durch den Vergleich, sodass eine Abfindungszahlung geleistet wird und im Gegenzug alle Ansprüche in seiner Gesamtheit, für die Vergangenheit, die Zukunft, ob bekannt oder unbekannt abgegolten sind. 

Weitere Ansprüche können dann nicht mehr erhoben werden, auch nicht, wenn in der Zukunft einfache Änderungen der Tatsachenlage vorliegen. Nur für den Fall, dass sich die Tatsachenlage grundlegend geändert hat, gibt es Möglichkeiten, den Vergleich anzufechten oder Ansprüche geltend zu machen, die nicht vom Vergleich umfasst waren. Hier gelten allerdings sehr strenge Maßstäbe, sodass später nur selten weitere Ansprüche durchgesetzt werden können.

bb) Daneben gibt es den Teilvergleich, der in mehreren Varianten auftritt. 

Oft einigt man sich nur bezüglich des Schmerzensgeldes, weil es hier einen großen Spielraum für die Parteien und auch für das Gericht gibt. Da das Schmerzensgeld sich an der geltenden Rechtsprechung orientiert, können diverse Urteile zitiert werden, in denen bei ähnlicher Fallgestaltung bereits das Schmerzensgeld beziffert worden ist. Liegen beide Seiten nicht so weit entfernt, fällt die Einigung dann leichter. Offen bleiben dann alle anderen weiteren materiellen Ansprüche.

Möglich ist auch, dass man sich hinsichtlich aller vergangenen Ansprüche einigt und die zukünftigen Ansprüche offenlässt. Besonders dann, wenn noch eine oder mehrere Operationen ausstehen und die gesundheitlichen Folgen ungewiss sind, will man sich als Patient nicht alle zukünftigen Ansprüche abschneiden, die auf eine misslungene OP oder einem besonders negativen Heilungsverlauf beruhen.

cc) Teilweise Anerkenntnis

Schließlich kann es auch geschehen, dass die Gegenseite einen Teil der Ansprüche einfach anerkennt, was bei Behandlungskosten oder Umbaumaßnahmen schon mal der Fall ist. Bei Ansprüchen, bei denen die Belege fehlen, wird dann nur die Hälfte bezahlt und die Höhe des Schmerzensgeldes dann einvernehmlich verglichen. 

Weitere Ansprüche werden dann entweder auf Anforderung bezahlt oder nur teilweise beglichen. Dies hat den Vorteil, dass immer mal wieder Geld eingeht und mit jeder Zahlung die Verjährungsfrist aufs Neue beginnt. Der Nachteil ist, dass über Jahre eine konkrete Buchführung zu erstellen ist, damit der Überblick über die Zahlungen und offenen Ansprüche erhalten bleibt.

c) Besondere Risiken des Vergleichs

aa) Übersehen eigener Ansprüche

Ein Risiko besteht darin, dass im Vergleich Ansprüche überhaupt nicht berücksichtig worden sind und diese dann ersatzlos entfallen.

bb) Übersehene Ansprüche Dritter: private Krankenversicherung (pKV)

Darüber hinaus besteht das Risiko, dass Ansprüche Dritter mit in den Vergleich aufgenommen werden und diese dann ebenfalls – meist unwissentlich – mit abgefunden werden. Problematisch ist es bei Vorhandensein einer privaten Krankenversicherung (pKV), wobei der Patient die Kosten erst selbst bezahlt und sich diese dann von der pKV zurückerstatten lässt.

Wenn der Vergleich allerdings jegliche Kosten mit einschließt, dann auch die Kosten der Heilbehandlung. Kommt es also zu einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation mit langem Krankenhausaufenthalt und ggf. Operationen, dann hat der privat versicherte Patient diese Behandlungskosten selbst bzw. aus der Vergleichssumme zu bezahlen. 

Klarzustellen ist, dass dies nur für die pKV gilt und gerade nicht für die gesetzliche Krankenkasse. Dies liegt daran, dass gesetzlich vorgeschrieben ist, dass der Anspruch zum Ersatz der die Behandlungskosten gemäß gesetzlichem Übergang (§§ 116, 119 SGB X, § 86 VVG) zu keinem Zeitpunkt beim Kassenpatienten lag. Er kann anders als bei den privaten Behandlungskosten nicht über diese verfügen.

cc) Übersehene Ansprüche Dritter: Finanzamt

Werden Zahlungen auf einen Vergleich bezahlt, stellt sich immer wieder die Frage, ob dies zu versteuern ist. Schmerzensgeld ist nie zu versteuern. Beruht ein Teil des Betrags auf einen Einkommensschaden, ohne dass eine tatsächlich einmal ausgeübte Tätigkeit wegfällt, so handelt es sich nicht um eine Entschädigung im Sinne des § 24 EStG und ist daher nicht zu versteuern. 

Beachte: Bei Geburtshelferschäden kommt eine Versteuerung also nie in Betracht. Bei erwachsenen Berufstätigen, die geschädigt wurden, dagegen schon. Aufgrund der Höhe der Ansprüche sollte man zur Sicherheit immer eine Klausel in den Vergleich mit aufnehmen, die jedes Steuerrisiko ausschließt.

Beruht der Anwaltsvergleich auf einem rechtlichen Irrtum des Patienten, so besteht dennoch kein Anfechtungsrecht. Dies gilt weil der Rechtsanwalt den Vergleich abschließt und ein Rechtsirrtum dann grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

Weitere Rechtsfragen zum Geburtsschadensrecht werden in den weiterführenden Rechtstipps geklärt.

Teil 1: Geburtsschadensrecht: Fehler vor und unter der Geburt – Schmerzensgeld und Schadensersatz

Teil 2: Geburtsschadensrecht: Behandlungsfehler nach der Geburt – Schmerzensgeld und Schadensersatz

Teil 3: Geburtsschadensrecht: Verfahrensarten nach Arztfehler – Schmerzensgeld und Schadensersatz

Teil 4: Geburtsschadensrecht: Vorsicht beim Abfindungsvergleich – Schmerzensgeld und Schadensersatz richtig abfinden.

Teil 5: Geburtsschadensrecht: Das Schmerzensgeld richtig ermitteln

Teil 6: Geburtsschadensrecht und Schadensersatz: Entgeltschaden, Pflegeschaden, Haushaltsführungsschaden

Teil 7: Geburtsschadensrecht: Verjährung von Schmerzensgeld und Schadensersatz – Erfolgsaussichten

Zum Autor

Rechtsanwalt Christian Lattorf ist seit vielen Jahren auf dem Gebiet des Geburtsschadensrechts und noch länger auf dem Gebiet des Arzthaftungsrechts auf der Patientenseite tätig. Die Kanzlei ist deutschlandweit für medizingeschädigte Patienten tätig.

Rechtsanwalt Christian Lattorf

Spezialist und Fachanwalt für Medizinrecht



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